Wer kennt sie nicht, die lustigen Videos, die beim Scrollen in unseren Tik-Tok- oder Instagram-Feeds auftauchen. Wir schicken sie unseren Freunden, lachen darüber und versuchen es manchmal selbst. Und genau so werden sie viral – sie verbreiten sich exponentiell, werden massenhaft verlinkt, generieren hohe Klickzahlen, finden viele Nachahmer und bekommen im Netz eine Eigendynamik, die kaum mehr zu stoppen ist. Genau das erlebt derzeit die Jugendmusik Widnau.
Über eine Million Klicks innerhalb eines Monats
Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Instagram-Profil der Jugendmusik Widnau nicht von anderen: Werbung für die Jahreskonzerte, Gruppenfotos von Ausflügen, Bilder von den Proben. Doch die neusten Beiträge brechen aus diesem Schema aus: Reels mit den Rheintaler Musikanten als Protagonisten, die teilweise 10 000 bis 17 000 Aufrufe haben.
Da verrenken sich zum Beispiel Saxofonisten in Glenn-Miller-Manier, nachdem sie die «Basics» gelernt haben, oder drei Klarinettistinnen geben Tipps, wie man die hohen Töne meistert: Indem sie sich auf eine Mauer stellen.
Und dann gibt es da noch dieses Reel, das nach etwas mehr als einem Monat über eine Million Views hat – und 24 000 Likes. In «So zerstört ma a Glas mit der Trompete» sieht man einen Trompeter, der in sein Instrument bläst, um das vor ihm stehende Weinglas zum Zerspringen zu bringen. Da ihm dies nicht gelingt, nimmt er kurzerhand seine Trompete und schlägt damit auf das Glas ein.
Dass sich das Video wie ein Lauffeuer verbreiten würde, damit hatte im Verein niemand gerechnet. «Ich hatte schon gedacht, dass es gut ankommt. Aber plötzlich ist es explodiert», sagt Lea Hämmerle. Die 21-Jährige ist im Verein für die Social-Media-Kanäle zuständig und bringt meist selbst die Ideen ein.
Wir hatten das Video schon mal gesehen und dachten uns, das können wir nachmachen.
Im Lager letzten Herbst setzten die Musikanten ihre Ideen in die Tat um. Herausgekommen ist unter anderem das Video, das sogar in Afrika angeschaut wird. Mit ihren Videos verfolgen die Jugendmusiker aber nicht das Ziel, ein weltweiter Internethit zu werden, sondern im Dorf bekannt zu werden. Die Absicht dahinter: Man will Nachwuchs rekrutieren.
Das altbekannte Nachwuchsproblem
Die Jugendmusik Widnau besteht derzeit aus 25 Musizierenden im Alter von zwölf bis 21 Jahren. Tendenz: sinkend. Damit steht sie nicht allein da. Die meisten Musikvereine klagen über Nachwuchsprobleme. Deshalb haben sich die Musikvereine Au, Berneck, Heerbrugg und Widnau vor einigen Jahren zusammengetan und die regionale Beginnerformation PopKorn gegründet – für die Jüngsten.
Und auch sonst ist die Jugendmusik Widnau nicht untätig: Sie unternimmt unter dem Jahr viel, um Nachwuchs zu rekrutieren, dazu gehört auch die Präsenz in den sozialen Medien. Und Videos der etwas anderen Art. Die Motivation: Zeigen, dass gemeinsames Musizieren cool ist. «Musik verbindet, aber wir haben auch sonst einen super Zusammenhalt», sagt Lea Hämmerle und ergänzt: «Wir wollen den Kids schmackhaft machen, ein Blasinstrument spielen zu lernen.»
Weitere Videos sind in Planung
Bislang sind die Auswirkungen des Videos – abgesehen von den vielen Likes und Kommentaren – für die Jugendmusik noch nicht spürbar. Doch Lea Hämmerle hofft, dass sich das bald ändert:
Nicht nur für unseren Verein. Das ist gute PR für alle Blasmusikvereine.
Die nächsten Videos werden bald folgen, verspricht Lea Hämmerle. Vorerst wird bei der Jugendmusik Widnau fleissig geprobt. Am 24. März steht das Frühlingskonzert im Widebaumsaal an, bevor es nach Deutschland an einen Wettbewerb geht, der als Vorbereitung für den Jahreshöhepunkt dient: das Weltjugendmusikfestival im Juli in Zürich. Dort will man sich mit Jugendmusikvereinen aus aller Welt messen und die Jury nicht mit zerbrochenen Gläsern, sondern mit Musik überzeugen.