09.10.2021

Video: Neue Lektüre, Referat und Apéro zum 175-Jährigen

Geladene Gäste feierten in Rebstein ihre Lokalzeitung und bekamen einen Vorgeschmack auf die Jubiläumschronik.

Von Text: Seraina Hess / Video: Monika von der Linden und Sara Burkhard
aktualisiert am 03.11.2022
Das obligate Glas Weisswein und das eine oder andere Canapé – sie gehören zu einem Geburtstag dazu, erst recht zu einem derart hohen. Knapp 90 Personen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Verlagswesen haben gestern Abend auf ihre Lokalzeitung angestossen, die mit 175 Jahren auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken darf (Ausgabe von gestern). Den eigentlichen Leckerbissen präsentierte die veranstaltende Galledia Regionalmedien AG aber nicht während des ausgedehnten Apéros, sondern auf der Bühne des ri.nova Impulszentrums: die Jubiläumschronik «Offen und frei wird seine Stimme sein». Autor Christoph Rohner, selbst im Verwaltungsrat des Medienhauses, stand zwar nicht auf der Bühne, aber dennoch im Mittelpunkt. Der Hinterforster Jurist Werner Ritter, Präsident des Vereins für die Geschichte des Rheintals, hielt die Laudatio und rührte dabei mächtig die Werbetrommel für das Werk. «Machen Sie nicht den Fehler, das Buch nicht zu kaufen. Und machen Sie auf gar keinen Fall den zweiten Fehler, das gekaufte Buch nicht zu lesen», ermahnte Ritter. [caption_left: Werner Ritter, Präsident des Vereins für die Geschichte des Rheintals. (Bild: Remo Zollinger)]Geschichte nicht von Fremden schreiben lassenBei einer Kaufempfehlung blieb es natürlich nicht. Ritter leitete dem Publikum her, weshalb es sich für eine Gemeinschaft lohne, sich mit der eigenen Geschichte zu befassen – und weshalb es gefährlich sei, darauf zu verzichten und sie damit Fremden zu überlassen. Beispiele existierten auch in der Schweiz, etwa in den 1990er-Jahren, als die Vereinigten Staaten die Diskussion um die Aktivitäten von Schweizer Banken während des Zweiten Weltkriegs anstiessen. Weiter brachte die – wenn auch späte – Aufarbeitung der Verding-Praxis und der Zwangssterilisation Unrecht im Land zutage, über das Jahrzehnte geschwiegen wurde. «‹Der Rheintaler› macht es besser, stellt sich seiner Geschichte und kann darauf stolz sein». Ritter führte aber noch viel weiter zurück in die publizistische Vergangenheit – und überraschte mit Fakten, die nur Manuskript-Leserinnen und Lesern von Rohners Werk bekannt sein dürften. So könne sich der Kanton St. Gallen als Zeitungskanton rühmen, denn in Rorschach soll 1597 die erste Zeitung der Welt erschienen sein, die diesen Namen auch verdiente. [caption_left: Urs Schneider (links), Galledia-Verwaltungsratspräsident, und Christoph Rohner, Verwaltungsrat, Rechtsanwalt und Autor. (Bild: Remo Zollinger)]Zeitungen verantwortlich für die moderne SchweizFür den Verlauf der Schweizer Geschichte hätten sich die Blätter des Landes ziemlich bald als wegweisend erwiesen, führte Ritter aus: «Nicht dem Rütlischwur verdanken wir eine demokratische und moderne Schweiz, sondern den Zeitungen.» Vom grossen nationalen Rahmen spannte er schliesslich den Bogen wieder ins Lokale. Das Werk offenbare nämlich auch, welche Rheintaler sich in den vergangenen beiden Jahrhunderten besonders engagiert für die Region einsetzten. Denn während die Zeitungsausgaben heute oft «politischen Softdrinks» gleichkämen, seien Diskussionen vor allem im 19. Jahrhundert äusserst aggressiv in den Printmedien ausgefochten worden. Als öden Wälzer, den man zusammen mit einem homöopathischen Schlafmittel verabreiche, könne man Rohners Chronik nicht abtun, schloss Werner Ritter. Im Gegenteil: «Das Werk ist spannend, gehört in jede private Rheintaler Bibliothek und dient nicht zuletzt der Bildung.»[caption_left: Knapp 90 Gäste folgten der Einladung der Galledia Regionalmedien AG. (Bild: Remo Zollinger)]Ehemaliger Abtprimas plädierte für mehr FreiheitReferat Als Gastredner des Jubiläumsabends stand Abt Notker Wolf aus der Abtei St. Ottilien bei München auf der Bühne, der bis Ende 2016 als Abtprimas den Benediktinerorden mit über 1000 Klöstern und rund 23000 Benediktinern weltweit führte. In knapp 40 Minuten brachte der geistliche 81-Jährige Themen wie Wirtschaftsethik, soziale Gerechtigkeit und humanes Management im Zeitalter der Globalisierung unter einen Hut – und berichtete ganz nebenbei, wie er sich bereits persönlich mit dem ehemaligen Papst Benedikt kritisch über Hierarchien in der Katholischen Kirche unterhalten habe. Notker Wolfs Vortrag war keine Predigt, sondern im Kern ein Plädoyer für die Freiheit. In der Gesellschaft werde der Ruf nach Sicherheit durch den Staat, nach Gesetzen und Vorschriften immer lauter, weil es bequem sei, in einer klar definierten Struktur zu leben. Allerdings führe nur der innere moralische Appell zum Erfolg und schliesslich auch zur persönlichen Erfüllung. (seh)[caption_left: Verlagsleiter Heinz Duppenthaler (links) im Gespräch mit Abt Notker Wolf. (Bild: Remo Zollinger)]

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