Rheintal / Appenzellerland. 40 Mann, die im langsamen Gleichschritt mit schwingenden Schellen daherkommen – die überhört man nicht so leicht. Etwa am Altstätter Fasnachtsonntagsumzug, wo der Schellnerclub Bergfründä jedes Jahr als eine der vordersten Gruppen teilnimmt. Die Treue zu diesem Anlass kommt nicht zuletzt daher, dass ein Altstätter einer von zwei Initianten des Vereins war: Albert Steger.Der Bauer von der Unterlitten, an der Strasse nach Hinterforst, war mit Hansueli Widmer aus dem ausserrhodischen Wald an einem Fest in der Innerschweiz, wo eine Trychlergruppe auftrat. Es war zwar nicht das erste Mal, dass die beiden Trychler zu sehen bekommen haben – jene Gruppe muss sie aber besonders beeindruckt haben. Jedenfalls sinnierten sie während der Heimfahrt darüber nach, ob sie nicht selbst eine solche Gruppe gründen wollen und wer wohl zum Mitmachen in Frage käme. 1993 hatten die beiden dann rund ein Dutzend Gleichgesinnte beisammen, die mit ihnen den Verein gründeten.Wie in jedem Verein gab es auch bei den Bergfründä im Verlauf der Jahre Fluktuationen. Mit acht Eintritten innert einem Jahr und aktuell um die 40 aktiven Mitgliedern aus dem Rheintal und aus dem Appenzellerland erlebt der Schellnerclub aber gerade eine Hochblüte. Wer mitmachen möchte, muss nicht erst mit einer Spitzenkuh an einer Viehschau eine Schelle gewinnen. Die meisten der Bergfründä sind zwar tatsächlich Bauern. Etwa ein Drittel der Scheller geht aber einem andern Broterwerb nach. Einer ist Briefträger, ein anderer Hauswart, wieder ein anderer Elektriker ... Die 30 Kilo auf den Schultern können zur Last werdenNicht aufgenommen werden hingegen Frauen. Nicht weil man zum Schellentragen besonders stark sein müsste. Jeder Bergfründ trägt zwar nicht nur eine, sondern zwei Schellen mit sich. Aber nicht am Arm, sondern an einem Joch. Dennoch können die gut und gern 30 Kilo auf den Schultern bei längeren Auftritten zur Last werden. Der Grund für den Entscheid, eine reine Männergesellschaft zu bleiben, ist viel simpler. «Wir haben nichts gegen Frauen», beeilt sich Albert Steger klarzustellen, «aber hier wollen wir für einmal unter uns bleiben.» Und den Frauen – die meisten Scheller sind verheiratet – sei dies recht. Der Kauf von zwei Schellen kann ins Geld gehen. In der Schweiz handgeschmiedet und mit einem vom Sattler verzierten Riemen kostet eine leicht einmal 1400 bis 2000 Franken. Manche leihen sich deswegen für die Proben und Auftritte ein Schellenpaar von jemandem, der mehrere davon daheim zur Zierde seiner Stube an einem Schellenbalken hängen hat – oder sie tatsächlich gebraucht und beispielsweise bei der Alpfahrt oder bei der Auffuhr zur Viehschau den Leitkühen umschnallt.Anders als ein Musiker übt kaum ein Scheller für sich allein. Das würde auch nicht viel bringen. Die Scheller müssen ja keine Tonfolgen lernen, wie jemand der ein Instrument in einem Orchester spielt. Die Schellen müssen nicht einmal aufeinander abgestimmt sein wie bei einem Senntumsgschell. Was hingegen stimmen muss und geübt werden muss, ist der Gleichschritt mit den Kollegen und damit der Gleichschlag der Schellen. Und die Figurenfolgen, die die Gruppe bei grösseren Auftritten zeigt – ähnlich den so genannten Evolutionen eines Blasmusikvereins während eines Marschmusikwettbewerbs. Die Gruppe ist gefragt und hat um die 20 Auftritte im Jahr: an Hochzeiten, Geburtstagsfeiern oder Firmenanlässen zum Beispiel, wobei der Verein dann selten komplett auftritt. Ausserdem nehmen die Bergfründä an Ländlertreffen und Brauchtumsfesten teil. Wäre Corona nicht gewesen, wären sie dieses Jahr ans mittlerweile verschobene Eidgenössische Scheller- und Trychlertreffen gefahren.Bei solchen Auftritten möchten die Scheller natürlich eine gute Figur machen. «Wenn einer aus dem Gleichschritt fällt, fällt das sofort auf», sagt Albert Steger. Deshalb trifft sich der Schellenklub jeden ersten Montagabend im Monat zum gemeinsamen Üben. Abwechselnd auf dem St. Anton und in Gais. Im Freien. Bei nahezu jedem Wetter.Auch die Kameradschaft ist den Schellnern wichtigWährend der Probe, an der die Foto- und Videoaufnahmen für diesen Sommerserie-Beitrag entstanden ist, regnete es Bindfäden. «Ein Scheller ist nicht aus Zucker», sagt Bergfründä-Präsdent Daniel Koller aus Appenzell. Die Probe dauert bei solchem Wetter allerdings nicht besonders lange. Bereits nach einer Viertelstunde ging’s an jenem Abend ab in die Beiz.
Genauso wichtig wie das bäuerliche Brauchtum ist allen Schellern nämlich die Pflege der Kameradschaft.Ein WinterbrauchDas Schellen, Trycheln und Geisslechlepfe geht auf alte heidnische Fasnachts- und Silvesterbräuche zurück, mit denen man glaubte, die bösen Geister in der dunklen Jahreszeit mit Lärm vertreiben zu können. Reste dieses Brauchtums gibt es auch noch im Rheintal, in jenen Dörfern, in denen Kinder und Jugendliche am frühen Morgen des Chlaustags oder an Silvester mit Schellen durchs Dorf ziehen. Daneben werden die Schellen und Treicheln für Kühe und Alpaufzüge verwendet. Prächtige Schellen und Treicheln waren schon immer der Stolz jedes Viehbesitzers. (wikipedia.org/mt)