09.11.2020

Übrig bleibt ein leeres Grab

Unbekannte haben auf dem Friedhof Unterdorf in St.Margrethen die Urnen von Freddy Höheners Eltern gestohlen.

Von seh
aktualisiert am 03.11.2022
Wie jeden Tag seit dem 1. November betreten Freddy und Semia Höhener den Friedhof Unterdorf in St. Margrethen auch am Montag mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust.  Vielleicht, so hoffen sie, ist das Grab inzwischen wieder so, wie es bis vor Kurzem noch war: die beiden Urnen der Eltern Freddy Höheners in der Nische, eingeschlossen durch die beschriftete Grabplatte.Doch die mitgebrachte Kerze müssen sie auch heute in einer leeren Nische anzünden. Urnengefässe und Grabplatte fehlen nach wie vor, die Ungewissheit, die das Paar seit über einer Woche quält, bleibt. «Wer tut so etwas und stiehlt die Überreste von Verstorben?» Das fragt sich Semia Höhener seither in langen Nächten, in denen sie kein Auge mehr schliessen kann.Der Schock an Allerheiligen Begonnen hat der Alptraum für die beiden St. Margrether an Allerheiligen, als sie der Eltern respektive Schwiegereltern hätten gedenken und das Grab neu schmücken wollen. An der Urnenwand angekommen, stellten die beiden mit Entsetzen fest, dass die Grabplatte der Nische entfernt worden war –ebenso die beiden Gefässe mit der Asche der Eltern.Freddy und Semia Höhener trauten ihren Augen nicht: «Wir waren schockiert und sind mit der angezündeten Kerze in der Hand wieder nach Hause gegangen», sagt die 63-Jährige. Ihr Mann war zu Beginn davon überzeugt, es handle sich um ein Missverständnis und die Gemeinde habe das Grab verfrüht geräumt. «Doch die Verwaltung bestätigte mir tags darauf,  dass das Grab erst 2027 aufgelöst wird», erzählt Freddy Höhener. Er ist sicher: Hier handelt es sich um einen Fall von Grabschändung. Deshalb schaltete er letzten Dienstag die Polizei  ein und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Der Tatbestand: Sachbeschädigung und Störung des Totenfriedens. Von einem Halloween-Streich gehen weder die Ermittler der Kantonspolizei (siehe Zweittext) noch Freddy Höhener aus. «Jemand muss es gezielt auf das Grab meiner Eltern abgesehen haben, denn andere Gräber wurden nicht verwüstet», sagt der 69-jährige pensionierte Velo- und Motorradhändler. Wann genau sich der Vorfall ereignet hat, ist kaum noch festzustellen. Als Höheners Schwester das Grab Mitte August letztmals besucht habe, sei es noch unversehrt gewesen. Inzwischen hätten sich aber Angehörige von Verstorbenen gemeldet, die in der gleichen Urnenwand bestattet wurden; demnach stehe das Grab schon mehrere Wochen leer. Weil die Angehörigen von Grabräumung ausgingen, dachten sie an nichts Böses, zumal das leere Grab ohne Spuren der Zerstörung und ohne Kerzen oder Grabschmuck hinterlassen worden war.Angst vor okkultem Missbrauch der Urnen Freddy und Semia Höhener sind gleichzeitig wütend und traurig. Auch, weil sie einen Verdacht hegen und diesen der Polizei bereits eröffnet haben. Gemäss Freddy Höhener hat die Befragung der verdächtigen Person aber zu wenig ergeben, als dass die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung hätte anordnen können. Angst hat das Paar vor allem, weil es fürchtet, die Urnen könnten für okkulte Zwecke missbraucht werden.  Durch die Veröffentlichung des Falles erhofft sich das Ehepaar vor allem weitere Hinweise – oder aber die Einsicht des Täters oder der Täterin, die Urne zurückzubringen und sie beispielsweise auf dem Friedhofsgelände zu deponieren. «Es geht mir nicht darum, dass jemand bestraft wird», sagt Höhener, «wir möchten meine Eltern einfach wieder in ihrem Grab wissen.»Hinweis Angaben zum Tatvorgang oder zur Täterschaft nimmt die Kantonspolizei St. Gallen unter Telefon 058 229 77 40 entgegen. «Solche Fälle können wir an einer Hand abzählen»Gegen den Unbekannten, der das Grab von Freddy Höheners Eltern beschädigt und leergeräumt hat, ermittelt die Kantonspolizei St. Gallen. Das bestätigt Kapo-Mediensprecher Florian Schneider auf Anfrage.Wie oft hat es die Kantonspolizei St. Gallen mit leergeräumten Gräbern zu tun?Florian Schneider: Es kommt zwar hin und wieder vor, dass wir unter dem Tatbestand der Störung des Totenfriedens ermitteln müssen – zum Beispiel im Zusammenhang mit Sach­beschädigungen an Gräbern.  Da kann zu umgestossenen Grabsteinen oder beschädigtem Grabschmuck noch dieser Tatbestand hinzukommen. Solche Fälle wie in St. Margrethen können wir im Kanton St. Gallen jedoch an einer Hand abzählen.Bei Störung des Totenfriedens handelt es sich um ein Offizialdelikt, die Polizei hat die Ermittlung aufgenommen. Wie hoch ist die Chance, die unbekannte Täterin oder den Täter ausfindig zu machen? Dazu kann ich nicht viel mehr sagen, als dass Herr Höhener Anzeige gegen Unbekannt erstattet hat. Ob die Person gefunden wird oder nicht, kommt auf die Ermittlungsansätze im einzelnen Fall an. Könnte es sich vielleicht doch um eine Halloween-Posse handeln? Nein, davon gehe ich nicht aus, denn aufgrund der verschwundenen Grabplatte und der beiden entfernten Urnen ist es nicht einfach eine Sachbeschädigung. Bei Halloween-Streichen hinterlassen Täterinnen und Täter meistens eine Schneise der Verwüstung; es wären also mehrere Gräber betroffen.

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