03.12.2020

Und dann war Jaro plötzlich anders

Seit zweieinhalb Jahren meistert Familie Gasser ihren Alltag mit einem schwerkranken Sohn.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Die Geschichte der Familie Gasser ist geprägt von Höhen und Tiefen. Die schönsten Momente treiben Severine Gasser ebenso die Tränen in die Augen wie die grausamen. So erinnert sie sich noch heute gern an den Tag, an dem sie mit ihrem Mann Dominik einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. «Wir konnten es kaum glauben, dass es nach jahrelangen Versuchen endlich geklappt hat.» Die Schwangerschaft war zwar geprägt von Ängsten, die viele werdende Mütter quälen, doch am 23. Januar 2017 gebar Severine Gasser zwei gesunde Buben und vervollständigte damit das Familienglück in ihrem Kriessner Einfamilienhaus. Nach dem Infekt hat er sich nicht mehr erholtEs war an Ostern, als das Leben der jungen Familie aus den Fugen geriet. Noah und Jaro waren damals gerade 14 Monate alt und hatten wenige Tage zuvor ihre Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln bekommen. Während Noah keinerlei Nebenwirkungen spürte, erlitt Jaron Impfmasern mit Fieber und Ausschlag, was bei Kleinkindern durchaus vorkommen kann. Nach zwei Tagen war das Fieber zwar ausgestanden, «doch Jaro war einfach nicht mehr der Alte», erinnert sich Severine Gasser. Er war bleich, müde und anhänglich, doch die Ärzte tappten im Dunkeln und rieten den Eltern, dem Buben etwas Ruhe zu gönnen, damit er sich vom Infekt erholen könne. Mit 14 Monaten fünf Wochen im KomaDas taten Gassers denn auch in der Nacht auf Ostersonntag, in der Hoffnung, Jaro komme bald wieder zu Kräften. Doch schon am frühen Morgen hörten die beiden Geräusche aus dem Kinderzimmer, die sie so noch nie gehört hatten. Völlig apathisch und schäumend lag Jaro in seinem Kinderbettchen. Mit dem Eintreffen der Rettung begannen die ersten Krämpfe, die ihn bis heute begleiten sollten. Es folgten zahlreiche Nächte auf der Intensivstation, bis Jaro schliesslich ins künstliche Koma versetzt wurde. Gassers führten derweil mit den Ärzten Gespräche über Leben oder Tod, hofften, dass der erst 14-monatige Bub wieder aufwachen würde. Gleichzeitig kümmerten sie sich um ihren zweiten Sohn Noah. Nach fünf Wochen konnten Dominik und Severine Gasser Jaro schliesslich wieder in die Arme schliessen. «Doch Jaro war plötzlich anders», erinnert sich die 38-jährige Mutter. Die epileptischen Anfälle hielten an, die Medikamente sedierten ihn. Ein Lachen konnten die Eltern seither nie mehr auf dem Gesicht ihres Kindes sehen, stattdessen viele Tränen. Weshalb, wissen Gassers bis heute nicht, denn eine Diagnose fehlt trotz zahlreicher Abklärungen. Auch die Impfung konnten die Ärzte nicht als Auslöser bestätigen.Der Alltag der Familie hat sich seit jenem Osterwochen­ende stark verändert. Ein krankes Kind, das rund um die Uhr überwacht werden muss, und ein gesundes Kind, das die Aufmerksamkeit der Eltern genauso braucht, sind manchmal nur schwer zu vereinen. Doch Seve­rine und Dominik Gasser machen das, ohne zu jammern. Selbst die Nachtwache teilen sie und ihr Mann, wenn die Spitex einmal nicht da ist. «Wenn Jaro krampft – und das ist täglich der Fall – braucht er innerhalb von drei Minuten seine Notfallmedikamente. Ich bin also 24 Stunden am Tag einsatzbereit», sagt Severine Gasser. Was ihr aber mehr zu schaffen macht als wenig Schlaf, ständiges Organisieren und der anhaltende Verantwortungsdruck ist ihr eigener Anspruch, beiden Kindern gerecht zu werden. «Ich hadere bis heute mit mir, denn ich will, dass wirklich keiner zu kurz kommt und wir beiden ein möglichst normales Familienleben bieten können.» Jede Umlagerung bedeutet für Jaro StressDominik und Severine Gasser setzen derzeit grosse Hoffnung in die Therapien, die Jaro täglich bekommt. Ergo, Physio, Logopädie: All das soll Jaro fördern. «Wenn er vielleicht einmal Sitzen lernt oder sogar selbst nach einem Spielzeug greift, das ihm besonders gefällt – das wäre für uns wie Weihnachten und Ostern zusammen», sagt Severine Gasser. Doch was Jaro tatsächlich noch wahrnimmt und was nicht, wissen weder die Ärzte noch seine Eltern.  Klar ist: Hektik, vor allem das Umlagern vom Therapiestuhl auf eine seiner Liegeinseln oder auf das Stehbrett, bedeutet für ihn Stress. Zu beruhigen ist er danach nur schwer, manchmal weint Jaro stundenlang.Der Rücken macht der Mutter zu schaffenErschwert wird das Problem dadurch, dass Severine Gasser ihren Sohn jedes Mal mitnehmen und die Treppe hochtragen muss, wenn sie ins Bad, in die Schlafräume oder in die Waschküche will. Jaro unbeobachtet in der Stube liegen zu lassen, kommt für sie nicht in Frage – obschon ihr Rücken seit einem durch Osteopenie bedingten Wirbelbruch kurz nach der Schwangerschaft beschädigt ist und sie den 18 Kilo schweren Buben bald nicht mehr tragen kann.  «Meine Familie muss sich keine Sorgen machen, dass ich vor Erschöpfung ausfalle», sagt Severine Gasser. «Wenn, dann ist es mein Rücken, der unser System aus dem Gleichgewicht zu bringen droht.» Zweittext:Spendenaktion: Familie Gasser sammelt für Jaros LiftAm 1. Dezember hat Jaros Familie eine Spendenaktion lanciert. Auf einer Webseite sammeln Severine und Dominik Gasser Geld für einen Aussenlift, der ihren kranken Sohn vom Untergeschoss des Kriessner Einfamilienhauses ins erste Stockwerk bringen soll, wo sich sein Zimmer und das Bad befinden. «Damit möchten wir Jaro ein schmerz- und stressfreies Leben ermöglichen», sagt Severine Gasser, die ihren bald vierjährigen Sohn aufgrund von Rückenproblemen, aber auch wegen seines Gewichts und der unberechenbaren Bewegungen bald nicht mehr selbst die Treppe hochtragen können wird.80 000 Franken will die Familie sammeln, um den Lift zu finanzieren, ohne sich weiter zu verschulden. Denn die 30000 Franken der IV, die einen günstigen, aber im engen Treppenhaus nicht realisierbaren Treppenlift finanzieren würde, genügen nicht für den Aussenlift.  Seit Wochenbeginn sind erste Spenden in der Höhe von über 40 000 Franken eingegangen – auch dank Präsenz in den So­zialen Medien. Auf Instagram erzählt Severine Gasser in ei­nem Adventskalender jeden Tag einen Teil der Geschichte. 

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