21.04.2022

Vielleicht doch Strom aus dem Rhein

Die Regierung schätzt die Realisierungschancen für ein Wasserkraftwerk im Rhein gering ein, würde sich einem Projekt aber doch nicht von vornherein verschliessen, wie sie in ihrer Antwort auf einen Vorstoss der SVP schreibt.

Von Max Tinner
aktualisiert am 02.11.2022
Die SVP hatte letzten Herbst in einem Vorstoss den Bau von Wasserkraftwerken im Rhein gefordert, um einer drohenden Stromversorgungslücke zu begegnen. Die Regierung teilt in ihrer nun vorliegenden Antwort die Ansicht der Partei, dass das Problem dringlich ist. Sie sieht ein «akzentuiertes Risiko» ab 2025, vor allem den Winter über. Sollten dann grosse Kraftwerke in der Schweiz und im Ausland just zur selben Zeit ausfallen, könnte es zu mehrstündigen Versorgungsengpässen kommen. Wie alle anderen Kantone strenge sich auch St. Gallen an, erneuerbare Energiequellen wie Fotovoltaik auszubauen und den Verbrauch effizienter zu machen.Regierung will Lebensräume erhaltenDie Wasserkraft werde für die Schweiz wichtig bleiben, hält die Regierung weiter fest. Aktuell könne sie gesamtschweizerisch etwa 60 Prozent des Bedarfs decken, im Kanton St. Gallen knapp 20 Prozent. Das Potenzial für einen Ausbau der Wasserkraft erachtet sie zumindest für den Kanton St. Gallen aber für gering: Jene Gewässerabschnitte, die sich für die Wasserkraftnutzung eigneten, würden bereits weitestgehend genutzt. Ein gewisses Potenzial bestehe noch in der Modernisierung oder Erweiterung bestehender Anlagen, die dann aber gleichzeitig ökologisch zu sanieren seien. Die Regierung betont aber auch, dass sie noch nicht genutzte und ökologisch wertvolle Gewässer als intakte Gewässerlebensräume erhalten will.Die Regierung bestätigt zwar, dass ein Laufkraftwerk am Alpenrhein noch 2019 in einer Projektliste des Bundesamts für Energie aufgeführt war, allerdings bei einer Realisierungswahrscheinlichkeit von nicht mehr als – je nach Nutzungsbedingungen – 13 bis 38 Prozent. Angedacht waren fünf Kraftwerkstufen zwischen Sargans und Sennwald mit einer Leistung von jeweils etwa 16 Megawatt und einer Jahresproduktion von bis zu 75 Gigawattstunden pro Stufe.Den Bau von Kraftwerkstufen ab Rüthi abwärts hält die Regierung für unrealistisch. Das Gefälle sei hier zu gering. Dies schrieb sie vor fünf Jahren in einer Antwort auf eine Interpellation der SVP-Kantonsräte Walter Freund (Eichberg) und Mirco Rossi (Sevelen). Aber auch für den Abschnitt zwischen Sargans und Sennwald sei die Machbarkeit nicht abschliessend geklärt, hält sie in ihrer Antwort auf den aktuellen Vorstoss der SVP fest. Würde man das Projekt reaktivieren, wären weitere, teils umfassende Abklärungen nötig.Falls gleichzeitig ökologisch aufgewertet würdeDie Regierung erinnert zudem daran, dass frühere Projekte mit einer Flut an Einsprachen gebodigt wurden. Solche wären auch heute zu erwarten. Tatsächlich schreiben die Umweltverbände auf ihrer Onlineplattform «Lebendiger Alpenrhein» nach wie vor von einer «Wiederbelebung eines Horrorprojekts».Die gesetzlichen Rahmenbedingungen wären auf jeden Fall eine Herausforderung, schreibt die Regierung. Ein Projekt hätte ihrer Meinung nach nur eine Chance, wenn es interessierten Betreibergesellschaften gelänge, eine der Bestvarianten von 2014 so weiterzuentwickeln, dass die Energiegewinnung mit einer ökologischen Aufwertung einher ginge. Dazu nötig wären sowohl Geld als auch Zeit. Die Regierung erklärt sich aber immerhin bereit, «die Thematik in die Gremien der Anrainerstaaten und -kantone am Alpenrhein einzubringen und bei allseitigem Konsens weiterzuverfolgen».Letzteres nimmt die SVP erfreut zur Kenntnis: «Nur weil ein Weg beschwerlich ist, heisst das nicht, dass er nicht begangen werden kann», meinte Mirco Rossi am Mittwoch während der Aprilsession. Angesichts des zu erwartenden massiv steigenden Bedarfs müsse der Kanton die Möglichkeit weiterverfolgen, zumal die Dämme ohnehin saniert werden müssten: «Der Strom kommt zwar aus der Steckdose – aber irgendwo muss er auch produziert werden.» Auch Walter Freund freut das von der Regierung angedeutete Entgegenkommen. «Wenn die Versorgung unsicher wird, geht es halt doch», meint er.

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