18.08.2021

Video: Der Tunnel unter dem Frauenhofplatz

Einst brauchte es über den Brendenbach nur eine Brücke. Über die Jahre und Jahrhunderte wurde aus ihr ein Platz, und der Durchlass für den Bach wurde zum Tunnel. In den nächsten Jahren muss er für mehr Hochwassersicherheit umgebaut werden.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Wo Bäche wichtige Wegverbindungen queren, hat man seit jeher Brücken gebaut. Bedeutender als jene nach Appenzell dürfte früher zwar die über den Ruppen nach St. Gallen gewesen sein. Und doch dürften die alten Altstätter den Brendenbach schon vor Jahrhunderten überbrückt haben. Aus der Brücke wurde nach und nach, wohl schon vor langer Zeit, ein grosser Platz, der heutige Frauenhofplatz zwischen «Appenzellerhof», «Frauenhof» und Migros (wo früher ein drittes Gasthaus am Platz stand, das «Landhaus»). In der Gartenwirtschaft sitzt man auf einem Stück BrückeVom Bach aus gesehen wurde aus der Brücke ein immer längerer Durchlass. Und während der Platz – abgesehen von den darüber führenden Strassen – wie aus einem Guss erscheint, lassen sich von unten einzelne Erweiterungen aus jüngerer Zeit sogar heute noch erkennen (wobei die «jüngere Zeit» auch schon mit x Jahrzehnten gleichzusetzen ist). Im Besonderen sitzt man in einem Teil der Gartenwirtschaft des «Appenzellerhofs» heute auf einem Stück Brücke, das es vor 100 Jahren noch nicht gab, wie alte Ansichten belegen.1953, vor dem Stadtbachausbau. Wo beim «Appenzellerhof» (links) heute eine Gartenwirtschaft ist, ging’s damals noch in den Bach hinab. Rechts das «Landhaus», das damals dem Platz noch den Namen gab. Bild: Staatsarchiv, Signatur W 283/1-07575 Eine letzte wesentliche Veränderung des Durchlasses gab es Mitte der 1950er-Jahre. Damals wurde der Stadtbach auf die heutige Bauweise in Natursteinpflästerung mit Niederwasserrinne und seitlichen Bermen ausgebaut, auch über die Einmündung des Luterbachs hinaus auf der ganzen Länge des Brendenbach-Durchlasses bis ans obere Ende des Frauenhofplatzes. Nach rund 70 Jahren wird man hier in absehbarer Zeit wieder bauen. Dies im Zuge der Stadtbachsanierung, die der Stadtrat beschlossen hat, nachdem der Stadtbach bei dem katastrophalen Unwetter von 2014 an mehreren Stellen über die Ufer getreten ist und das Städtli verwüstet hat. Ein Nadelöhr war damals auch der Durchlass unterm Frauenhofplatz hindurch.Die Unwetter von 2013 und 2014 zeigten, dass ein Ausbau nötig istZwar hätten die Dimensionen des Durchlasses genügt, wäre nur Wasser gekommen, sagt Sandro Büchel, der Projektleiter der Stadt Altstätten für die Hochwasserschutzprojekte. Verheerend wirkten sich damals das Holz und das Geschiebe aus, die der Bach mitführte, was zu Verklausungen an den Brücken führte und eben auch oben am Zufluss in den Durchlass. Deswegen wurde inzwischen im Gebiet Obermüli ein paar hundert Meter ob der Stadt die Rückhaltekapazität der Verbauungen für Holz und Geschiebe um ein Vielfaches ausgebaut. Und ein weiterer Geschieberückhalt etwas weiter oben im Gebiet Weidest ist noch in Planung.Aus einer Dokumentation der Melioration der Rheinebene: Bauarbeiten am Durchlass, wohl Mitte der 1950er-Jahre, als der Bach die heutige Pflästerung bekam. Im Hintergrund links das «Landhaus».Bild: Staatsarchiv / Signatur A 151-4.3-34-10-103 Nach jenem Unwetter war zunächst von einem 80- bis 130-Jahre-Ereignis die Rede. Die Zahl wurde später aber nach unten korrigiert – das Hochwasser dürfte tatsächlich lediglich eines gewesen sein, mit dem man statistisch sogar alle 30 bis 40 Jahre rechnen muss. Dies bedeutet eine Wassermenge von etwa 30 Kubikmeter pro Sekunde. Nicht auszudenken, wie die Stadt ausgesehen hätte, wäre der Bach bei einem Jahrhunderthochwasser mit 40 Kubikmetern Wasser pro Sekunde über die Ufer getreten. Auf diese Durchflusskapazität will man den Brendenbach und den