31.01.2022

Videoüberwachung: Stadt hat den Kanton missverstanden

Als die Stadt ihr Polizeireglement erarbeitete, hat sie sich bei den Vorgaben für die Auswertung von Videoüberwachungsaufnahmen mehr eingeschränkt, als nötig war.

Von Max Tinner
aktualisiert am 02.11.2022
Die Kantonsräte Andreas Broger (Die Mitte) und Thomas Eugster (SVP) kritisierten letzten Sommer in einer einfachen Anfrage an die Regierung die restriktiven Vorschriften für die Auswertung von Videoüberwachungsaufnahmen. Wollen die Altstätter Behörden auf solche Aufzeichnungen zugreifen, brauchen sie zunächst eine Bewilligung der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts. Das sei sehr umständlich, hielten sie in ihrem Vorstoss fest. Und es schütze letztlich gar Vandalen und Litterer, wenn wegen des administrativen Aufwands auf eine Auswertung der Videoaufnahmen verzichtet werde.Bewilligungspflicht gilt nur bei StrafverfahrenDie nun vorliegende Antwort der Regierung überrascht: Sie deutet nämlich an, dass die Stadt eine Rückmeldung des Kantons missverstanden haben dürfte, als sie den Entwurf für ihr Polizeireglement vom Sicherheits- und Justizdepartement auf die Zulässigkeit der Artikel darin durchsehen liess.Im Entwurf war in Bezug auf Überwachungsaufnahmen ei­ne Auswertung vorgesehen, um «zivil- oder strafrechtliche Ansprüche» zu prüfen, schildert die Regierung den Hergang. Das Sicherheits- und Justizdepartement habe die Stadt dann darauf hingewiesen, dass die Einsichtnahme im Rahmen ei­nes Strafverfahrens nur auf Anweisung der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte zulässig sei. Und dass eine darüber hinaus gehende Auswertung unzuläs­-sig sei.Die Stadt hat daraufhin den entsprechenden Artikel im Polizeireglement geändert und bestimmt, dass die Aufzeichnungen von Überwachungskameras nur auf Anweisung der Staats­anwaltschaft oder der Gerichte eingesehen werden dürfen.Damit hat die Stadt ihre eigenen Möglichkeiten mehr beschnitten, als nötig gewesen wäre. Die Regierung hält auf den Vorstoss Brogers und Eugsters nun nämlich fest, dass sich der damalige Hinweis des Sicherheits- und Justizdepartements ausschliesslich auf Strafverfahren bezog und diesbezüglich tatsächlich keine Lockerung der Vorschrift möglich sei.Auswerten zur Erfüllung der Gemeindeaufgaben erlaubtAusserhalb eines strafrechtlichen Verfahrens dürfe eine Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben und im Rahmen der Vorgaben ihres Polizeireglements aber sehr wohl Videoaufzeichnungen einsehen, schreibt die Regierung. Etwa zu Präventionszwecken und zur Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. Werden dabei Verstösse ge­gen die öffentliche Ruhe und Ordnung festgestellt, sei es zulässig, die betreffenden Personen anzusprechen. Nicht zulässig wäre dann aber eine Sanktionierung: «Die Sanktionierung von Straftaten – wozu auch Sachbeschädigung und Littering gehören – erfolgt ausschliesslich über die Strafverfolgungsbehörden», hält die Regierung fest.Es stellt sich die Frage, wie man in der Praxis abgrenzen würde, wann es noch erlaubt ist, Videoaufzeichnungen auszuwerten und wann nicht mehr.Leicht zu beantworten sei diese Frage nicht, sagt David Knecht, der Leiter des Rechtsdienstes im Sicherheits- und Justizdepartement, auf Nachfrage. Es wäre von Fall zu Fall zu prüfen. Letztlich dürfe aber eine Gemeinde ihre Videoüberwachung nur für die Erfüllung des gesetzlichen Zwecks verwenden, für den sie sie eingerichtet hat, aber nicht für mehr.Die Gemeinde ist demnach also befugt, beispielsweise nach einem nächtlichen Gelage auf einem überwachten öffentlichen Platz die Videoaufnahmen in Erfüllung ihrer gemeindepo­lizeilichen Tätigkeit die Videoaufnahme ohne Weiteres zu verwenden, die Festbrüder und -schwestern nach Möglichkeit zu identifizieren und ihnen ins Gewissen zu reden. Wenn es der Gemeinde aber darum geht, jemanden für angerichtete Schäden zur Rechenschaft zu ziehen, müsste sie bei der Staatsanwaltschaft die Einsicht in die Videoaufzeichnungen beantragen.Andreas Broger, der auch Stadtrat ist und der Altstätter Sicherheitskommission vorsteht, will nun an einer der nächsten Stadtratssitzungen – falls nötig – eine Änderung des Passus’ im Polizeireglement beantragen. Er ist der Meinung, dass bei Sachbeschädigungen und Littering tatsächlich nicht in jedem Fall eine Sanktionierung nötig ist:  «Manchmal würde es genügen, Verursacher oder Verursacherinnen einfach auf ihr Tun anzusprechen, um künftige Ereignisse abzuwenden.»

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