Volley Amriswil hat es in dieser Saison erneut verpasst, Schweizer Meister zu werden. Wie im Vorjahr heisst dieser Schönenwerd, die Finalserie war erneut sehr knapp. Die Amriswiler holten mehr Sätze und Punkte als die Solothurner, nicht aber die entscheidenden. «Schönenwerd hat in den heissen Phasen den kühleren Kopf bewahrt als wir, wir waren zu nervös», sagt Lars Migge, einer der Leistungsträger von Amriswil.
Der 20-Jährige stammt aus Altstätten, spielte nun aber bereits seine zweite Saison in der höchsten Liga der Schweiz bei Amriswil. Nirgends in der Ostschweiz – und landesweit wohl fast nirgends sonst – hat Volleyball einen so hohen Stellenwert wie in der 12000-Einwohner-Stadt im Thurgau.
«Über Jahre wurde dort kontinuierlich etwas aufgebaut, das sich etabliert hat. Von der Academy bis hin zur ersten Mannschaft ist Amriswil top aufgestellt», sagt Lars Migge. Er veranschaulicht das mit Bildern, auf denen das Amriswiler Trikot zu sehen ist: «Wir haben etwa 25 Sponsoren darauf, andere Vereine vielleicht zehn.» Und Amriswil hat Fans; nicht nur in den Finalspielen war die Heimhalle stets gut besucht.
Volleyball hat im Rheintal einen schweren Stand
In unserer Region ist Volleyball bei Weitem nicht so beliebt wie in Amriswil. Es existiert nur ein Verein, der Aktivmannschaften anbietet: Rheno Volley, das seine Heimpartien in Heerbrugg austrägt. Rheno hat viele Teams, sie sind auch erfolgreich. Darauf angesprochen, bescheinigt Lars Migge dem Verein eine sehr gute Arbeit, Rheno sei aber ein klassischer Breitensportklub. Wer in den Leistungssport wolle, müsse wie er den Schritt aus dem Rheintal heraus tun.
«Dieser war mit einigen Entbehrungen verbunden», so Migge,
ab der Sekundarschule bin ich täglich um 5 Uhr aufgestanden, um nach Amriswil zu fahren.
Warum es Volleyball im Rheintal so schwer hat, kann der Altstätter nicht schlüssig beantworten: «Vielleicht wird es einfach zu wenig gefördert, bringt man es den Jungen zu wenig nahe», mutmasst er.
Einen weiteren Verein gibt’s: Der Volleyballclub Altstätten. In ihm hat Migge die ersten Schritte gemacht, mit sieben Jahren hat er angefangen. Seine Mutter Ulrike hatte den Trainerposten übernommen, damit Lars die Möglichkeit zu trainieren hatte. In Altstätten gibt’s aber nur Junioren- und Plauschteams, so schloss Lars Migge sich 2016 der Amriswiler Academy an.
Pro Jahr einen bis zwei Profis herausbringen
Wer dort spielt, hat Ambitionen, will es im Volleyball weit bringen. Denn obwohl die Sportart in Amriswil sehr beliebt ist und gelebt wird, reich wird man auch im Thurgau vom Volleyballspiel nicht. Und nicht jeder schafft es in die erste Mannschaft.
Ziel der Academy sei, pro Jahr einen bis zwei Spieler herauszubringen, die das Potenzial zum Profi haben, erklärt der 1,98 Meter grosse Lars Migge. Das ist im Volleyball gleich wie in anderen Teamsportarten. Der grossen Herausforderung stellt sich auch Lars’ drei Jahre jüngerer Bruder Gregor («er ist jetzt schon grösser als ich!»).
Lars Migge sitzt im Gespräch entspannt auf der Bank, die Antworten kommen jedoch schnell und bestimmt. Es ist zu spüren: Der junge Mann weiss, was er bisher erreicht hat und was er erreichen will. Und er bleibt auf dem Boden, obwohl seine Vita jetzt schon beeindruckt.
Man muss konsequent dranbleiben. Der Wille muss da sein, auch Talent, aber vor allem Fleiss, Training, Disziplin.
Diese Tugenden haben den Altstätter weit gebracht. Er spielt nicht nur bei Amriswil in der Nationalliga A, sondern auch in der Schweizer Nationalmannschaft.
Der Nationalspieler will im Ausland Fuss fassen
Im letzten Sommer, nach seiner ersten NLA-Saison, erhielt Lars Migge sein erstes Aufgebot – es ging gleich an die Europameisterschaft. Lars Migge sagt:
Nach dem zweitletzten Playoffspiel kam der Natitrainer zu mir und fragte, was ich im Sommer vorhabe. Eigentlich wollte ich ja in die Ferien.
Die Ferienpläne strich er jedoch sehr gern und er überstand auch die Cuts, in denen das Kader jeweils verkleinert wird. Auf seiner Position habe der Trainer aus sieben Spielern auswählen können, vier nahm er mit, unter ihnen Lars Migge. Dieser durfte die letzten drei Spiele sogar von Beginn an bestreiten und wurde vom Schweizer Fernsehen als «Senkrechtstarter» bezeichnet. «Ich wollte an die EM und wollte auch spielen. Im Kopf war ich dabei recht frei, ich spielte frisch und locker», sagt Lars Migge. Es war ein Erfolgsrezept.
Auch in diesem Sommer ist er wieder in die Nati aufgeboten worden, die nächste EM findet in zwei Jahren statt.
Bis dahin will Lars Migge in seiner Karriere einen weiteren Schritt gemacht haben. Er hat sich entschieden, seinen Vertrag bei Amriswil aufzulösen, um im Ausland Fuss zu fassen. Wohin es geht, ist noch nicht spruchreif, als beste Ligen gelten jene in Italien und Polen, primäres Ziel sei aber, zu spielen. «Wenn ich mich mit besseren Gegnern messen kann, kann ich mich auch besser entwickeln», sagt Migge. In den letzten Jahren hat dies stets sehr gut funktioniert.