29.03.2020

Viele Hotels stehen komplett leer

Das Coronavirus setzt der Ostschweizer Hotellerie zu. Die Auslastung ist um über 90 Prozent zurückgegangen.

Von Marco Capellari
aktualisiert am 03.11.2022
«Es ist eine Katastrophe», sagt Simona Maier, Geschäftsführerin des Hotels Frauenfeld. «Bis in den Juni sind praktisch alle Reservationen storniert worden.» Auch Firmenanlässe würden aus Angst bereits Monate im Voraus abgesagt. «Die meisten meiner Mitarbeiter befinden sich deshalb in Kurzarbeit», sagt sie. Die Rezeption sei noch besetzt, aber reduziert. «Und wenn die Rezeptionistin nach Hause geht, übernehme ich vom Home Office aus den Telefondienst.» Noch hofft Maier, Entlassungen abwenden zu können.«Wer noch Zimmer bucht, sind Monteure, die in der Region arbeiten. Bei 89 Zimmern ist das natürlich nur ein Tropfen auf den heissen Stein», sagt Maier. Dabei hat sie das Glück, dass 15 ihrer Zimmer Studios für Dauergäste sind. «Diese bleiben natürlich.» Das Hotel ganz zu schliessen, komme deshalb nicht in Frage.«Wir wollen am Tag X bereit sein»Die meisten Hotels müssen fast auf ihren gesamten Umsatz verzichten. Im Hotel von Rotz in Wil etwa bleiben derzeit sämtliche 104 Betten leer. «Ich musste alle Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken», sagt Hanspeter von Rotz. Vereinzelt werde noch das Self-Check-in genutzt. «Ich hatte vor kurzem einen Gast, der nicht mehr zu seinen Eltern nach Hause wollte, da diese zur Risikogruppe gehören.» Kündigungen kann von Rotz nicht ausschliessen. Eine Schliessung soll auf jeden Fall verhindert werden. «Aber ich habe mich darauf eingestellt, dass die Krise noch eine Weile anhält.» Verschlimmere sich die Situation weiter, würden im Betrieb wohl wieder vermehrt Arbeiten familienintern übernommen werden.Alexandre Spatz, Präsident von Hotellerie Suisse Ostschweiz, bekommt die prekäre Situation als Geschäftsführer des «Golf Panorama» in Lipperswil aus nächster Nähe mit. «Wir sind praktisch das einzige Hotel im Thurgau, das noch das Vollsortiment anbietet.» Auch er verzeichnet rund 70 Gäste weniger pro Tag. «Ausser sieben befinden sich deshalb alle unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit. Schliessen will Spatz das Hotel auf keinen Fall. «Wir wollen am Tag X bereit sein, wenn die einschränkenden Massnahmen des Bundes wieder aufgehoben werden», sagt er.Um zumindest einen Teil des ausbleibenden Umsatzes aufzufangen, bietet Spatz in seinem Hotel Home-Office-Plätze an. Zwölf Personen nutzen diesen Service momentan. Ein paar wenige Hotels versuchen ebenfalls, die Coronakrise mit kreativen und neuen Lösungen zu überbrücken. So auch Simona Maier, die im Hotel Frauenfeld in Kürze ebenfalls Home-Office-Plätze anbieten möchte.René Meier vom Hotel Uzwil dagegen, wo zwei Drittel der Angestellten in Kurzarbeit sind, hat einen Take-away-Service lanciert. «20 bis 30 Personen bestellen derzeit täglich bei uns.» Das Angebot laufe so gut, dass er sich vorstellen könne, es nach der Krise weiterhin anzubieten.Kosten senken und den Betrieb runterfahren«Rund 90 Prozent der Beschäftigten in der Ostschweizer Hotellerie befinden sich in Kurzarbeit», sagt Michael Vogt. Der Geschäftsführer des Hotels Einstein in St. Gallen ist Präsident des Verbandes Hotels St. Gallen-Bodensee. «Auch meine Devise ist: Kosten senken und den Betrieb so weit wie möglich runterfahren.» So nutze er momentan nur einen Gebäudetrakt, um die Heizkosten zu senken. Das «Einstein» sei gut ins Jahr gestartet und habe darum noch finanzielle Reserven. «Familienbetriebe und kleinere Hotels kommen aber schnell in eine Notlage.» Dass einzelne Hotels auf Übergangslösungen setzen, begrüsst er. «Aber nicht jeder hat diese Möglichkeit.» Deshalb sei es besonders wichtig, dass die Politik tätig geworden ist. «Dass die Beherbergungsabgaben erlassen werden, ist ein richtiger Schritt.»Wichtiger sei aber die versprochene Finanzhilfe des Bundes. So können Unternehmen auf Sofortkredite zurückgreifen. Das grosse Problem sei der Umsatzeinbruch. Auf über 90 Prozent schätzt Vogt den Rückgang in der Auslastung in der zweiten Märzhälfte. Anders als in der Gastronomie, die nach der Krise erwartungsgemäss schnell wieder anlaufe, könnte die Hotellerie noch länger unter den Auswirkungen leiden, sagt Vogt. «Ausserdem ist in St. Fiden ein neues Ibis-Hotel im Bau. Auch das Sorell-Hotel ist am Ausbauen.» So werde es – von allfälligen Hotelschliessungen abgesehen – im zweiten Halbjahr mehr Betten geben, was die Situation erschwere.«Es fühlt sich wie mehrere Wochen an»Noch wisse niemand, was die Zukunft bringen wird, meint Vogt. «Es fühlt sich zwar wie mehrere Wochen an, doch wir sind erst am neunten Tag des Lockdowns», sagt Vogt. «Noch vor einem Monat konnten wir nicht erahnen, dass sich die Situation zur grössten je dagewesenen Krise in unserer Branche zuspitzen würde.»Marco Capellari

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