06.11.2018

Vom Umgang mit Traumaopfern

Rund 80 Personen folgten kürzlich im Singsaal der Mehrzweckanlage den Ausführungen zweier namhafter Fachleute im Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen. Hintergrund für die organisierende Gruppierung «mite­nand-walzenhausen» war die geplante Einrichtung eines kantonalen Durchgangszentrums für Asylsuchende im «Sonneblick», die bekanntlich wegen Rekursen von Opponenten seit längerer Zeit blockiert ist. Mit verschiedenen Anlässen betreibt die Freiwilligengruppierung Aufklärung und bereitet sich auf unterstützende Einsätze für den Zentrumsbetrieb vor, wie Initiant Adrian Keller, Geschäftsleiter der Stiftung Sonneblick, ausführte.Das unerwartet zahlreiche Publikum zeigte, dass das alles andere als leicht verdauliche Thema auf Interesse stösst und Hintergrundwissen zum praktischen Umgang mit den Betroffenen gefragt ist. So waren denn auch zahlreiche Zuhörende im Saal, die im praktischen Alltag mit dieser Problematik konfrontiert sind, aber auch solche, die sich damit als Laien auseinandersetzen wollen. Das zeigte denn auch die anschliessende Diskussion, die sich vor allem um konkrete Fragen um unterstützende Angebote drehte, mit denen man Betroffenen einen weiterführenden Weg weisen kann, angesichts der oft persönlichen Hilflosigkeit mit der man trotz viel guten Willens ansteht.Eine Kapazität auf diesem Gebiet ist der Psychiatrie-Facharzt Thomas Maier, langjähriger Leiter des Ambulatoriums für Folter und Kriegsopfer am Universitätsspital Zürich und gegenwärtig Chefarzt der Psychiatrieregion St. Gallen Nord. In seinen Ausführungen wies er auf die individuell sehr unterschiedlichen Ursachen der Betroffenheit und auf die verschiedenen Phasen des Zustandes hin, die vielfach eine jahrelange fachärztliche Unterstützung benötigen. Dabei gilt es, zuerst das Vertrauen der Opfer zu gewinnen, die mit ihren Erlebnissen in der Heimat, der Flucht und der Ungewissheit im Verlaufe des behördlichen Verfahrens, den sprachlichen und kulturellen Barrieren in einem ständigen Ausnahmezustand leben. Dazu spüren sie, dass ihnen in der Öffentlichkeit häufig mit Argwohn begegnet wird.Es braucht deshalb ein geduldiges Herantasten der Fachpersonen, bevor überhaupt mit ei­-ner zielführenden Behandlung begonnen werden kann. Maier, der die Zahl der in der Schweiz von durch Menschenrechtsverletzungen traumatisierten (wenn auch nicht in jedem Fall kranken) Betroffenen auf 200000 bis 300000 schätzt, sprach bezüglich der Asylsuchenden aus ärztlicher Sicht von einer «Hochrisikogruppe». Besondere Schwierigkeiten sind nicht gedeckte Kosten, vor allem auch für den Beizug von Dolmetschern. Diese «stören» die Behandlungssitzungen, sind aber logischerweise unentbehrlich. Die Klienten begegnen ihnen erst noch häufig mit Misstrauen. «Psychotherapie ist bei Traumatisierten möglich, sinnvoll und nützlich», erklärte Thomas Maier, aber sie reicht nicht in allen Teilen, deshalb bleibt eine grosse Herausforderung der Gesellschaft.Der zweite Referent, Christian Rupp. Interimistischer Leiter des Zentrums für Psychotraumatolologie Gravita und Geschäftsleiter des SRK St. Gallen als Trägerin, stellte die Institution vor. Sie trägt in diesem Bereich mit einem Ambulatorium und einer Tagesklinik mit multidisziplinären Angeboten dazu bei, dass die Betroffenen Hilfe erhalten, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Dabei kommt eine multidisziplinäre Kombination von Medizin und Therapie zum Einsatz, aus sprachlichen Gründen auch häufig mit non-verbalen Formen, wie Musik, Kunst usw. Auch hier hemmen finanzielle Fragen und der Aufwand der Dolmetscher mitunter die gewünschten Erfolge und die Dauer der Behandlung. Das Publikum folgte den Ausführungen sehr konzentriert und sprach sich trotz fortgeschrittener Zeit für eine Verlängerung der geplanten Diskussion aus, was als Lob für die Veranstalter gewertet werden darf. (pd)

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