13.04.2022

Verkehrsrowdy vor Gericht: «Es war alles ganz anders»

Vier Zeugen haben unabhängig voneinander einen 52-Jährigen als Verkehrsrowdy beschrieben. Dieser behauptete, ganz und gar unschuldig zu sein. Das Gericht verurteilte ihn. Da entfuhr ihm ein «Heilandzack».

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Es geht um zwei Vorfälle. Der erste: Zu nahes Auffahren und aggressives Verhalten auf der Unterdorfstrasse zwischen Kriessern und der alten Rheinbrücke bei Diepoldsau. Der zweite: Rechts überholen auf der Autobahn. Am Dienstag sagte der Beschuldigte in Altstätten dem Richter, weil er falsch bezichtigt werde, habe er die sieben Jahre seit dem ersten Vorfall als Martyrium erlebt.Vorwurf 1: Auf der Unterdorfstrasse fuhr der beschuldigte Oberrieter so nahe an den Renault vor ihm, dass dessen Lenker die Kontrollschilder des auffahrenden Autos nicht mehr erkennen konnte. Derart genötigt, fuhr der Renault-Fahrer etwas schneller als die erlaubten 80 Stundenkilometer. Nachdem der Oberrieter ihn überholt hatte und auf die rechte Fahrbahn zurückgeschwenkt war, legte er einen sogenannten Schikanestopp ein; er bremste grundlos. Der Renault-Fahrer war gezwungen, ebenfalls stark zu bremsen, um eine Auffahrkollision zu vermeiden.[caption_left: Tatort Rheinbrücke: Hier ging der Verurteilte zum Fahrer hinter ihm und drohte ihm, was er jedoch bestreitet. (Bild: Gert Bruderer)]Bei der Vollbremsung durch den Beschuldigten entstanden eine Qualmwolke und eine Bremsspur. Vor der alten Rheinbrücke hielt der Oberrieter wegen Gegenverkehrs. Er stieg aus, ging zum überholten Renault-Fahrer und versetzte ihn in einem Streitgespräch in Angst und Schrecken, indem er sagte: «Heb d’Schnora, sust schlo dr eis.»Gegendarstellung 1: «Eigentlich hätte ich ihn anzeigen müssen», sagte der Beschuldigte über den Renault-Fahrer. Jener sei ihm mit seiner Anzeige zuvorgekommen.Das Ganze habe sich so zugetragen: Nach einer Baustelle in Kriessern habe der Renault-Fahrer «Gas gegeben wie ein Trottel, er hängte mich ab». Dann habe der vordere Fahrer das Tempo auf 30 oder 40 gedrosselt und auf ihn gewartet. Der Oberrieter erklärte, er habe gedacht: «Reg dich nicht auf, überhol ihn einfach», doch der Renault-Fahrer habe wieder Gas gegeben. Als dieser ihn wegen eines entgegenkommenden Autos schliesslich doch habe vorbeiziehen und wieder nach rechts einbiegen lassen, habe er keine Vollbremsung gemacht, sondern nur das leicht zu hohe Tempo etwas zurückgenommen.Vor der Brücke schliesslich habe er dem Renault-Fahrer, schockiert von dessen Manöver, bloss gesagt, falls er «das nochmals mache», zeige er ihn an. Eine Autofahrerin von weiter hinten habe noch etwas Unverständliches «vörebäägget», doch er habe keine Konfrontation gesucht.(Die Frau sagte später aus, der Beschuldigte habe den Sicherheitsabstand auf der Unterdorfstrasse bei weitem nicht eingehalten. Das habe sie, weil zu weit hinten, gar nicht sehen können, findet der Beschuldigte.)Vorwurf 2: Der Oberrieter habe fast genau zwei Jahre nach dem ersten Vorfall auf der Autobahn rechts überholt und sei auf zirka einen Meter aufgefahren. Zwei Zeugen, die je mit einem Auto unterwegs waren, sagten unabhängig voneinander dasselbe aus.Gegendarstellung 2: (Kurzversion) «Das stimmt einfach nicht.» Die beiden Zeugen hätten die linke Spur blockiert und ihn einfach nicht überholen lassen, behauptete der Oberrieter. Einer der beiden habe ihn sogar leicht ausgebremst. Er selbst sei «von den beiden Herren ganz klar genötigt» worden.Freispruch verlangt. Der Verteidiger des Oberrieters verlangte einen Freispruch in allen Punkten. Das heisst: Keine mehrfache grobe Verkehrsregelverletzung, keine Nötigung, keine Drohung. Das angebliche Fehlverhalten seines Mandanten sei nicht nachgewiesen und das von den Zeugen Ausgesagte zumindest zum Teil unglaubhaft, lautete die Begründung im Kern.Das Urteil: Schuldig. Die Geldstrafe von 2700 Franken wurde bedingt ausgesprochen, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die Busse von 900 Franken muss der Oberrieter bezahlen. Ausserdem wurden ihm die Verfahrenskosten von 3804 Franken aufgebürdet. Ginge es nach der Staatsanwaltschaft, wäre es für den Beschuldigten deutlich teurer geworden. Das Gericht anerkannte, dass die Vorfälle schon fünf bzw. sieben Jahre zurückliegen und der Angeklagte sich seither nichts zuschulden kommen liess.Die Urteilsbegründung: Der Richter sagte, der Angeklagte habe völlig widersprüchlich ausgesagt, was alles unglaubhaft erscheinen lasse. Demgegenüber hätten die vier Zeugen den Sachverhalt stimmig beschrieben; sie seien bei ihrer Aussage geblieben. Ein Motiv, weshalb sie den (ihnen unbekannten) Oberrieter falsch beschuldigen sollten, sei nicht ersichtlich.Anders als vor dem Richter hatte der Beschuldigte bei der Polizei die Frage nach Gegenverkehr ausdrücklich verneint. Auch habe der Mann bei der Polizei das angebliche Fehlverhalten des Renault-Fahrers nicht zu Protokoll gegeben, wunderte sich der Richter. Ebenso wenig habe er bei der Polizei den Defekt des Zylinderkopfs erwähnt, der (statt einer Vollbremsung) den Qualm verursacht haben soll. «Doch», habe er, entgegnete der Mann. Es fehlt jedoch wie anderes im Protokoll, das der Beschuldigte nach der Befragung eigenhändig unterschrieb.

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