21.12.2020

Verhaltene Feierlaune im Wald

«Oh du fröhliche» zwischen Buchen und Tannen: Was Förster, Kirche und Familien von Waldweihnachten halten.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard Bickel Holz knackt, die Flammen lodern und am Stecken bräunt sich eine Wurst. Sich im Wald an einer Feuerstelle auf Weihnachten einzustimmen, verströmt den Reiz des Einfachen, Urspünglichen und ist für Familie Stieger aus Oberriet ein unersetzliches Ritual geworden. Nicht erst seit Corona und der Empfehlung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), im Wald und mit Abstand zu feiern. Früher verkürzte der Spaziergang auf den Semmelenberg das Warten auf Heiligabend. Mittlerweile sind die Kinder zu jungen Erwachsenen herangewachsen, erachten es aber immer noch als Selbstverständlichkeit, die Stunden vor der Bescherung im Wald zu verbringen. Auch dieses Jahr, obschon die Weisungen des BAG auch das Feiern im Freien einschränken.Kirchen und Vereine verzichtenEine begrenzte Teilnehmerzahl hindert viele Pfarreien und Vereine daran, die traditionelle Waldweihnacht durchzuführen. Die Pfadi St. Michael Altstätten strich den Anlass aus der Agenda, ebenso die Seelsorgeeinheit Altstätten. «Der Charme der Waldweihnacht bei der Marbacher Forsthütte geht verloren, wenn die Besucher nicht im Feuerschein bei einem wärmenden Getränk ins Gespräch kommen dürfen», sagt Lordana Frei, Sekretärin der organisierenden Pfarrei Rebstein. Die Widerstände seien zu zahlreich, der Aufwand, um Schutzkonzepte einzuhalten, zu gross, ständig ändernde Bestimmungen verunsichern. Auch die Waldweihnacht der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Berneck-Au-Heerbrugg fällt aus. Ob sich die Menschen nun vermehrt privat zu einer Feier im Wald treffen werden, sei schwierig einzuschätzen, sagt der Oberrieter Revierförster Robert Kobler. Das sei vor allem vom Wetter abhängig. Er weist darauf hin, bestehende Feuerstellen zu nutzen. Um Weihnachtszauber zu verbreiten, kam es schon vor, dass Tännchen mit Kerzen geschmückt wurden. Hauptsache, es werde nichts beschädigt und kein Abfall liegen gelassen, sagt der Förster. Auch sei zu beachten, auf den Wegen zu bleiben und die Winterruhe des Wildes nicht zu stören. Anfragen erwünscht bei WaldspielgruppenGenutzt werden auch die Plätze der Waldspielgruppen. «Wir merken es, wenn jemand vor Ort war», sagt Heinrika Gächter, Waldspielgruppenleiterin Oberriet. «Aufgrund von Abfall – leider. Oder wenn Stecken zum Bräteln fehlen.» Während des Lockdowns im Frühling musste sie regelmässig aufräumen. Sie wünscht sich, Interessierte würden anfragen, wenn sie den Platz benutzen möchten, der sich im Besitz der Ortsgemeinde befindet. Es gebe Familien, die seit Jahren Weihnachten im Wald feiern. Diese Zielgruppe bereite keine Probleme und sei sich bewusst, dass der Platz den Kindern der Spielgruppe zur Verfügung stehe.Die Vorstellung, sich in der Natur aufzuhalten, halte er grundsätzlich für vernünftiger, als in einer Stube voller Menschen zu sitzen, sagt Jürg Hengartner, Ortsverwaltungsratspräsident Rebstein. Der Wald, der früher zum Holzen genutzt wurde, diene heute immer mehr der Erholung und Freizeitaktivitäten. Die Ortsgemeinde unterhält zwei Feuerstellen: Waldruhe und Hinterhard. Sollten sich dort mehrere Familien gleichzeitig einfinden, müssten die aktuellen Weisungen eigenverantwortlich eingehalten werden. Hengartner erinnert zudem an das Fahrverbot im Wald. Ein Spaziergang passe sowieso besser in die besinnliche Zeit. Im Riet wird es ruhig bleibenWäre nebst dem Wald auch das Riet ein Ort, um im Freien Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen? Kaum, vermutet Ignaz Hugentobler, Präsident Verein Pro Riet. Es herrschten andere Bedingungen als im Wald, es sei windiger und kühler. Anders als im Frühling, als die Menschen in Scharen ins Riet strömten, gebe es derzeit keine Auffälligkeiten im Verhalten der Besucher. Dadurch habe sich das Litteringproblem entschärft, sagt Ignaz Hugentobler. Bei einer Rietbegehung erlebe man derzeit ruhige, reizvolle Stimmungen. Im Naturschutzgebiet Spitzmäder in Oberriet hält sich aktuell mit dem Raubwürger ein seltener Wintergast auf, der beobachtet werden kann. Wer in diesem aussergewöhnlichen Jahr auf den Geschmack kommen sollte und die Natur als Schauplatz für ein weihnachtliches Erlebnis entdeckt, dem ergeht es danach möglicherweise wie Familie Stieger: «Wenn wir nicht im Wald waren, fehlt ein Stück Weihnachten.»

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