Eishockey 27.09.2023

«Um Erfolg zu haben, muss man die eigene Komfortzone verlassen»

Der Schweizer Eishockey-Nationaltrainer Patrick Fischer hielt im Altstätter «Sonnen»-Saal ein spannendes Referat. Er gab dabei auch einen Einblick ins Innenleben seiner Mannschaft und sprach über die Bedürfnisse einzelner Spieler.

Von Hansueli Steiger
aktualisiert am 27.09.2023

Am Abend des 20. Mai 2018 sass die Schweiz vor dem Fernseher und schaute nach Kopenhagen, wo die Eishockey-Nati im WM-Final gegen Schweden spielte. Die Tore von Nino Niederreiter und Timo Meier reichten nicht.

In einem packenden Spiel zogen die Schweizer nach Penaltys den Kürzeren. Der Mann, der als Cheftrainer an der Bande stand, war am Dienstagabend zu Gast am «KMU-Profil», einem Event der St.Galler Kantonalbank: Nationaltrainer Patrick Fischer.

«Die Vision ist, einen WM-Titel zu holen»

Gut 100 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten den Ausführungen des «begnadeten Trainers und der charismatischen Persönlichkeit», wie ihn Niederlassungsleiter Markus Thür vorstellte. Fischer kennt man als gewieften Taktiker und brillanten Motivator, der sein Team zu Höchstleistung treibt, ohne die einzelnen Individuen als Teil des Ganzen aus dem Blick zu verlieren.

Nach dem Final 2018 erlebte das Team ein Wechselbad der Gefühle. Fischer sagt: «Man ist einfach nur leer. Am nächsten Tag fliegt man heim und wird von Tausenden Fans empfangen.» Dennoch will der Trainer den Finaltag nicht verändern: «Der gehört zu uns.» Auch aus Niederlagen lerne man.

«Unsere Vision ist, eines Tages den Weltmeistertitel zu holen», sagte Fischer. Um Erfolg zu haben, müsse man die Komfortzone verlassen. Der Mindset, die Denkweise und die Einstellung könnten Berge versetzen. Er spricht 1997 an, als die Schweiz an der B-WM Rang drei belegte. Fischer sagt:

Es fand ein Umdenken statt. Wir haben von den Besten gelernt, wie sie trainieren, wie sie taktisch arbeiten, wie sie sich ernähren.

Entscheidend sei gewesen, zu lernen wie sie denken, sich hohe Ziele zu setzen und diese auch auszusprechen.

Mit 30 noch den Sprung in die NHL gewagt

2005 wollte der Zuger dann den Sprung in die NHL wagen. «Ich war schon 30 Jahre alt. Ich verliess die Komfortzone, holte einen Ernährungsberater, trainierte wie noch nie und wurde schliesslich von den Phoenix Coyotes verpflichtet.» 27 Spiele bestritt er mit dem Club aus Arizona – und er blieb seinem Credo treu: «Ich glaube an grosse Ziele – auch mit der Nati.»

An der WM 2023 ist die Schweiz aber im Viertelfinal ausgeschieden. «Ziel war der Titel. Dann kam der Match gegen Deutschland und nichts ging mehr. Wir konnten keine Leistung mehr abrufen.» Die Nati habe noch immer Mühe mit der Favoritenrolle.

Dennoch: «An Menschen zu glauben, sie zu motivieren und ihnen Kraft zu geben, ist für mich wichtig.» Fischer erzählt eine Begebenheit mit Trainerlegende Arno Del Curto, der während einer Junioren-WM beim Spieler Fischer einen Durchhänger bemerkt hatte. Statt ihn aufs Zimmer zu schicken, sei Del Curto mit ihm ausgegangen, habe lange mit ihm gesprochen und ihm vermittelt: «Ich glaube an dich». Am nächsten Mittag, im Spiel gegen Österreich, führte die Schweiz mit einem überragenden Fischer bereits nach dem ersten Drittel 4:0.

Wertschätzung ist dem Trainer sehr wichtig

Wie motiviert man ein Team? «Jeder Mensch tickt anders, so ist es auch in der Nati.» Gaëtan Haas etwa müsse man nur sagen, sein Gegner habe das Gefühl, er sei besser als Haas: «Das genügt für eine Topmotivation.» Mit Roman Josi würde dies nicht gehen. «Er muss die Gewissheit haben, gebraucht zu werden.» Oder Andres Ambühl:

Wenn man seine Kernmotivation einschränkt, ihm sagen würde, wie er spielen müsse, wäre er zwar immer noch gut. Aber er würde sehr viel von seinem Potenzial verlieren.

Schwierig sei, vor den Grossanlässen das Kader zu verkleinern: «Ein Spieler hat das Recht, zu wissen, weshalb er nicht mitfährt.» Tristan Scherwey passierte dies zweimal, doch «mittlerweile ist er aus dem Team nicht mehr wegzudenken.» Und die NHL-Stars seien gute Charaktere. «Sie ordnen sich so im Team ein, dass sie dieses mitreissen.» Stelle sich einer über die Mannschaft, wäre er nicht mehr dabei.

Wichtig ist ihm Wertschätzung: «In der Schweiz fokussieren wir uns oft auf Fehler. Wieso erwähnen wir weniger, macht jemand etwas Gutes, obwohl es etwas Simples ist? Wieso müssen wir immer das Negative hervorheben?», fragte Fischer. Dies sei nicht nur im Eishockey so, sondern auch in der Familie, mit Freunden und im Beruf. «Wenn ihr ein gutes Umfeld möchtet, beginnt, die Leute zu erwischen, wenn sie etwas Gutes tun.»


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