06.10.2020

Viele Mitarbeiter vergrault - und verloren

Der Dosenspezialist Indosa in Au sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, in der Firma herrschten «gravierende Missstände».

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
In der Unia-Gewerkschaftszeitung «work» ist von fünf ehemaligen Mitarbeitenden die Rede, die rechtliche Schritte gegen Indosa eingeleitet haben. Ein Industriedesigner spricht davon, im Betrieb herrsche «das reinste Chaos» und die Führung sei despotisch. Wer Verbesserungen vorschlage, werde gemobbt. Ein Monteur berichtet, laute Wutausbrüche des Chefs seien nicht unüblich; eine Arbeitgeberbestätigung, die der Familienvater für die Arbeitslosenkasse braucht, sei ihm nie ausgestellt worden. Ausstehende Löhne, von denen die Gewerkschaftszeitung berichtet, werden mit insgesamt fast 100'000 Franken beziffert.Bei der Gewerkschaft Unia hat der work-Zeitungsbeitrag weitere Beschwerden hervorgerufen. Unia-Sekretär Lukas Auer sagte am 24. September, vier Tage nach Erscheinen des Beitrags, bereits hätten sich je zwei weitere (im Artikel nicht erwähnte) ehemalige Mitarbeiter sowie zwei immer noch bei Indosa angestellte Personen gemeldet und den Inhalt des Zeitungsbeitrags bestätigt. Die Anrufer hätten einhellig gemeint, die Zustände seien zutreffend beschrieben worden.Der 78-jährige Firmenchef Werner Grabher widerspricht der Darstellung durch die Gewerkschaftszeitung vehement und spricht von einem abgekarteten Spiel. Er habe stets alle Löhne bezahlt. Die in der Gewerkschaftszeitung erwähnten finanziellen Forderungen bestünden zu Unrecht. Nachdem es einem ehemaligen Mitarbeiter gelungen sei, eine Summe von gut 30'000 Franken «herauszupressen», würden dies auch andere versuchen.Söhne gründeten KonkurrenzbetriebSelbst die Familie hat sich von Werner Grabher abgewendet. Seine beiden Söhne haben schon vor sieben Jahren im Nachbardorf Berneck ihr eigenes Unternehmen gegründet und es «gegen väterlichen Widerstand» erfolgreich aufgebaut. Auch dieses Unternehmen stellt Maschinenanlagen für die Dosenproduktion her. Die eigenen Anlagen seien mit einer High-Tech ausstattet, die sich von den Indosa-Maschinen stark unterscheide, sagt Geschäftsführer Michael Grabher, einer von vier Söhnen des erfahrenen Auer Unternehmers.Der Vater indes sieht sich als das Opfer, dem man vieles weggenommen habe, einerseits im Zuge der Scheidung (ein Verfahren, das jedoch noch gar nicht abgeschlossen ist), andererseits, wie Werner Grabher es darstellt, auf heimtückische Weise. Kunden seien hinter seinem Rücken ebenso in die neue Firma der Söhne geholt worden wie Zeichnungen von Maschinen oder Patente, selbst Maschinen seien abgezügelt worden.Als vor einem Jahrzehnt die Indosa-Nachfolge ein Thema wurde, war eine vernünftige Nachfolgeregelung aus Sicht der Söhne nicht möglich. Die Meinungsverschiedenheiten waren zu gross. Auch im Umgang mit dem Personal hätten «ganz andere Wertvorstellungen» bestanden, bestätigt Michael Grabher die Richtigkeit seines Zitats in der Gewerkschaftszeitung. Die Vorwürfe des Vaters weist er zurück. Die Maschinen sähen zwar zwangsläufig ähnlich aus, seien aber mit ganz und gar anderer High Tech ausgestattet.Werner Grabher hadert mit seiner Familie auch insofern, als diese ihren Konkurrenzbetrieb zunächst Indosa Grabher AG nannte – dies mit der Billigung der Ex-Gattin, die ein entsprechendes Papier unterschrieb. Michael Grabher begründet die anfängliche Firmenbezeichnung damit, dass der bekannte Name in der Hoffnung auf eine gütliche Nachfolgeregelung verwendet worden sei. Als diese Hoffnung sich aber als Irrglaube herausstellte, sei die Firma rasch in Swiss Can Machinery umgetauft worden.Grossem Druck standgehaltenVor einem knappen Jahrzehnt war die Welt für Indosa noch in Ordnung. Zum 75-jährigen Bestehen konnte Patron Werner Grabher Ende 2011 eine neue Fabrikhalle samt Technologiezentrum eröffnen. Seither ist der Personalbestand