20.07.2020

Urchigs Rhintl: Nach getaner Arbeit wird es urchig

Die Ländlerkapelle Firobet-Örgeler gibt es dank zweier Mädchen, zweier Pensionäre und einer Guggenmusik.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Was macht jemand, für den es während der Fasnacht nichts Schöneres gibt, als in einer Guggenmusik die musikalische Sau rauszulassen, eigentlich den ganzen Rest des Jahres? Er spielt Schwyzerörgeli! Das dürfte freilich kaum die Regel sein, tatsächlich spielen aber gleich mehrere eingefleischte Gugger der Lüchinger Lavaria in der Kapelle Fir­obet-Örgeler urchige Ländlermusik.Aus Freude am bodenständigen LebenGegründet wurde die Formation allerdings im Umfeld der Musikschule Oberrheintal. Dort nahm Lea Hangartner aus Lüchingen, damals sieben oder acht Jah­re alt, Schwyzerörgeli-Stunden. Das dürfte jetzt etwa 13 Jahre her sein. Ihrem Vater, Marcel Hangartner, gefiel das. Er ist bodenständig aufgewachsen, in den Schulferien ging er z’Alp, seit seiner Jugendzeit ist er Schwinger, als Hobby züchtet er Ziegen. Lea muss schon bald recht gut gespielt haben. Jedenfalls versuchte ihr Vater, es ihr nachzutun. Ob es die Begeisterung in seinen Augen war oder ob es am einen oder anderen schrägen Ton lag, sei hier dahingestellt – jedenfalls schenkte seine Frau auch ihm zehn Lektionen bei Leas Örgelilehrerin an der Musikschule.Marcel Hangartner ist des Lobes voll für den Unterricht an der Musikschule. Er sei darauf ausgelegt, dass man schon bald die ersten Stücklein lerne und sie nur wenig später mit anderen zusammen spielen könne. Schon ein Jahr danach sei er zusammen mit anderen Örgelischülern aufgetreten, erzählt Hangartner. Drei dieser Musikschüler, Werner Haltiner aus Hinterforst, Armin Fritz aus Heerbrugg und eben Marcel Hangartner aus Lüchingen, taten sich an jenem Abend zusammen, um einmal die Woche miteinander zu proben.Man ist nie zu alt, damit anzufangenSowohl Werner Haltiner als auch Armin Fritz waren schon im Pensionsalter, als sie in die Musikschule eintraten. Nur Ruhe tue im Ruhestand nicht gut, ist Armin Fritz überzeugt. Man müsse etwas tun, um nicht zu verrosten. Ein Instrument spielen lernen trainiere Konzentration und Koordination. Lea Hangartner und ihre ein Jahr ältere Schwester Gloria, die inzwischen auch zu örgelen begonnen hatte, gesellten sich an den Proben der Herren oft dazu. Und schon bald kam es zu ersten öffentlichen Auftritten: an Geburtstagsfeiern zum Beispiel oder in den Altersheimen in der Region.Da sah sich die Kapelle fast genötigt, einen Namen für sich zu finden: «Das Publikum wollte immer wissen, wie wir uns nennen», erinnert sich Marcel Hangartner. Weil man sich jeweils abends zu den Proben traf und danach gerne noch bei einem Bierchen beisammensass, kam man auf die «Firobet-Örgeler».Die beiden ältesten Örgeler haben sich vor ein paar Jahren zurückgezogen. «Es hat Freude gemacht», meint der mittlerweile 80-jährige Armin Fritz, «aber mit den Jungen kann man auf Dauer nicht mithalten.»Bei der Verjüngung der Ländlerkapelle kommt nun eben das Lüchinger Dorfleben ins Spiel. Stefan Eugster, Beni Buschor, Christoph Schmid (er wollte seinem Grossvater ein Stückli zum Geburtstag spielen) und Stefan Hildebrand waren –oder sind es immer noch – wie Marcel Hangartner in der Lavaria. Sie wollten wissen, wo man das Örgelen lernen könne und begannen, Stunden zu nehmen: bei Priska Seitz, Josy Peterer, Patrick Kessler oder Markus Nauer. Beni Buschor – in der Guggenmusik schleppt er das Sousafon herum – zog es auch in der Ländlermusik zum Bass.Die Musik mit dem unendlichen RepertoireMittlerweile verfügt die Kapelle über ein Repertoire von vielleicht 30 Stücken. Zuweilen scheint es umfangreicher. Dann nämlich, wenn es wie im Anschluss an die Lüchinger Turnerunterhaltung so gemütlich wird, dass es kaum jemandem auffällt, wenn die Firobet-Örgeler von vorne beginnen. So urchig ist das RheintalUrchig: «urwüchsig, echt», auch «originell» (mhd.urich); urtümlich (im 18. Jh. rückgebildet aus «Urtümlichkeit», einer Lehnbildung nach «Originalität» (Duden,Herkunftswörterbuch) … Nach den positiven Rückmeldungen auf unsere letztjährige Sommerserie «Urchigs Rhintl» fügen wir ihr noch einige Folgen an. Wir zeigen darin, wie im Rheintal das urchige Brauchtum in unserer modernen Gesellschaft bewahrt und gepflegt wird, wie die Porträtierten zum traditionellen Brauchtum gefunden haben, was es ihnen bedeutet und welche Zukunft sie dafür sehen.

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