19.04.2019

Tore für die Hochlandsavanne

Im Oktober reiste der Lehrer Stefan Rothenberger nach N/a’an ku sê in Namibia, um sich in seinem Bildungsurlaub für bedrohte Tiere und das Volk der San einzusetzen. Nun berichtet er seinen Schülern davon.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Der Mond scheint klar, als sich Staff-Member Carol mit Stefan Rothenberger, Primarlehrer aus Heiden, und drei weiteren Freiwilligen zur Löwennachtwache aufmacht. Tausende Sterne leuchten ihnen den Weg durch die karge und trockene Landschaft der Hochlandsavanne. Nach halbstündiger Fahrt durch die Steppe erreichen sie die Plattform, auf der sie die Nacht verbringen. Während sich seine Kameraden in die warmen Schlafsäcke einkuscheln, lauscht Ro­- thenberger in die Stille hinaus. Bei den frostigen Temperaturen kondensiert seine Atemluft und steigt wie Rauchschwaden in die sternenklare Nacht hinauf. Vor ihm liegt das 20 Hektar grosse Gehege der Löwen. Pünktlich wie ein Uhrwerk brüllt der Löwe alle 15 Minuten. Damit steckt er sein Revier ab und verschafft sich Respekt. Aus der Ferne weht der Wind den Duft von ausgetrockneter Erde heran. Rothenberger nimmt die Gerüche um ihn he­rum nur am Rande wahr, sein Fokus gilt der Nachtwache. Einerseits erlebt er den König der Tiere hautnah und bei Nacht, andererseits muss er allfällige Wilderer orten und den Park-Rangern melden.Füttern, reinigen und spazierenDas Leben im namibischen Savannenhochland war nicht nur von Gefahren geprägt. Stefan Rothenberger verbrachte vergangenen Oktober einen einmonatigen Bildungsurlaub in der «Naankuse Foundation Wildlife Sanctuary». Ursprünglich, um die lokalen Schüler in Englisch und Mathematik zu unterrichten. «Ich war nur wenige Tage als Lehrer engagiert», sagt er, «dann wurde ich von der faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt gepackt und beschäftigte mich mit ihr.» Als freiwilliger Mitarbeiter füt­terte er Tiere, säuberte Gehege und kontrollierte Zäune, er lernte aber auch Tierspuren zu le­- sen, giftige von ungefährlichen Schlangen zu unterscheiden und Raubtierfutter richtig zuzubereiten. Ausserdem führte er Paviane und Geparden spazieren, entfernte Pfähle, hob Gräben aus und übernahm bei der Löwennachtwache Verantwortung. «Bei allen Arbeiten lag der Fokus auf der Bewahrung der einheimischen Kultur, Tier- und Pflanzenwelt», sagt der 57-Jährige, «Ziel ist es, Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren zu minimieren oder ihnen vorzubeugen.» Die Stiftung hat sich dem Schutz der Wildtiere und der Unterstützung der San-Bevölkerung verschrieben. Sie gelten als eines der ältesten Völker der Erde, doch wie der Lebensraum der Tiere, ist auch ihrer bedroht. Bereits vor seinem Aufenthalt organisierte der Primarlehrer Handballtore, die er vor Ort mit den Eingeborenen zusammenbaute. «Ich wollte der lokalen Bevölkerung etwas mitbringen, das ihnen nachhaltig Freude vermittelt – auch wenn sie lieber Fussball als Handball gespielt haben.»Hilfe für Mensch und Tier2003 eröffneten Rudie und Marlice van Vuuren die «Lifeline Clinic» für die lokale San-Bevölkerung. 2006 gründeten sie die Naankuse-Stiftung und verfolgten die Vision, dass Menschen und Tiere nebeneinander leben und gedeihen können. Um den Ureinwohnern Arbeit zu verschaffen, wurde die Klinik um eine Lodge und ein Reservat erweitert. «Naturschutz funktioniert nur in Zusammenarbeit mit den Einheimischen», sagt Rothenberger, «daher werden sie in die Bemühungen einbezogen.» 2011 wurden Angelina Jolie und Brad Pitt auf die Stiftung aufmerksam und unterstützten diese fortan. In der Folge konnten weitere Projekte realisiert werden. Seit 2012 bauen sie nachhaltigen und ökologischen Wein an, 2013 wurde die Klinik um eine Ambulanz vergrössert und 2014 kauften sie Land in der Wüste, um es als Schutzgebiet für Hyänen und Leoparden zu nutzen. Zuletzt wurde 2017 ein Zentrum für verletzte und verwaiste Nashörner und Elefanten eröffnet.Auf den Spuren der «Big Five»Stefan Rothenberger hat viel über die lokale Flora und Fauna erfahren. Hat dabei vor allem die schönen Seiten der vielfältigen Natur- und Tierwelt entdeckt, aber sich auch mit den negativen Auswirkungen der menschlichen Eingriffe auseinandergesetzt. «In mir ist der Wunsch entstanden, mich auch in Zukunft für internationale Anliegen einzusetzen», sagt der Primarlehrer, «ich könnte mir vorstellen, dass ich nach meiner Pensionierung pro Jahr einen Monat in der Entwicklungshilfe tätig sein werde.» Er habe es sehr geschätzt, in einer international durchmischten Gruppe etwas Gutes für die Erde getan zu haben, es sei aber noch viel Aufklärungsarbeit nötig, damit Farmer und Wildtiere nebeneinander leben können. Von den «Big Five» habe er nur die Büffel und Elefanten nicht gesehen. Mit einem Besuch des Etosha-Nationalparks wäre dies aber problemlos möglich gewesen. «Ich werde bestimmt wieder nach Namibia reisen», sagt Stefan Rothenberger und ergänzt, «nicht nur wegen der faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch der liebevollen Menschen zuliebe.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.