Durchlass unterm Frauenhofplatz nun auslegen.Dort hat man als eine der ersten Massnahmen nach dem Unwetter von 2014 Leitungen umgelegt, die man irgendwann oben an der Decke quer durch den Durchlass montiert hatte. Diese Leitungen reduzierten die eigentlich zur Verfügung stehende Querschnittsfläche. Zusätzliche Durchflusskapazität möchte man nun noch gewinnen, indem man die Sohle absenkt.Alles wird runder und gleichförmiger Dazu wird zum einen die heutige kanalförmige Niederwasserrinne ausgerundet. Zum anderen sollen ab der Mühlackerbrücke bis zum Zusammenfluss von Brendenbach und Luterbach die Abstürze eliminiert werden. Im Besonderen jenen grad beim oberen Ende des Durchlasses, der im Hochwasserfall ohnehin nachteilig ist, weil sich seinetwegen hier gerne Geschiebe ablagert. Künftig soll die Bachsohle von der Mühlackerbrücke bis zum einmündenden Luterbach hinab ein gleichmässiges Gefälle haben. Ausserdem will man die Radien der beiden Kurven, denen der Bach im Durchlass folgt, ein wenig vergrössern, um dem Wasser das Durchfliessen des Durchlasses zu erleichtern.Das ist leichter gesagt als getan. Das Problem dabei liegt weniger im Bach als am Platz darüber. Für die Bauarbeiten wird man jenen nämlich aufreissen müssen, was bedeutet, dass der Verkehr um die Baustelle herumgeführt werden muss, ohne dass es zu langen Staus kommt. Nicht zuletzt gilt es dabei auch die Bushaltestelle und die Fussgängerübergänge zu berücksichtigen.Auch der Platz über dem Bach stellt die Planer vor ProblemeDie Bushaltestelle ist ohnehin eine Knacknuss. Die Haltekante muss künftig ein hindernisfreies Ein- und Aussteigen erlauben. Das Behindertengleichstellungsgesetz verlangt dies so. Die Möglichkeiten dafür sind aber beschränkt, weil die Fahrbahn nicht tiefer gelegt werden kann. «Die Überdeckung über dem Durchlass beträgt heute schon nur etwa 30 Zentimeter», sagt Sandro Büchel. Zum Vergleich: Ein normaler Strassenaufbau ist etwa 60 bis 70 Zentimeter stark. Das Niveau der Fahrbahn ist also durch die Lage des Brendenbach-Durchlasses bereits gegeben.Weil man für die Sanierung des Durchlasses den Platz aufbrechen wird, ist an das Hochwasserprojekt Stadtbach auch ein Betriebs- und Gestaltungskonzept gekoppelt, das regeln soll, wie das Verkehrsregime auf dem  Frauenhofplatz künftig aussehen soll und wie er demzufolge künftig aussehen wird. Derzeit erarbeite man mehrere Varianten, sagt Sandro Büchel. Ein solches Betriebs- und Gestaltungskonzept ist auch weiter unten am Bachlauf für die Churerstrasse nötig, im Besonderen für die Verzweigungen beim Kloster Maria Hilf und beim «Brüggli». An beiden Kreuzungen unterquert der Bach die Strasse, und an beiden Orten wird es als Folge der Bachsanierung neue Brücken brauchen. Involviert sind auch die Verkehrsbetriebe und nicht zuletzt der Kanton, der bei der Bachsanierung bei allen Teilprojekten federführend ist, wo die Staatsstrasse betroffen ist, namentlich beim Ersatz der Brücken – und auch bei der Sanierung des Brendenbachdurchlasses unter dem Frauenhofplatz hindurch.Bis gebaut wird, kann es noch ein paar Jahre dauernDas Stadtbach-Projekt werde mit aller Kraft vorangetrieben, betont der Projektleiter der Stadt. Während mit der bereits bewilligten Sanierung des Brendenbachs ab dem Frauenhofplatz aufwärts wohl schon nächstes Jahr begonnen werden kann, dürfte die Sanierung des Frauenhofplatz-Durchlasses und des Stadtbachs bis oberhalb des Jung-Rhy-Areals hinab noch eine Weile auf sich warten lassen. Sandro Büchel geht davon aus, das Gesamtprojekt im Verlauf eines der nächsten Jahre öffentlich auflegen zu können. Durch die Länge der Sanierungsstrecke sind jedoch viele Anstösser vom Projekt betroffen. Deshalb wird die Projektleitung wahrscheinlich noch viele Gespräche führen, bevor mit dem Bau begonnen werden kann.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.