von fünfzig auf nur noch ein knappes Drittel geschrumpft. Der Öffentlichkeit blieb das nicht verborgen. Auf dem Indosa-Areal stünden kaum mehr zehn Autos, heisst es etwa.Werner Grabher sagt, er habe sich trotz grosser Unbill über Wasser gehalten und trotz finanziellen Drucks hervorragende neue Maschinen entwickelt. Sein Unternehmen verkauft teils 50 Meter lange Anlagen mit bis zu 20 aufeinander abgestimmten Maschinen. Die Nachfrage sei riesig, das Ziel klar. Nach viel Lob und Aufmunterung in der jüngeren Zeit habe er sich gesagt, er setze sich noch einmal voll fürs Unternehmen ein. Indosa solle jenes Potenzial erreichen, das ihm vorgeschwebt habe, bevor er unter Druck geriet. Das Lager sei prall gefüllt und der Personalbestand solle einstige Stärke erreichen. Tatsächlich können entsprechende Stellenanzeigen eine Trendwende vermuten lassen.Die Vorwürfe gegen den Patron sind damit aber nicht vom Tisch. Am Freitag, 25. September hatte wieder einmal eine Schlichtungsverhandlung stattgefunden. Nach Auskunft von Unia-Gewerkschaftssekretär Lukas Auer ging in den letzten Jahren insgesamt ein Dutzend ehemaliger Mitarbeiter rechtlich gegen die Firma Indosa vor. Habe jemand gekündigt, sei die Nichtbezahlung des letzten Lohns praktisch Standard gewesen. In einen Fall war Auer selbst involviert. Als er Indosa die Betreibung angedroht habe, sei zwar sogleich ein Erpressungsvorwurf erklungen, der ausstehende Betrag aber umgehend bezahlt worden.Dem «work»-Autor mit Anwalt gedrohtDem Journalisten der Gewerkschaftszeitung soll Werner Grabher mit einem Prozess gedroht haben, falls über ihn berichtet werde. Gegenüber unserer Zeitung sagt Autor Jonas Komposch, Werner Grabher sei zunächst gesprächsbereit gewesen. Schliesslich habe er jedoch für den Fall einer Berichterstattung mit einem Anwalt gedroht. Dies habe die «work»-Redaktion so interpretiert, dass der Firmenchef seine Aussagen zurückgezogen habe, sagt Jonas Komposch. Aus diesem Grund kommt Grabhers Standpunkt im work-Beitrag nicht zum Ausdruck.Grabher wirft Komposch vor, er habe ihn erpresst. Der Autor habe gemeint, er verfasse einen Bericht, sofern die von ehemaligen Mitarbeitern geforderten knapp 100'000 Franken nicht bezahlt würden. Komposch widerspricht; das sei natürlich unzutreffend. Er habe lediglich versichert, eine allfällige Bezahlung der geforderten Summe würde in seinem Zeitungsbeitrag anerkennend erwähnt.Ein Chef «muss sich  durchsetzen können»In der Kritik als Chef steht Werner Grabher zusammen mit seiner «rechten Hand» im Betrieb – einer Kauffrau, die mit dem Patriarchen ein «despotisches Führungsduo» bilde, wie in der Gewerkschaftszeitung zu lesen ist. Über diese «letzte Gefährtin» des Patriarchen, die auch privat mit ihm verkehren soll, schreibt die Gewerkschaftszeitung, sie sei «sehr autoritär», ihr Mobbing sei gefürchtet; alle fünf ehemaligen Indosa-Mitarbeiter, mit denen die Zeitung gesprochen habe, hätten dies bestätigt. Auch aus der gegenwärtigen Belegschaft tönt es gleich, das Mobbing bewege sich geradezu auf Kindergartenniveau, wird angemerkt. Die Gefährtin des Firmenchefs liess die Bitte um telefonischen Rückruf unbeantwortet, Werner Grabher spricht von ihr auf eine Weise, die eine hohe Wertschätzung der Kritisierten erkennen lässt. Auch er selbst hat nicht unbedingt einen schlechten Ruf; er wird von jemandem aus der Belegschaft sogar explizit in Schutz genommen und als netter Mensch beschrieben.Die «lauten Wutausbrüche» sind allerdings keine Mär. Seine aufbrausende Art, die im Gespräch bald einmal durchdrückt, verteidigt er so: Es stimme, er sei emotional, und ein Chef müsse sich durchsetzen können. Dies in der eigenen Firma zu tun, sei sein gutes Recht.Der Probleme zum Trotz, herrscht innerhalb der Familie in zwei Punkten Einigkeit. Des Streitens ist man müde. Und: Während vielen Jahren hatte man gemeinsam eine gute Zeit. 

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