«S’Grittli sött go melchä, es isch ere aber nöd drum – si schtellt de Chübel uf d’Siite und plauderet mit em Chnecht …» Das Lied des Kinderjodelchörlis Rheintal beschreibt das bäuerliche Leben von einst. Heute wird zwar nur noch selten eine Kuh von Hand gemolken. Die Landwirtschaftsbetriebe werden weniger, dafür grösser. Die Arbeit der Bauern ist mechanisierter und effizienter geworden. Womöglich hat sie dadurch auch etwas von ihrer Seele verloren.In den Liedern des Kinderjodelchörlis lebt sie aber weiter. Die Lieder haben daher etwas Romantisches an sich. Und sie sind lustig. Das Lied von oben etwa geht so weiter: Während die Magd mit dem Knecht plaudert, steht eine Kuh in den Milchkessel. Das mag zwar für den Bauern – und erst recht für die Magd – ärgerlich sein. Stellt man sich die Szene aber vor, kann man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen.Die Kinder kommen aber nicht nur ins Kinderjodelchörli, weil die Lieder unbeschwert und fröhlich sind. Es ist das Jodeln, das es ihnen angetan hat. Nicht wenige haben irgendwo das Chörli auftreten sehen – oder die Steger-Schwestern von Hinterforst, die mit dem Kinderjodelchörli gross geworden sind und jetzt auch als Trio auftreten. «Die Jodellieder berühren Kinder dermassen, dass sie auch so singen können möchten», sagt Sissi Riegg, die das Kinderjodelchörli Rheintal gegründet hat und nach wie vor leitet.Im Rheintal singen die Kinder noch gerneEine Rolle spielen dürfte auch, dass Kinder ohnehin gerne singen und offenbar besonders im oberen Rheintal. In der Spielgruppe, die sie in Oberriet gegründet hatte, stellte Sissi Riegg fest, dass die Kinder oft einfach von sich aus gesungen haben. Damals führte sie in Kursen Erwachsene ins Jodelliedersingen ein. Deren Kinder hätten es auch gerne gelernt. Kurse für Kinder gab es aber nicht. Da es offenbar ein Bedürfnis gab, lud Sissi Riegg über einen Aufruf in unserer Zeitung zu einer Schnupperprobe ein. Die Resonanz war überwältigend: Es kamen auf Anhieb 48 Kinder aus dem ganzen Rheintal. Die Räume der Spielgruppe wären von Anfang an zu klein gewesen. Sissi Riegg durfte mit den Kindern ins Musikzentrum des Oberrieter Musikvereins Harmonie ausweichen, wo das Chörli heute noch probt; ausser während der Ferien jeden Dienstag am frühen Abend.Hinzu kommen ein, höchstens zwei Auftritte pro Monat. Das Chörli ist gefragt. «Wir könnten fast jedes Wochenende auftreten», sagt Sissi Riegg. Doch das würde den Kindern zu viel, ist sie überzeugt. Den Entscheid, welche Engagements angenommen und welche abgesagt werden, trifft die Chorleiterin nicht alleine; die Eltern der Kinder entscheiden mit.Anders als in den Proben tritt das Chörli bei seinen Auftritten in Tracht auf. Die Mädchen in der St. Galler Werktagstracht, die Buben im blauen Edelweisshemd mit rotem Halstuch. «Das gehört einfach dazu», sagt Sissi Riegg. «In der Tracht ist man ein anderer Mensch; sie beflügelt einen.»Die Renaissance des Jodelns ist mehr als ein BoomDas Kinderjodelchörli singt nicht nur traditionelle Jodellieder. Die Kinder mögen es zuweilen etwas poppig, im Stil der Wiesenberger. Der Jodlerklub aus der Innerschweiz hat mit «Ewigi Liebi» und dem «Feyr vo dr Sehnsucht» dem Jodellied zu einer Renaissance verholfen, die auch das Kinderjodelchörli noch zusätzlich befeuerte.Sissi Riegg ist überzeugt, dass es mehr als nur ein Boom ist. Sie hat an sich selbst erlebt, was der Jodelgesang mit einem macht. Als Kind habe sie nämlich alles andere als volkstümliche Musik gehört: «Am liebsten AC/DC – je härter je lieber.» Doch dann lernte sie einen jungen Mann aus einer Bauernfamilie kennen, in den sie sich verliebte und den sie später heiratete. In der Familie ihres (dann früh verstorbenen) Mannes wurde viel gesungen, vor allem Zäuerli. Es hat Sissi Riegg zutiefst berührt. Sie trat dem Trachtenchörli in Thal bei, besuchte Kurse, liess sich zur Chorleiterin und Jodellehrerin ausbilden.Mittlerweile gibt es das Kinderjodelchörli Rheintal seit neun Jahren. Aktuell singen 43 Kinder und Jugendliche mit, und der Zulauf hält an. Die bäuerliche Welt von einst wird in den Liedern des Kinderjodelchörlis noch lange weiterleben.Zweittext:So urchig ist das RheintalUrchig: «urwüchsig, echt», auch «originell» (mhd. urich); urtümlich (im 18. Jh. rückgebildet aus «Urtümlichkeit», einer Lehnbildung nach «Originalität» (Duden, Herkunftswörterbuch) …In einer losen Sommerserie zeigen wir, wie im Rheintal das urchige Brauchtum in unserer heutigen technisierten Gesellschaft bewahrt und gepflegt wird, wie die Porträtierten zum traditionellen Brauchtum gefunden haben, was es ihnen bedeutet und welche Zukunft sie dafür sehen. (mt)