28.02.2020

«Trainerjahre sind wie Hundejahre»

Nach sieben Jahren steht Roger Nater am Sonntag in Grüsch letztmals als Trainer des SC Rheintal an der Bande. Ein Abschiedsgespräch.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Eishockey Nach dem 6:2-Sieg im letzten Heimspiel gegen Reinach sitzt Roger Nater in seinem Trainerbüro. Drei Stühle, ein Tisch, Garderobe, Laptop und Drucker. Zwei sitzende Erwachsene haben gerade Platz, ohne sich in die Quere zu kommen.Vor sieben Jahren als Roger Nater von Herisau her nach Widnau gewechselt war, sah es hier genau gleich aus – inklusive der ans Trainerbüröchen angeschlossenen schlauchartigen Spielerkabine. Damals sagte er: «Mein erstes Ziel ist es, dass wir in der Kabine mehr Platz bekommen.»Nicht wegen Infrastruktur sieben Jahre gebliebenJetzt sagt er: «Ich habe früh erkannt, dass es besser ist, meine Energie in die Entwicklung der Mannschaft zu stecken.»Videoanalysen sind in der Kabine des SC Rheintal unmöglich, weil nicht alle Spieler auf den Bildschirm sehen. Verletzte Spieler werden neben dem Büro des Eismeisters gepflegt und müssen dann den Weg durch die kalte Halle antreten. Eines steht fest: Die Infrastruktur ist es nicht, die den 54-jährigen Roger Nater sieben Jahre im Rheintal gehalten ist.Nater wählt seine Worte mit Bedacht, er möchte nicht polemisch wirken: «Die Gemeinde (bzw. der Zweckverband, anm. d. Red.) sollte die Infrastruktur den Gegebenheiten anpassen.» Nater erwähnt, dass der SCR den dritthöchsten Zuschauerschnitt in der 1. Liga und 2018 im Cupspiel gegen Chur 1800 Zuschauer angezogen hat: «Eishockey bewegt die Menschen im Rheintal.»Der Trainer der letzten sieben Jahre hat einen grossen Anteil daran, dass der SCR bei den Rheintaler Eishockeyfans beliebt ist. Er begreift sich allerdings als Teil des grossen Ganzen: «Der Verein ist hervorragend geführt, das erleichtert dem Trainer das Arbeiten.» Nater hat in Widnau mit zwei Sportchefs gearbeitet – zuerst mit Andy Plüss, später mit Fabian von Allmen: «Es gibt in der 1. Liga keine besseren Sportchefs als diese beiden.» An von Allmen, der vor einem Monat seinen erst 30. Geburtstag feierte, schätzt Nater: «Die Sachkenntnis, die Weitsicht und die Ruhe.»Nater sagt auch deshalb: «Um den SCR mache ich mir keine Sorgen. Ich sehe ihn in den Top 8 der 1. Liga.»Warum verlässt ein Trainer einen solchen Verein aus freien Stücken? Ein anderes Angebot ist es nicht: «Ich habe ein paar Ideen, weiss aber noch nicht, was ich in Zukunft im Eishockey mache.»Viele junge Spieler an die 1. Liga herangeführtNater sagt über die Gründe seines Rücktritts: «Ich habe selbst gemerkt, dass für die Mannschaft eine neue Stimme nützlich wäre.» Es sei allerdings nicht so, dass er die Kabine verloren hat, wie es so schön heisst, wenn ein Trainer seine Spieler nicht mehr erreicht.«Trainerjahre sind wie Hundejahre», sagt Nater, das Engagement über so lange Zeit zehre an der Energie. «Und gerade für die jungen Spieler ist ein neuer Trainer eine Chance – sie haben im Erwachsenenhockey ja bisher nur mich als Trainer gekannt. Im Profisport wäre jetzt der Zeitpunkt, um an Details zu feilen, bei Amateuren geht das aber nicht, da nützt ein neuer Impuls oft mehr.» Die Entwicklung der jungen Spieler ist ein Punkt, den Nater in seinen Erinnerungen an die Trainerzeit in Widnau prominent betont: «Das Highlight war natürlich die Aufstiegssaison 2017/18. Aber es sind nicht nur Siege, auf die ich gerne zurückblicke. Besondere Freude bereitet mir, dass junge Spieler wie Sandro Stoop, Lukas Thurnherr und Pascal Kuster zu gestandenen 1.-Liga-Spielern gereift sind.» Wenige Minuten vorher haben Kuster und Thurnherr mit je einem Tor dazu beigetragen, dass der SC Rheintal gegen die Red Lions Reinach nach 0:2-Rückstand mit 6:2 siegten – der erste Erfolg nach vier Niederlagen in der Abstiegsrunde.Sportlich hat der Sieg keine Bedeutung, dennoch redet Nater von einem wichtigen Erfolg: «Nicht für Roger Nater, sondern für die Mannschaft.» Denn so bekamen die Spieler nach schwierigen Wochen nochmals eine Bestätigung ihres Könnens – und es dürfte auch helfen, dass die durchaus kritischen Anhänger nach dem letzten Spiel mit einem positiven Erlebnis nach Hause gehen konnten.Aus der Herisau-Legende wurde ein RheintalerWenn sie es nicht schon wussten, haben die Zuschauer am letzten Dienstag nicht erfahren, dass es Naters Dernière nach über 230 Spielen als SCR-Trainer ist. Eine offizielle Verabschiedung gab es nicht, weil der Trainer das nicht wollte: «Es geht nicht um Roger Nater.»In seiner letzten Saison ist es Nater nicht gelungen, aus der Mannschaft das Maximum herauszuholen: «Leistungsträger hatten Formschwankungen, und ich habe auch zwei, drei Fehler gemacht.» Aber er sagt zu recht, dass der Verein «während drei Vierteln meiner Amtszeit erfolgreich war: Wir sind von einem mittelmässigen 2.-Liga- zu fast einem 1.-Liga-Mittelfeld-Team geworden.» Zum anderen Viertel gehört auch die erste Saison: «Damals mussten sich die Spieler an mich erinnern.» Damals spürte er erstmals das tiefe Vertrauen der Vereinsführung: «Sportchef von Allmen wusste immer: Er muss mich nicht entlassen. Wenn ich keine Perspektive mehr sehe, gehe ich von selbst.»Roger Nater ist als Vereinslegende des SC Herisau ins Rheintal gekommen. In den letzten sieben Jahren hat er in Widnau viele gute Freunde gefunden. Wenn er sich nächste Saison mal als Zuschauer unters Publikum mischt, wird es für ihn sein wie eine Heimkehr.

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