Rhythmische Gymnastik 28.02.2024

«Viele Mädchen profitieren davon, was sie in der RG gelernt haben»

Mirjam Vogel ist neue Präsidentin der RG/Gym Diepoldsau-Schmitter – und steht vor dem ersten Grossanlass ihrer Ära. Im Interview sagt sie, warum der Sport eine Lebensschule ist und weshalb man mit 16 Jahren zu den Seniorinnen gehört.

Von Interview: Johannes Thoma
aktualisiert am 28.02.2024

Die 32-jährige Mirjam Vogel ist nahezu gleich alt wie der Verein RG/Gym Diepoldsau-Schmitter. Ihre Mutter Doris Lehner gründete ihn, als sie mit Mirjam Vogel schwanger war – und amtete sehr lange als Präsidentin. Vor wenigen Wochen hat Mirjam Vogel das Amt als Vereinsoberhaupt von ihrer Mutter übernommen. Die Kantonalmeisterschaft in Diepoldsau Mitte März wird der erste Grossanlass in ihrer Präsidentschaftszeit. Den Sport kennt sie aus eigener Erfahrung in- und auswendig.

Mirjam Vogel, was macht für Sie die Faszination der Sportart Rhythmische Gymnastik aus?

Mirjam Vogel: Ich schaue mir die Wettkämpfe einfach mega gern an. Die Vielseitigkeit fasziniert mich, man muss so viel können. Ausserdem ist der Sport eine echte Lebensschule: Man muss sich erst mal trauen, sich als junges Mädchen vor vielen Leuten hinzustellen. Dazu kommt, dass gerade bei uns im Verein der Zusammenhalt einfach toll ist.

Mirjam Vogel ist seit einem Monat Präsidentin des Vereins RG/Gym Diepoldsau-Schmitter.
Mirjam Vogel ist seit einem Monat Präsidentin des Vereins RG/Gym Diepoldsau-Schmitter.
Bild: pd

Im Rheintal gibt es mit Diepoldsau nur einen Verein, der RG anbietet. Woran liegt das? War das früher anders?

Viele Vereine gab es in unserer Region noch nie, neben uns gab es nur noch bis 2021 die RG Berneck, die sich aufgelöst hat. Bei der RG ist für die Athletinnen, den Verein und die Trainerinnen und Trainer der Aufwand sehr gross. Für Letztere muss der Sport eine echte Leidenschaft sein. Ausserdem gibt es hier auch nicht viele, die das nötige Know-how haben. Für die Mädchen ist das Pensum enorm, die Grösseren trainieren vier- bis fünfmal pro Woche. Dazu kommt, dass die Perspektive nicht gerade riesig ist; es wird wohl nie dazu reichen, mit dem Sport Geld zu verdienen.

Kunstturnen und Rhythmische Gymnastik werden gern verwechselt. Können Sie die Unterschiede erklären?

Die Rhythmische Gymnastik ist ästhetischer, tänzerischer und immer mit Musik untermalt. Wir arbeiten ausserdem mit Handgeräten, die Bewegungen sind vom Ballett angehaucht. Beim Kunstturnen steht die Athletik im Vordergrund.

Für wen und ab welchem Alter ist die Sportart geeignet?

In der Rhythmischen Gymnastik fängt man mit ungefähr fünf Jahren an, es gibt bei uns aber auch einen speziellen Gym-Dance-Kurs für Vierjährige. In unserer Sportart muss man wegen der Beweglichkeit früh beginnen. Kinder, die zu uns kommen, sollten grundsätzlich Freude am Tänzerischen haben und bereits über eine gewisse Beweglichkeit verfügen.

Ist RG eine reine Mädchensportart? Und warum hören fast alle Gymnastinnen spätestens im jungen Erwachsenenalter damit auf?

Es gibt auch junge Männer, die den Sport ausüben. Hierzulande sind es ganz wenige, in Spanien gibt es aber sogar eine eigene Liga für Männer. Viele junge Frauen hören auf, wenn sie etwa in die Ausbildung starten oder studieren. Dann wird die Belastung für manche zu gross. Je älter jemand wird, desto schwieriger wird es. Das weiss ich aus eigener Erfahrung, die Beweglichkeit lässt einfach nach. Aber viele Mädchen profitieren davon, was sie gelernt haben, auch in anderen Bereichen, etwa bei Turn- und Tanzsportarten. Die oberste Altersklasse in der RG heisst übrigens Ü16 und nennt sich Seniorinnenkategorie.

Bei Diepoldsau-Schmitter gibt es wieder mehr Nachwuchs. Woran liegt das?

Ich hoffe daran, dass wir einen guten Job machen. Zudem ist unser Einzugsgebiet nach Bernecks Rückzug grösser geworden. Wir sind stets aktiv, es gibt viele Anlässe. Wir sind mit viel Herzblut dabei, das merken die Mädchen, auch wenn wir keine Spitzentrainerinnen sind. Zudem sind auch einige Mädchen aus der Ukraine zu uns gekommen.

