07.12.2020

Übersicht zu Ladestationen fehlt

Wer ein Elektroauto fährt, braucht Steckdosen. In der Ostschweiz gibt es jedoch keine verlässlichen Daten zur Ladeinfrastruktur.

Von Saskia Ellinger
aktualisiert am 03.11.2022
Der Strassenverkehr ist für einen Drittel der Kohlendioxidemissionen der Schweiz verantwortlich – rund 73 Prozent davon werden gemäss dem Verkehrsclub Schweiz von Personenwagen ausgestossen. Der Bund möchte das ändern. Eines der Ziele: «Im Jahr 2022 werden 15 Prozent der Neuzulassungen von Personenwagen Elektrofahrzeuge sein», heisst es in der Roadmap Elektromobilität 2022, welche vom Bundesamt für Energie (BFE) und vom Bundesamt für Strassen (Astra) im Jahr 2018 herausgegeben wurde. Die Steckerfahrzeuge spielen für den Bund eine Schlüsselrolle: Sie stehen für eine zukunftsträchtige Mobilität und leisten einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der schweizerischen Energie- und Klimaziele.Ostschweizer Kantone erreichen erst die HälfteEs sind noch zwei Jahre, bis die 15-Prozent-Marke bei neu zugelassenen Fahrzeugen erreicht werden soll. Aktuell schaffen die Ostschweizer Kantone rund die Hälfte. Klarer Spitzenreiter ist der Kanton Thurgau mit einem Anteil von 9,6 Prozent an reinen Elektroautos – er ist schweizweit nach Zürich auf Rang zwei. In St. Gallen liegt der Anteil bei 8,4 Prozent, gefolgt von Appenzell Ausserrhoden mit 7,6 Prozent, wie die aktuellen Zahlen des BFE zeigen. Ganz hinten liegt, genau wie im Vorjahr, der Kanton Innerrhoden mit 0,3 Prozent – mit Abstand der niedrigste Wert in der Schweiz.Für das schlechte Abschneiden Innerrhodens gibt es jedoch eine einfache Erklärung, wie diese Zeitung bereits im vergangenen Jahr berichtet hat: In dem Kanton sind viele Autovermieter gemeldet. Bei Mietwagen ist der Anteil an Elektroautos gering, da damit einerseits hohe Investitionskosten verbunden sind. Andererseits braucht es dafür entsprechende Ladestationen. So wurden im Kanton Appenzell Innerrhoden im laufenden Jahr mit 10 567 bereits mehr neue Autos registriert als in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Thurgau zusammen.In allen Kantonen bis auf den Thurgau haben Hybridfahrzeuge die Nase vorn vor den reinen E-Autos. So ist der Anteil von Benzin-Hybrid-Wagen beispielsweise in St. Gallen bei 9,7, in Ausserrhoden sogar bei 10,5 Prozent.«Reichweitenangst» hält viele vom Kauf abEine mögliche Erklärung, warum der Anteil an Hybrid- und Verbrennerfahrzeugen so hoch ist, ist die sogenannte Reichweitenangst. Darunter verstehen Fachleute die Sorge vieler Automobilisten über das im Vergleich zu den Verbrennungsautos verminderte Vermögen von Elektroautos, grosse Distanzen mit einer Tankfüllung zurückzulegen.Eine Studie der Universität St. Gallen, die im April veröffentlicht wurde, unterstreicht dies: Für 34 Prozent derjenigen, die in den nächsten fünf Jahren ein Auto kaufen möchten, wäre ein Elektroauto die erste oder zweite Wahl. Demgegenüber geben 85 Prozent der Befragten einen Mangel an Ladestationen als Hauptgrund dafür an, kein Elektroauto kaufen zu wollen. Es scheint also wichtig, potenziellen Käufern die Angst zu nehmen und einen Überblick der Lademöglichkeiten zu geben. In der Roadmap 2022 wird dies in der Zielsetzung berücksichtigt: Das Laden soll einfacher, übersichtlicher und effizienter werden. Und genau hier liegt der Haken, denn die Ostschweizer Kantone haben teils den Überblick über die Infrastruktur der Ladestationen verloren.Ladestationen werden kantonal nicht erfasstDer Kanton Thurgau gibt auf Nachfrage an, dass öffentliche Ladestationen nicht zentral erfasst werden, weshalb keine Aussage über die Zahl öffentlicher Ladestationen im Kanton gemacht werden könne. Eine Übersicht über die Ladestationen würden diverse Apps und Websites bieten, wobei keine der Anwendungen alle Ladestationen erfasse.Der Kanton St. Gallen beruft sich in seinen Angaben auf die Plattform www.ich-tanke-strom.ch, auf welcher für den Kanton 334 öffentliche Tankstellen angegeben werden. Das Problem bei dieser Seite: Anbieter tragen ihre Ladestationen eigenverantwortlich ein oder auch nicht – weshalb die Aufstellung nicht unbedingt vollständig ist.Lediglich der Kanton Appenzell Ausserrhoden gibt auf seiner Website eine Übersichtskarte der alternativen Tankstellen wieder – insgesamt 27 Stück. Darüber, wie viele E-Mobilisten aktuell die Möglichkeit haben, ihren fahrbaren Untersatz zu Hause oder am Arbeitsplatz aufzuladen, kann kein Ostschweizer Kanton Zahlen nennen. Laut Bundesamt für Energie ist für viele der rund 60 Prozent Schweizer Mieter das Laden zu Hause keine Option – sie sind auf die öffentlichen Ladestationen angewiesen. Das Gleiche gelte für viele Bewohner von Mehrfamilienhäusern ohne Tiefgarage. Schlechter aufgestellt als die restliche Schweiz?Geht man vom empfohlenen Richtwert der Europäischen Union aus, bei dem durchschnittlich zehn E-Fahrzeuge auf einen Ladepunkt kommen sollten, weiss lediglich der Kanton Appenzell Ausserrhoden über den Ausbau des Netzes innerhalb des Kantons Bescheid: Hier kommen rund zehn reine E-Fahrzeuge auf eine Ladestation, mit Hybrid-Motoren sind es 14 Fahrzeuge pro Ladestation.Da der Kanton St. Gallen von 334 Ladestationen ausgeht, kommt er mit seinen 2509 gemeldeten Steckerautos auf etwa 7,5 Autos pro Ladestation. Werden jedoch die Hybridmotoren mitberücksichtigt, sieht die Zahl wesentlich anders aus: 27 Fahrzeuge kommen auf eine E-Zapfsäule. Der Schnitt könnte jedoch auch besser sein, falls es Ladestationen gibt, die auf der Seite www.ich-tanke-strom.ch nicht erfasst sind. Laut der Energie-Informationsplattform «energie-experten.ch» kamen im Januar schweizweit rund 3,5 Steckerautos auf eine öffentliche Ladesäule. Ob hier die Ostschweizer Kantone nun hinterherhinken oder nicht, ist aufgrund der fehlenden Daten unklar.

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