10.11.2021

«Unrechtmässigen Zustand hergestellt»

Junge Asylsuchende sind in die Landegg eingezogen. Offen bleibt, ob der Betreiber des Internats eine neue Bewilligung braucht.

Von David Scarano
aktualisiert am 03.11.2022
Der Streit wegen der Umnutzung der Landegg als Internat für unbegleitete minderjährige Asylsuchende ist um ein pikantes Kapitel reicher. Trotz offener Rechtsfrage sind am 4. November Asylsuchende in die Landegg eingezogen. Betreiber des Internats ist der Trägerverein Integrationsprojekte St. Gallen (TISG).An der öffentlichen Orientierungsversammlung am Montagabend sagte der Lutzenberger Gemeindepräsident Rudolf Gantenbein: «Der TISG hat einen unrechtmässigen Zustand hergestellt.» Die Jugendlichen wohnen gemäss Gantenbein zwar im Gebäude auf der St. Galler Seite, auf Lutzenberger Gebiet befindet sich aber unter anderem die Verwaltung. Weiter gab Gantenbein bekannt, dass der Gemeinderat derzeit nicht auf einen Rekurs des TISG eingehe. Für einen Entscheid fehlten die Unterlagen.Hintergrund ist die ungeklärte rechtliche Frage, ob für die Nutzung des ehemaligen Durchgangsheims als Internat für die Appenzeller Seite eine neue Baubewilligung nötig ist. Für die Baubewilligungskommission der Vorderländer Gemeinde braucht es eine, für den TISG hingegen nicht. Geschäftsführerin Claudia Nef sagt: «Es gibt keine Umnutzung. Das Gebäude wurde bereits zuvor als Schule genutzt.»Regierung wird aktivDer TISG hatte gegen die Verfügung, ein Baugesuch einzureichen, Rekurs beim Kanton eingelegt. Das Baudepartement leitete diesen an den Gemeinderat Lutzenberg weiter, da es gemäss Aussagen der Kantonskanzlei beim jetzigen Stand des baurechtlichen Verfahrens nicht zuständig sei. Über den Rekurs müsse der Gemeinderat befinden. Gantenbein sagte am Montag, der TISG habe die geforderten Unterlagen bislang nicht eingereicht. Der Rekurs werde deshalb nicht behandelt. Nun werde der Kanton aktiv. Der Regierungsrat werde den TISG auffordern, eine Stellungnahme einzureichen. Diese hat allerdings keinen Einfluss auf das baurechtliche Verfahren.Der Streit um die Landegg brach Anfang 2020 aus. Damals erfuhren die Ausserrhoder Kantonsregierung und der Gemeinderat Lutzenberg aus den Medien, dass der TISG in Wienacht entgegen einer Vereinbarung der Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden sowie der Gemeinden Lutzenberg und Eggersriet weiterhin Asylbewerber unterbringen werde.Die umstrittene neue Nutzung als Internat sorgte zuletzt vor ein paar Tagen für Verstimmung. Der Lutzenberger Gemeinderat kritisierte, dass er vom TISG erst am 30. Oktober über den Bezug der Liegenschaften am 4.November informiert worden sei.Der Unmut über den TISG war auch an der Orientierungsversammlung spürbar. Markus Will, Mitglied der Landegg-Taskforce, sagte: «Die Art und Weise wie der TISG perfide, hinterhältig und wortbrüchig mit uns umgeht, ist eine politische Katastrophe.» Am Dienstag verschickte der Gemeinderat eine Medienmitteilung, in der dieser ähnliche Worte benutzt. Der Gemeinderat wirft dem Kanton St. Gallen und der TISG politisch unverantwortliches Handeln vor.Der St. Galler Justizdirektor Fredy Fässler lasse einer katastrophalen Entscheidung freien Lauf. Der SP-Politiker hatte bislang argumentiert, St. Gallen könne in der Sache nichts unternehmen, weil die Verantwortung bei den Gemeinden liege.Im Communiqué werden Fässler und die TISG-Leitung «unmissverständlich» aufgerufen, in den nächsten Tagen mit dem Gemeinderat Lutzenberg und gegebenenfalls mit Vertretern der Ausserrhoder Regierung das Gespräch zu suchen und erneut eine politische tragbare Lösung zu finden. Die Antwort werde zeitnah erwartet.An der Orientierungsversammlung sagte Will, man müsse Fässler und den TISG «politisch zwingen», das Gespräch aufzunehmen. Auf Anfrage erklärte TISG-Geschäftsführerin Claudia Nef, dass sie gesprächsbereit sei. Der Trägerverein habe den Gemeinderat bereits zu Informationsveranstaltungen und Runden Tischen eingeladen. «Wir würden uns sehr über eine gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde Lutzenberg freuen.» Ausserrhoder Ständerat Caroni in der KritikAn der Orientierungsversammlung übte Taskforce-Mitglied Rolf Junkert wegen der Causa Landegg auch Kritik am Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni. Es sei penibel, dass dieser am Advokaturbüro beteiligt sei, welches in dieser Sache für den TISG und gegen die Gemeinde Lutzenberg arbeite. Caroni wies auf Anfrage die Kritik zurück. Der Vorwurf sei zu 100 Prozent unbegründet: «Zum Einen habe ich selber mit diesem Thema schlicht nichts zu tun, zum Andern kann man selbstständigen Anwaltskollegen nicht vorschreiben, welche Mandate sie führen dürfen», sagte Caroni.

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