Was müsste sich ändern, damit RG genauso populär wird wie Kunstturnen?

In der Schweiz sind wir in dieser Sportart nicht so erfolgreich wie die Kunstturner, die dementsprechend gefördert werden. Es gibt auch viel weniger Clubs, die RG anbieten, als Kunstturnvereine. Bei der RG gibt es zudem manchmal zu viel Leistungsdruck. Wir müssen die Balance finden zwischen Leistungsdenken und reiner Freude. Wir haben auch innerhalb unserer Organisation Luft nach oben, wir können bessere Rahmenbedingungen schaffen. Trotzdem wird die RG immer eine Randsportart bleiben.

Eine Familie, die für diesen besonderen Sport lebt
Die RG/Gym Diepoldsau-Schmitter lebt als kleiner Verein vom grossen Engagement seiner Trainerinnen und Trainer, Funktionärinnen und Funktionäre sowie Helferinnen und Helfer. Aktuell zählt er 85 Mitglieder, 35 davon sind bei der RG, dem leistungssportlich orientierten Teil des Vereins.
Geprägt werden Verein und RG in erster Linie von der Familie Lehner. Doris Lehner gründete den Club vor 33 Jahren und war bis am 15. Februar 2024 mit Unterbrechungen Präsidentin. Dann hat ihre Tochter Mirjam Vogel das Zepter übernommen. Sie und ihre Schwester Petra Lehner sind schon seit vielen Jahren in der RG aktiv: zunächst als Gymnastinnen, dann auch als Trainerinnen, Kampfrichterinnen und Funktionärinnen.
Petra Lehner ist nicht nur Ressortchefin und Trainerin, sondern über den Verein hinaus für das Leistungszentrum und den Schweizerischen Turnverband im Einsatz. Die beiden sind auch sportlich erfolgreich: 2018 wurden sie Schweizer Meisterinnen in der Disziplin Gymnastik-Kür. Auch ihr Vater Hubert Lehner ist Sportfunktionär. Er ist seit rund zehn Jahren tätig beim St.
Galler Turnverband, seit fünf Jahren ist er dessen Präsident.
Einzig ihr Bruder Ralph Lehner hat bei der RG keine Funktion – der Gemeindepräsident von Diepoldsau ist aber gern Zuschauer bei Wettkämpfen. Seine vierjährige Tochter ist indes bereits im Gym-Dance der RG.

Der Wettkampf in Diepoldsau vom 16. und 17. März ist ein Höhepunkt für den Verein. Welche Vereine sind dabei und um welche Titel geht es?

Es geht zuallererst um die Kantonalmeisterschaft in allen Leistungsklassen. Da sind auch viele Bernecker Mädchen dabei, die jetzt im Regionalen Leistungszentrum RLZ RG Ost in St.Gallen trainieren. Es steht aber auch ein überregionaler Wettkampf auf dem Programm, an diesem starten Gymnastinnen aus Opfikon-Glattbrugg, Teufen, Zug oder dem Glarnerland.

Sind die Wettkämpfe auch für Laien zum Zuschauen geeignet?

Ja, auf jeden Fall. Man muss die Sportart nicht bis ins letzte Detail verstehen, um sie geniessen zu können. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen kommen, um zurückzulehnen, zu staunen und zu geniessen. Zudem ist ein Besuch auch eine Wertschätzung für die Mädchen, die so viel trainieren. Manche sind echte Spitzengymnastinnen.

Werden alle Disziplinen, ohne Handgerät sowie mit Seil, Reifen, Ball, Keule und Band geturnt?

Seil wird nicht geturnt, das hat der Schweizer Turnverband so entschieden. Es ging ihm dabei um die Einheitlichkeit, damit die Leistungen vergleichbarer sind. In der gleichen Altersklasse turnen die Mädchen jeweils mit dem gleichen Gerät.

Kantonalmeisterschaft
Am Wochenende von Samstag, 16., und Sonntag, 17. März, richtet die RG/Gym Diepoldsau-Schmitter in der Mehrzweckhalle Kirchenfeld in Diepoldsau die Kantonalmeisterschaft der Rhythmischen Gymnastik aus. Erwartet werden rund 240 Gymnastinnen und 17 Gruppen aus zwölf Vereinen und zwei Leistungszentren.
Die Wettkämpfe starten am Samstag um 10 Uhr (bis etwa 19.30 Uhr) und am Sonntag um 8.30 Uhr (bis 16.45 Uhr). Es gibt für alle Mädchen ein Diplom und für die drei bestplatzierten Gymnastinnen eine Medaille. OK-Präsidentin Mirjam Vogel, die freiwilligen Helferinnen und Helfer sowie das Kampfgericht freuen sich auf viele Fans. Die Wettkämpfe – alle Auftritte werden musikalisch untermalt – können den ganzen Tag über besucht werden. Für das leibliche Wohl gibt es eine Festwirtschaft.

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