06.12.2019

«Verkehrspolitische Steinzeit»

Acht Gemeinden kämpfen gegen den «absurden Maut-Entscheid».

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Die Medienorientierung war längst angekündigt, als am Donnerstag die Nachricht eintraf, der österreichische Bundesrat habe die Aufhebung der Vignettenpflicht auf einigen österreichischen Autobahn-Teilstücken genehmigt. Der gemeinsame Kampf verschiedener Vorarlberger und Schweizer Gemeinden war also bisher erfolglos.Mit Blick nach vorn und in der Absicht, weiter Widerstand zu leisten, war «Jetzt erst recht» das erste, was der Diepoldsauer Gemeindepräsident Roland Wälter am Freitagmittag sagte. Drei Bürgermeister und ausser Wälter noch der Oberrieter Gemeindepräsident Rolf Huber hatten sich für die Bekundung ihrer Opposition versammelt, direkt nach dem Grenzübergang Diepoldsau-Hohenems.Gemeinden gehen rechtlich gegen den Entscheid vorDie Gemeinden reichen eine Klage ein. Mit Karl Schelling aus Dornbirn haben die betroffenen Gemeinden einen «ausgewiesenen Experten für öffentliches Recht» verpflichtet. Schelling sagt, die Maut-Befreiung sei in diesem Fall verfassungswidrig.Im Rheintal begünstige die Vignettenpflichtbefreiung einzelne Orte zu Lasten anderer. Ohne Vignettenpflicht werde der Verkehr aus Deutschland Richtung Schweiz in Zukunft (mangels durchgehender Autobahn in die Schweiz) vermehrt ab der Autobahnausfahrt bei Dornbirn oder Hohenems durch Wohngebiet rollen und ohnehin sehr stark belastete Gebiete zusätzlich belasten. Den Verkehr mutwillig auf jetzt schon überlastete Kreisel umzuleiten sei willkürlich und sachlich nicht gerechtfertigt.EU-Recht (und somit auch österreichisches Recht) sehe vor, dass Gebiete mit zu hoher Immissionsbelastung zu entlasten seien, erklärte Karl Schelling. Die von Wien beschlossene Maut-Befreiung habe aber zur Folge, dass der Verkehr von Bregenz in die schon jetzt stärker mit Immissionen belasteten Ortschaften Hohenems und Lustenau geleitet werde – in Gebiete, für die längst Entlastungsmassnahmen gefordert seien.Alle ihm bekannten Verkehrspolitiker schüttelten über die Maut-Befreiung ab 15. Dezember bloss den Kopf, sagte Dieter Egger. Der Bürgermeister von Hohenems fügte hinzu, sogar aus dem künftig entlasteten Bregenz heisse es, die Maut-Befreiung sei eine Schnapsidee. Egger versicherte: «Wir werden nicht klein beigeben, sondern solange kämpfen, bis der Entscheid rückgängig gemacht ist.»Natürlich bliesen alle sechs Gemeindevertreter, zu deren Verlautbarung 16 Medienvertreter gekommen waren, ins gleiche Horn.Rolf Huber: «Vielleicht war Bundesrat benebelt»Der Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer bekräftigte den zu erwartenden Durchhaltewillen: «Wer glaubt, wir würden uns jetzt mit einer Hauruck-Aktion echauffieren und uns dann beruhigen, der wird sich über unser gemeinsames Auftreten noch wundern.»Das verkehrspolitisch «dumme Signal» aus Wien, der Rückfall in eine «verkehrspoliti-sche Steinzeit», werde ganz bestimmt nicht hingenommen. Es würden alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft, damit die österreichische Bundespolitik wieder zur Vernunft gelange. Der Oberrieter Gemeindepräsident Rolf Huber verwies wie Fischer und Egger auf die in den letzten Jahren vorbildliche Zusammenarbeit der Gemeinden dies- und jenseits des Rheins im Rahmen des Agglomerationsprogramms. Der Entscheid aus Wien wird auch deshalb als Affront empfunden, weil er die im Rheintal sorgsam aufgebaute grenzüberschreitende Planungskultur torpediere.Vielleicht, meinte Huber, habe ja in Wien am Donnerstag ein ähnliches Wetter geherrscht wie am Freitag in Hohenems – und der österreichische Bundesrat sei bei seiner «Nacht- und Nebelaktion benebelt gewesen».Dieter Egger sagte, allein in diesem Jahr hätten sich auf der Autobahnrampe beim Grenzübergang Hohenems sieben Verkehrsunfälle ereignet. Über kurz oder lang werde wohl auch die Haftungsfrage gestellt und werde sich der Strassenhalter Fahrlässigkeit vorwerfen lassen müssen.Dass über die befürchteten schlimmen Auswirkungen der Maut-Befreiung kein Zweifel bestehe, begründeten die Gemeindevertreter mit den mehrfach durchgeführten Untersuchungen und Erhebungen im betroffenen Raum. Die Verkehrsströme kenne man sehr genau. Dass also die Bundesregierung kühn festhalte, die Auswirkungen der Maut-Befreiung würden bis im Februar 2021 untersucht, vergleicht Kurt Fischer mit einem Schlag in die Magengegend und der Feststellung: Mal sehen, was er für Auswirkungen hat.

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