26.08.2021

Verzicht fühlt sich anders an

Lukas Alpiger und Fiona Tobler haben sich für alternatives Wohnen in der Zwischennutzung entschieden.

Von Interview: Alina Graber
aktualisiert am 03.11.2022
Interview: Alina Graber Seit November 2019 bewohnt das Paar ein Tiny House, einen zweistöckigen Container auf dem Gelände der Zwischennutzung. Zur Wohnfläche von zwölf Quadratmetern im Parterre kommen weitere sechs im oberen Stock. Bett und Schrank beanspruchen den grössten Teil dieser Fläche. Rund ein Jahr nach einem ersten Besuch der Redaktion sprechen der 25-jährige Multimediaproduzent und die 34-jährige sozialpädagogische Mitarbeiterin im Interview über Verzicht und Bereicherung. Wie haben Sie zu dieser Lebensform gefunden?Fiona Tobler: Ich wollte nach meinem Studium in Luzern wieder ins Rheintal kommen und habe von meinem Bruder vom Projekt der Zwischennutzung gehört. Erst wollte ich einfach im Gartenhäuschen wohnen, habe dann aber ein Café in einem Container eröffnet und obendrin gewohnt. Mittlerweile wohnen Lukas und ich in unserem eigenen Container.Lukas Alpiger: Ich habe meinen Eltern als Kind immer vorgeschwärmt, in einem Container wohnen zu wollen. Schliesslich sei das viel einfacher als ein Haus zu bauen. Ich wurde von mehreren Seiten dazu angespornt, beim Projekt Zwischennutzung mitzumachen und ich entschied mich dazu, es einfach zu versuchen. Wie kam das Ganze ins Rollen?Lukas Alpiger: Im ersten Sommer waren wir und Glenn die einzigen Bewohner. Diese Zeit war für mich «hardcore-camping». Ich wohnte in einem rohen Container mit Fenstern. Im Vergleich zu jetzt war wenig los. Dann kamen immer mehr Leute. Fiona Tobler: Es wurden ein Minihotel und ein Gartencafé ins Leben gerufen, der Garten wurde ausgebaut und ein Treibhaus errichtet. Mittlerweile wohnen 14 Personen hier; die jüngste ist 25, die älteste über 50. Was sind die Vorteile am Leben in der Zwischennutzung?Lukas Alpiger: Aufgebaut ist das Leben wie in einer WG, wir haben aber mehr Freiraum. Wir brauchen weder Küche noch Bad zu teilen. Trotzdem leben wir in einer Gemeinschaft und können zusammen sehr viel erreichen. Wenn jemand eine Idee hat und sie jemand anderem gefällt, kann sie sofort umgesetzt werden. Wir haben zum Beispiel eine Schreinerei und einen Velomech vor Ort. Fiona Tobler: Wir nutzen das Potenzial von allen und ergänzen uns gegenseitig. Du kannst allein sein, wenn du willst, oder du gehst nach draussen und startest ein Ping-Pong-Turnier. Jemand ist immer da. Mussten Sie materielle Dinge zurücklassen? Fiona Tobler: Eigentlich nicht, inzwischen habe ich fast alles hergeholt. Für mich fühlt es sich nicht nach Verzicht an. Dann würde ich es nicht machen. Es ist eine Bereicherung. Sachen zu teilen ist ein grosser Vorteil – und ich bin auch viel mehr draussen unterwegs. Lukas Alpiger: Wir sind keine klassischen Minimalisten. Es passt halt rein, was reinpasst. Als ich im Tiny House angekommen bin, habe ich über den Sommer nur eine Tasche mitgenommen und den Rest bei meinem Vater eingelagert. Zu meiner Überraschung habe ich aber gar nicht viel vermisst, und der grösste Teil ist immer noch bei meinem Vater. Sehen Sie Nachteile? Lukas Alpiger: Ehrlich gesagt, nein. Fiona Tobler: Momentan passt es einfach. Ich finde eher, was wir machen ist grossartig, und ich bin unglaublich dankbar, dass es überhaupt möglich ist. Klar gibt es Momente, in denen ich genervt bin. Zum Beispiel beim Waschen im Winter. Die Sachen trocknen einfach schlecht im unbeheizten Magazingebäude. Was halten Freunde und Familie von Ihrem Wohnstil? Lukas Alpiger: Wenn ich sage: «Ich wohne in einem Container», finden es alle komisch, und wenn ich sage: «Ich wohne in einem Tiny House», finden es alle fantastisch. Meine Freunde meinen immer: «Luki halt.» Dass wir eine Toilette und eine Dusche haben, ist für viele ein wichtiger Punkt. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus ? Lukas Alpiger: Die Zwischennutzung gibt es sicher noch zweieinhalb Jahre. Stand jetzt könnten wir uns vorstellen, noch lange so zu wohnen. Wir haben viele Alternativen besprochen. Wenn ein Grossteil der Bewohnenden weitermachen will, finden wir vielleicht einen neuen Ort und schaffen das ein zweites Mal. Fiona Tobler: Es wäre grossartig, wenn es Ableger geben würde. Immer mehr Menschen wollen auf diese Weise wohnen, aber einen Ort dafür zu finden ist ziemlich schwierig. Die beschränkte Zeit erschwert das Leben leider. Für die Zukunft hätten wir viele Ideen, das Gelände noch mehr zu beleben. Es wäre schön, wenn wir hier Kurse, einen Mittagstisch oder auch Konzerte anbieten könnten. Momentan erlaubt uns dies unsere Kapazität allerdings nicht.

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