Gert BrudererAuf sechs-, siebenhundert Metern über Meer, ob Altstätten zum Beispiel, findet man Bäche vor, die wie Dickicht aussehen – und nicht wie Gewässer. Kleinere Rinnsale sind überwachsen mit Stauden und Büschen, grössere werden von Baumstämmen und Ästen gequert, und bei den Bachsperren am Widenbach (der nach Hinterforst fliesst) ist die Bachsohle weit oben.Es mangle stark an Unterhalt, lautet ein wiederkehrender Vorwurf. Dem Altstätter Peter Sieber, der gern in der Natur und öfter im Wald unterwegs ist, begegnen oft Zustände wie die beschriebenen.Er beanstandet sie nicht als einziger und bemerkt, Hochwasserschutz habe schon oben am Berg zu beginnen. Was frühzeitig beiseitegeschafft werde, schwemme ein Hochwasser auch nicht ins Tal.Holz und Geschiebegehören zum BachWarum also wird Hochwasserschutz nicht so betrieben, dass man Geschiebe und Holz schon weit oben beiseite räumt?Die Entfernung von Totholz aus dem Gerinne könne lediglich eine Verkleinerung des Problems bedeuten, sei aber keine Lösung, sagt Jürg Marthy, Projektleiter Wasserbau beim kantonalen Amt für Wasser und Energie. Denn bei Hochwasser sei der Frischholzanteil in Wildbächen teilweise sehr hoch.Das zeigt eine Analyse des Bundesamtes für Umwelt aufgrund der schweren Unwetter von 2005: Der Frischholzanteil in Wildbächen lag teilweise bei 50 bis 75 Prozent. Das Wasser entwurzelte somit den überwiegenden Teil des talwärts mitgerissenen Holzes.Ebenso wie das Wasser gehören Holz und Geschiebe zu jedem Bach. Holz ist ökologisch wichtig – als Teil von Lebensräumen ebenso wie als Nahrung für Kleinlebewesen. Hingegen sei darauf zu achten, dass kein Wirtschaftsholz in Gewässern oder in deren Nähe gelagert werde, sagt Jürg Marthy.Dennoch: Muss Hochwasserschutz nicht schon oben am Berg beginnen? Die Frage kommt immer wieder, wohl auch darum, weil es keine klare Antwort gibt. Die Prozesse, die im Einzugsgebiet von Wildbächen ablaufen (z. B. Geschiebe- und Schwemmholztransport, Murgänge, Rutschungen) sind ja nicht identisch.Jedes Projekt ist fürsich zu betrachtenMit Blick auf kleinere Gewässer sieht Jürg Marthy die beste Lösung in einer ausreichenden Kapazität des Gewässers überall dort, wo es ein Dorf, eine Siedlung durchfliesst. Idealerweise habe ein Bach in der Lage zu sein, das ganze Geschiebe und alles Holz durchleiten zu können. Ob Massnahmen im Siedlungsgebiet als Schutz vor Hochwasser genügten oder ob zusätzlich Massnahmen (z. B. Wildbachsperren) am Berg nötig seien, müsse für jedes Hochwasserschutzprojekt individuell untersucht und festgelegt werden, sagt der Wasserbauspezialist.Auch die Wirtschaftlichkeit der Massnahmen sei jeweils zu prüfen. Beispielsweise würden Wildbachsperren am Altstätter Brendenbach im Bereich der Grossrutschung Ober Weidist als schlecht investiertes Geld betrachtet, da diese den Rutschprozess nicht aufzuhalten vermögen.Oft liegen ganze Stämme im BachAls Wanderer oder Spaziergänger im Wald trifft man mitunter auf ganze Baumstämme, die einen Bach queren, oft liegen gleich mehrere Stämme und reichlich Geäst im Gerinne. Solche Bilder sind geeignet, Zweifel an der Bereitschaft zu bestmöglichem Hochwasserschutz aufkeimen zu lassen.Marthy sagt dazu, was nach viel Holz aussehe, führe nicht zwangsläufig zu Problemen. Dies sei davon abhängig, ob unterhalb eine Siedlung liege und ob das Gewässer genug gross sei, um dieses Holz überhaupt bis dorthin zu transportieren.Auch beim Anblick einer Wildbachsperre kann die eigene Wahrnehmung zu falschen Schlüssen führen. Dass beispielswiese bei den Sperren am Widenbach die Sohle sehr weit oben liegt, bedeutet nicht, wie sich vermuten liesse, eine Vernachlässigung des Unterhalts, sondern ist gewollt. Die Sperre soll voll und die Bachsohle oben sein, damit die Borde nicht ins Wasser rutschen können.