Hildegard BickelSie sind rot markiert und gefürchtet. Die Bereiche, die verschiedene tote Winkel eines Lastwagens zeigen. Im Schulzimmer steht Verkehrsinstruktor Heinz Bänziger vor der 6. Klasse von Mano Markovits und deutet auf eine Präsentation: «Alles, was sich in diesem Bereich befindet, ist für die Chauffeure und Chauffeusen nicht sichtbar.» Die entscheidende Frage, die der Verkehrsinstruktor mit den Schulkindern klären will, lautet: «Wo muss ich mich befinden, damit mir nichts passiert?»Im Auto ist der tote Winkel weniger kritisch. In der Fahrschule lernen Fahrschüler, nicht nur den Rückspiegel zu beachten, sondern auch den Seitenblick über die Schulter anzuwenden. Diese Drehung mit dem Kopf bringt Sicherheit. Doch wer im Lastwagen am Steuer sitzt, kann nur über die Aussenspiegel nach hinten sehen. Zu einer typischen Situation kommt es an roten Ampeln. Fahren Velofahrer dicht an der rechten Seite eines Lastwagens vor oder halten an, befinden sie sich unvermeidlich im toten Winkel. Wollen Chauffeur oder Chauffeuse nach rechts abbiegen, ist die Situation gefährlich. Der hintere Teil des Lastwagens fährt die Kurve enger und erfasst den Velofahrer, wenn er nicht ausweichen kann.Eine Lektion, die Leben retten kannWie sich Velofahrer schützen können, lässt sich am besten praktisch erleben. Nach dem Theorieblock strömten die Schülerinnen und Schüler nach draussen auf das Schulgelände Burgwies, wo ein moderner Lastwagen der Altherr Nutzfahrzeuge, Nesslau, zu Lernzwecken zur Verfügung stand. Die Schulkinder sollen selber in einen Lastwagen einsteigen und erfahren, wie riskant es ist, wenn sich jemand im toten Winkel befindet.Bruno Becker, der künftig zum Verkehrsinstruktionsteam gehört, wenn Heinz Bänziger im Sommer in Pension geht, forderte jedes Kind auf, in die Lastwagenkabine zu klettern. Jeweils ein anderes Kind fuhr mit einem Velo an der rechten Seite des Lastwagens entlang. Sobald es im toten Winkel auf Höhe der Beifahrertür verschwand, dauerte es einen beängstigend langen Moment, bis es weiter vorne, beim Blick durch die Windschutzscheibe erkennbar, wieder auftauchte.«Die Gefahrenzone neben einem Lastwagen ist für Velofahrer grösser, als man denkt», sagt Heinz Bänziger. Sie befindet sich auch unmittelbar vor der Lastwagenkabine. Die Kinder waren überrascht. Selbst der Hightech-Standard des Fahrzeugs mit dem elektronischen Aussenspiegel Mirror-Cam, der den herkömmlichen Rückspiegel ersetzt und das Sichtfeld erweitert, kann das Problem des toten Winkels nicht lösen. Das richtige Verhalten lautet: Sich nie neben einem stehenden Lastwagen aufhalten. Falls kein Blick zum Chauffeur oder der Chauffeuse möglich ist, befindet man sich im toten Winkel. Am sichersten ist es, hinter dem Lastwagen zu warten und erst weiterzufahren, nachdem das Fahrzeug abgefahren ist.Die Verkehrspolizisten führen die Schulung während zwei Wochen mit 40 Klassen im oberen Rheintal und Werdenberg durch. Gegen 600 Schülerinnen und Schüler wissen bis Ende Monat, wie sie den toten Winkel meiden können. Am wichtigsten sei es, dass die Kinder abends sicher und gesund daheim bei ihren Eltern ankämen, sagt Heinz Bänziger. Es sei in den letzten 20 Jahren zu keinen schweren Unfällen mit Kindern und Jugendlichen im toten Winkel gekommen. «Es gibt zwar immer noch Unfälle auf diese Weise, jedoch vermehrt mit älteren Menschen, die mit E-Bikes unterwegs sind.»