14.05.2019

Us mim Easchklassläasibüachli

Die heute beginnende Mundartserie, die in loser Folge publiziert wird, setzt sich mit dem Sprachwandel auseinander, als Beispiel dient die Oberrieter Mundart.

Von Christoph Mattle
aktualisiert am 03.11.2022
Christoph MattleVor einigen Jahren habe ich eine regelmässige Kolumne in dieser Zeitung publiziert. Sie hiess «Hoaklig» und beschäftigte sich mit der Entwicklung der Mundart. Seit vielen Jahren beobachte ich die aktuelle Entwicklung der Mund- art, im Speziellen der Mundart von Oberriet. Ich weiss, dass jede Sprache einem Wandel unterliegt. Ich bin ab und zu freilich recht kritisch oder hoaklig, vor allem dann, wenn in unserer Mundart unbedacht andere Sprachen oder Dialekte nachgeäfft werden.Der Sprachwandel im RheintalIn der heute beginnenden Serie gehe ich auf den Sprachwandel ein. Im Mittelpunkt steht die Mundart von Oberriet, wo ich aufgewachsen bin. Die dort gesprochene Mundart ist sehr nah verwandt mit jener von Montlingen, Kriessern, Rebstein, Marbach, Widnau, Balgach und Berneck. Die Mundart von Diepoldsau ist ein interessanter Sonderfall, auf den ich im Laufe der Serie eingehen werde.Der Blattenberg war oder ist eine Sprachgrenze, weshalb die Mundart von Rüthi wiederum eine andere ist. Dasselbe gilt für Altstätten, wo man ganz anders spricht als in den Dörfern dem Rhein entlang. Schliesslich ist festzustellen, dass sich die Mundart im Unterrheintal schneller der schweizerischen Standardmundart anpasste als jene im Oberriet. Das zeigt sich darin, dass beispielsweise in Heerbrugg/Au das frühere «oas, zwoa» praktisch dem «eis und zwei» Platz gemacht hat. Dasselbe gilt für Altstätten, wo das «aas und zwaa» bei jungen Leuten kaum noch zu hören ist. Junge Leute schreiben ihre digitalen Nachrichten gern in Mundart. Oft sagen sie dann, das sei praktisch, weil man sich nicht an Rechtschreiberegeln halten müsse. Jeder rede so, wie ihm der Schnabel gewachsen sei und jeder schreibe halt so, wie er es für richtig halte. Das ist nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit gibt es Rechtschreibe-regeln, auch für die Mundarten der Schweiz. Allerdings ist es schwierig, diese für jede Mundart anzuwenden. Wie schreibt man auf Oberrieterisch «heimkommen», also hoakoa? Das nasal auszusprechende «oa» ist orthografisch und typografisch nicht umsetzbar.«Im Oberied» stammt aus ursprünglicher SprechweiseDie Schreibweise von Oberriet ist erklärungsbedürftig. Man sagt korrekt: «Ich bea im Oberied dahoom.» Oder: «I kumm usam Oberied.» Diese Sprechweise stammt vom ursprünglichen Namen des Dorfes, das Im Oberen Ried hiess.Ich werde in dieser Serie die Schreibweise Oberied oder Oberiednerisch verwenden, obwohl man ebenso Obariad und Obariadnarisch schreiben könnte. Analog stellt sich die Frage, wie man zum Beispiel Mutter auf Oberiednerisch schreiben soll. Heisst es Moettr oder Moattar oder Moatter? Ich habe mich für Moattar entschieden.Lauter Experten, denn der Dialekt variiertDie Mundart eines jeden Dorfes unterscheidet sich von der Mundart, wie sie in anderen Dörfern gesprochen wird. Dasselbe gilt für Familien, denn man spricht ja in der Regel so, wie die Mutter gesprochen hat. Deshalb heisst es Muttersprache. Wie man die Mundart eines bestimmten Dorfes richtig spricht oder richtig schreibt, ist also höchst individuell. Das kann von Familie zu Familie unterschiedlich sein. Das bedeutet, dass jeder ein Experte oder jede eine Expertin in der selbst gesprochenen Mundart ist.Den Sprachwandel zeige ich anhand von Bildern aus dem Lesebüchlein auf, das ich in meiner Primarschulzeit im Oberied benützen durfte. Wie das erste Bild zeigt, war die Welt damals noch in Ordnung. Wie schön! Büabli und Möatali lesen zusammen. Sie hockid im Grääs im Gaata. S Kätzli, da Teddybär, s Pöppli und sogäär s Vögali ufam Bomm hond Fröüd. Da Buab und s Moatli hond a Schoass aa. Das war damals so Brauch. Anhand der Bilder us mim Easchklassläasibüachli werde ich in der heute beginnenden Reihe die Entwicklung der Gesellschaft und der Mundart erläutern.

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