18.10.2018

Viel mehr als nur holzen

Sascha Kobler ist seit der Forstwartlehre vor 28 Jahren dem Beruf treu geblieben, weil ihn die Natur fasziniert. Im Herbst beginnt mit der Holzernte die strengste Zeit. Die Arbeit ist aber weit mehr als nur holzen.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin SchmidEs ist kurz vor acht Uhr, als die Sonne über der Sünser Spitze hervorkommt und das Rheintal mit ihren Sonnenstrahlen flutet. Sascha Kobler, Revierförster der Forst Rüthi-Lienz AG, empfängt mich vor dem Werkhof, bevor wir mit dem Auto Richtung Montlinger Schwamm fahren. Nach 15-minütiger Fahrt erreichen wir die Rüthner Inneralp – unser Ziel. Flankiert von einem Herbstwald in Grün-, Rot- und Gelbtönen eröffnet sich uns ein wunderbares Panorama mit Blick über das Rheintal bis zum Bodensee. «Der schönste Arbeitsplatz der Welt», sagt der Förster und ergänzt: «Bei diesem Wetter fällt selbst die anstrengende Arbeit leicht.» Forstwart und Maschinist René Lantschner sowie Forstwartlehrling Kevin Hehli sind bereits fleissig bei der Arbeit: Die Äste mit der Motorsäge vom Baumstamm trennen und die Baumstämme mit dem Forstschlepper sortieren und aufeinander stapeln. 50 Meter vom Arbeitsplatz entfernt stehen Warntafeln, die auf den Holzschlag aufmerksam machen. «Leider beachten nicht alle Wanderer und Biker die Absperrungen», sagt Kobler, «immer wieder kommt es zu hitzigen Diskussionen, aber glücklicherweise noch nie zu einem Unfall.» Bei allen Arbeitstätigkeiten steht die Sicherheit im Mittelpunkt und erst wenn diese gewährleistet ist, wird geholzt, gesägt und gefällt.Gegen Wind und WetterSo schön die Arbeit bei Sonnenschein auch sei, das herrliche Wetter und die damit einhergehende Trockenheit setzten dem Wald zu. «Die Bäume stehen unter Stress. Sie werfen ihre Blätter ab oder sterben. Als Konsequenz davon müssen viele Bäume gefällt werden», sagt der 44-Jährige und ergänzt: «Wie diese Fichte hier, die keine Kraft mehr hat, die Borkenkäfer zu bekämpfen.» Um die Sicherheit im Wald zu gewährleisten, kontrolliert der Förster die Wälder häufiger in diesem Jahr. Sein Beruf beinhalte mehr als nur holzen: «Wir pflegen Jungwälder, Hecken und Biotope, erstellen Hangsicherungen, Bach- und Lawinenverbauungen und warten die Waldwege.» Ausserdem seien sie im ständigen Austausch mit Waldbesitzern und Behörden. Ein Forstmann muss trittsicher und schwindelfrei sowie robust gegen Wind und Wetter sein. Eine Grundfitness ist ebenso wichtig wie vorausschauend zu arbeiten: «Was wir heute anpflanzen, ernten unsere Nachfahren frühestens in 100 Jahren», sagt der Rüthner. Sascha Kobler ist überzeugt, dass die Spätfolgen der Trockenheit auch nächstes Jahr noch spürbar sein werden. Allgemein verändert sich der Wald wegen der Klimaveränderung. «Die Auswirkungen werden erst mit der Zeit sichtbar.Dauerthema BorkenkäferEs kann gut sein, dass in jetzt dunklen Nadelwäldern in Zukunft sonnenliebende Eichen den Platz einnehmen, dass sich Trockenheit gewohnte Bäume ausbreiten und weiter invasive Pflanzen die hiesige Flora und Fauna bedrängen», sagt Sascha Kobler. Von den klimatisch bedingten Veränderungen profitiere auch der Borkenkäfer. Häufen sich Stürme und Dürreperioden, kann dies zu einer Massenvermehrung der Tiere führen und die vielfältigen Nutzen des Waldes einschränken. «Der Wald reinigt unsere Luft und unser Trinkwasser. Er schützt unsere Dörfer und Infrastrukturen vor Lawinen, Überschwemmungen und Steinschlägen. Er produziert den Rohstoff Holz, den wir als Baumaterial und Brennstoff verwenden, und zunehmend übernimmt der Wald die Erholungsfunktion für die Menschen», sagt der Förster.Sascha Kobler ist mit Leib und Seele Förster. In seinen Schilderungen und Ausführungen schwingt Leidenschaft mit, seine Freude an Pflanzen ist ungebrochen und seine Augen funkeln, wenn er in den Wald blickt. Manchmal, wenn er durch den Wald zieht und Bäume markiert, halte er inne und geniesse die Ruhe und die Natur. Auch wenn Klimaveränderung und sinkende Holzpreise aufs Gemüt drücken, gibt es auch diese speziellen nicht alltäglichen Gänsehautmomente: z. B. wenn im Winter ein Wildschwein im Schein des Vollmonds einen Luchs aus dem Wald jagt.

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