29.11.2019

Ungeplante Steuerfusssenkung

Auf Antrag aus der Bürgerschaft senkt die Bürgerversammlung den Steuerfuss um 7 Prozentpunkte auf noch 122%.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Ruedi Bartholet aus Lüchingen stellte an der Bürgerversammlung am Donnerstag den Antrag, den Steuerfuss für 2020 nicht bei 129% zu belassen, wie der Stadtrat dies wollte, sondern ihn um sieben Prozentpunkte auf 122% zu senken. Der Antrag wurde – mit 132 Ja zu 47 Nein – angenommen. Anwesend waren 210 Stimmberechtigte.Erst vor einem Jahr war der Steuerfuss auf Antrag des Stadtrates um zehn Prozentpunkte auf 129% reduziert worden. Damit war das Legislaturziel, den Steuerfuss auf 135% herunterzubringen, bereits übertroffen. Eine weitere Senkung lag nach Ansicht des Stadtrates nicht mehr drin. Er rechnete bei gleichbleibendem Steuerfuss mit einem Defizit von 747 000 Franken.Ruedi Bartholet schätzt die Situation anders ein. Er verwies auf das Eigenkapital von mittlerweile rund 20 Millionen Franken. Entstanden ist es nicht zuletzt aus Überschüssen, als Folge der Rechnungsergebnisse der letzten Jahre, die durchwegs besser ausgefallen sind, als budgetiert worden war. Auch fürs laufende Jahr hat Stadtpräsident Ruedi Mattle am Donnerstag die vor einem Jahr aufgestellten Zahlen korrigieren müssen: Die Stadt geht jetzt nicht mehr von einem Defizit von 162 000 Franken aus, sondern von einem Überschuss von fast 1,7 Mio. Franken.«Beim Budgetieren wird schwarzgemalt»Solches nährt den Verdacht vieler Bürger, dass zu vorsichtig budgetiert wird. «Beim Planen wird schwarzgemalt», meinte auch Ruedi Bartholet. Er wollte dabei der Stadt nicht an den Karren fahren. «Stadtrat und Verwaltung haben die Ausgaben im Griff», lobte er vielmehr, «die Finanzlage Altstättens hat sich erfreulich verbessert.»«Zuzüger achten sehr wohl auf die Steuerbelastung»Ganz und gar nicht einverstanden ist Bartholet aber mit der Annahme, der Steuerfuss spiele bei der Wohnortwahl nur eine untergeordnete Rolle. Stadtpräsident Ruedi Mattle hat im Vorwort zum Budgetbericht eine Grafik zu einer Befragung zur Lebensqualität abgebildet, die dies vermuten liess. Die Studie ist allerdings schon zehn Jahre alt. «Sie ist nicht aktuell», meinte Bartholet, «Zuzüger achten sehr wohl auf die Steuerbelastung.» Und mit 129% gehöre Altstätten nach wie vor zu den Gemeinden mit dem höchsten Steuerfuss in der Region.Ruedi Bartholet ist ausserdem der Ansicht, dass die von ihm beantragte Steuerfusssenkung von sieben Prozentpunkten «massvoll» sei. «Man hätte auch zehn Prozent beantragen können», meinte er. Das Eigenkapital würde es erlauben; mit ihm verfüge die Stadt über einen «Fallschirm», der auf Jahre hinaus genüge.Dem hielt Ruedi Mattle entgegen, dass die Einkommenssteuern das Budget heuer zwar übertreffen würden, dass aber mit eher rückläufigen Steuereinnahmen bei den juristischen Personen zu rechnen sei. Die Verteidigung des vom Stadtrat beantragten Steuerfusses wirkte aber nur halbherzig. Entsprechend deutlich fiel das Ergebnis der Abstimmung zugunsten von Ruedi Bartholets Antrag aus.Nicht zur Abstimmung kam ein Antrag Walter Büchels. Er wollte die 85000 Franken aus dem Budget streichen, die für die Verlängerung des Gehwegs an der Ecke Churerstrasse – Städlenstrasse vorgesehen sind. Das sei lediglich ein «Flick», aber keine wirklich befriedigende Lösung, meinte er. Man solle sich besser mehr Zeit nehmen, und etwas Gescheites planen.Stadtpräsident Ruedi Mattle hält die vorliegende Lösung zwar auch nicht für optimal. Dennoch liess er den Antrag nicht zu. Weil es sich um ein Projekt des Kantons handle, sei der Beitrag der Stadt daran als gebundene Ausgabe zu betrachten. Ziel sei es, die unübersichtliche Situation mittelfristig zu verbessern.Das Budget wurde bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung gutgeheissen.Ohne Gegenstimmen zugestimmt wurde der Auflösung der Spezialfinanzierung für das aufgehobene Altersheim Forst und dem Übertrag der rund 1,8 Mio. Franken daraus auf das Altersheim Haus Sonnengarten. Wie viel macht’s auf der Steuerrechnung aus?Die Steuerfusssenkung bedeutet für die Stadt, dass sie 2020 – ausgehend vom erwarteten einfachen (100%) Steuerertrag von 21,75 Mio. Franken – rund 1,52 Mio. Franken weniger Steuern einnimmt. Statt 747000 Franken muss sie zur Deckung des Aufwandüberschusses dem Eigenkapital 2,27 Mio. Franken entnehmen.Mehr interessieren dürfte, was die Steuerfusssenkung einem selbst bringt. Einem Alleinstehenden mit einem steuerbaren Einkommen von 50000 Franken werden 183 Franken weniger in Rechnung gestellt. Versteuert er ein Einkommen von 75000 Franken, fällt die Rechnung um 338 Franken geringer aus. Bei einem steuerbaren Einkommen von 100000 Franken sind es bereits 500 Franken.Wer es für sich selbst ausrechnen möchte, der kann dies manuell anhand des Steuertarifs oder automatisch mit dem Steuerkalkulator auf www.steu ern.sg.ch. Als Vergleich kann man dort eine Gemeinde heranziehen, deren Steuerfuss bereits heuer bei 122% liegt, beispielsweise Walenstadt.

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