22.08.2019

Uelis Burg wird neu vermessen

Als Schüler hat Ueli Bietenhader die Burg Alt-Altstätten erforscht. Jetzt tun das Experten, mit modernster Technik.

Von Kurt Latzer
aktualisiert am 03.11.2022
Im Herbst wollen Archäologen mit modernsten Methoden Messungen bei den Überresten der Burg Alt-Altstätten durchführen und möglicherweise ein 3-D- Modell von der Befestigung erstellen, die im 13. Jahrhundert geschliffen wurde. Wohl kaum jemand käme auf die Idee, dass ein Schüler und eine Tabakpfeife Auslöser für die geplanten Untersuchungen waren.«I de drette Sek hani e Zitt kha, woni allechog ha wele erforsche», schreibt Ueli Bietenhader in seinem Buch «Roote Holder», Geschichten aus seiner Jugend, erzählt in der Alt-stätter Mundart. Der Satz ist der Beginn jener Geschichte, die zu Ueli Bietenhaders «Studium» der Burg Alt-Altstätten führen sollte. Weil er als Bub viel Zeit bei den Überresten der Burg am Rande des Luterbachtobels verbrachte, nahm er die übrig gebliebenen Mauerreste genauer unter die Lupe und hielt die gewonnenen Erkenntnisse 1953 in einer Schularbeit fest.Die Forscher rauchenhalt PfeifeMit einem Doppelmeter und einem selber fabrizierten Winkelmessgerät ausgerüstet, machte sich der Sekundarschüler ans Werk. «Damals habe ich den alten Engelbert Kobler gesehen, der auf der Gemeinde arbeitet und immer Tabakpfeife rauchte», sagt Ueli Bietenhader. Weil er sich als grossen Forscher sah, kaufte sich der Schüler eine Pfeife, die er bei seiner Arbeit im Wald rauchte. Seine Zeichnungen, Skizzen und Aufzeichnungen nannte Uelis damaliger Hauptlehrer Hans Müller eine «recht fleissige und gewissenhafte Entdeckerarbeit».Im Laufe der Jahre geriet das «Studium von Ulrich Bietenhader III. Klasse» in Vergessenheit. Nun wird die Forschungsarbeit zur Burg Alt-Altstätten wieder aufgenommen, mit modernster Technik. Aber wie kamen die Archäologen auf Ueli Bietenhaders Schularbeit? «Das war an unserem Altherrenstamm, wie ich die Treffen nenne», sagt der pensionierte Lehrer, «an dem neben anderen Personen der ehemalige Kantonsschullehrer Peter Bützer und der Archäologe Oskar Keller dabei waren.» Als die Runde auf das Thema Tabakpfeifen zu reden kam, habe er sich an die Geschichte mit der Forschungsarbeit und seiner Pfeife erinnert und zum Besten gegeben. Daraufhin wollte die Männerrunde Ueli Bietenhaders Schularbeit sehen. «Dass meine Schülerarbeit einst so grosse Wellen schlagen würde, hätte ich nichtgedacht», sagt er Altstätter, «zum Teil staune ich, dann wieder schmunzle ich über die Sache.»Messungen findenmöglicherweise bald stattIm Mittelalter existierten auf dem Gebiet der Stadt mehrere Burgen; Alt-Altstätten, Nieder-Altstätten, Hoch-Altstätten und Neu-Altstätten. Ganz erhalten geblieben ist nur Letztere, von Alt-Altstätten sind nur mit Moos überwucherte Fragmente zu sehen.Die dreidimensionale Darstellung der Umgebung der kaum bekannten Ruinen von Alt-Altstätten und Nieder-Altstätten steht unter der Leitung von Martin Schindler von der Archäologie Kanton St. Gallen. Die Messungen führt Wolfgang Neubauer von der Universität Wien durch. Er wuchs in Altstätten auf und nahm als Kantonsschüler in Heerbrugg an den Grabungen bei der Burg Hoch-Altstätten teil. Bei den Arbeiten kommen Laser-Scanning und Radar zum Einsatz, zusätzlich wird die Umgebung aus der Luft fotografiert.Uelis Schularbeitist einzigartigAuf dem Grundriss von Ueli Bietenhaders Arbeit aus der Schulzeit ist neben den Fundamenten ein Weiher eingezeichnet, der unterhalb des Hohlweges, der von der Stossstrasse zur Ruine führt, noch heute existiert. «Ich vermute, dass damals eine Fallbrücke über den Weiher gelegt wurde, zum Schutz auf der westlichen Seite», schrieb der Sekundarschüler damals unter die Skizze. Auf einem genau vermessenen Querschnitt sind sogar einstige Geheim- oder Notausgänge der Burg eingezeichnet. Genaue Beschreibungen der Topografie und sogar der Beschaffenheit des Gesteins rings um die Anlage sind festgehalten. Auf weiteren Seiten des «Studium von Ulrich Bietenhader», ist in gestochen scharfer Schrift die Geschichte der Burg Alt-Altstätten zusammengefasst. Der steinerne Bau wurde demnach im 12./13. Jahrhundert erbaut und von den «Edlen von Altstätten» bewohnt. «Einer dieser Edlen v. A. war verwickelt in einen Streit mit der Stadt St. Gallen, da er sich bei einem Überfall auf einen Warenzug beteiligt hatte», heisst es in Ueli Bietenhaders Aufzeichnungen. Leute aus St. Gallen und Lindau hätten sich an dem Edlen gerächt, zogen vor die Burg, belagerten und zerstören sie. Die Belagerten seien durch Notausgänge geflohen und überliessen die Burg ihren Feinden. «Ich war überrascht, als ich feststellte, dass nirgends so umfassende Aufzeichnungen zur Burg Alt-Altstätten zu finden sind wie meine», sagt Ueli Bietenhader.Auf ein 3-D-Modell freut sich der Altstätter – sollte es ein solches geben. Denn in seiner Schularbeit hat er Alt-Altstätten nach seinen Vorstellungen gezeichnet.

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