04.02.2021

Tochter des Freundes missbraucht

Ein Mädchen soll von der Freundin des Vaters missbraucht worden sein. Der Vater hält zur Freundin.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDer Tatort: Eine Ferienwohnung in Südfrankreich.Der Tatzeitpunkt: Nacht auf den 29. Juli 2019.Das Opfer: Ein Mädchen aus dem unteren Rheintal, das zum Zeitpunkt der Tat vierzehneinhalb Jahre alt war.Die Täterin: Die heute 27-jährige Freundin des um vier Jahrzehnte älteren, in Scheidung lebenden Vaters – eine Südamerikanerin, die in der Heimat selbst zwei Kinder hat (9 und 7 Jahre).Die beantragte Strafe: 38 Monate Gefängnis, Landesverweis für zwölf Jahre.Die Forderung des Verteidigers: Freispruch, sofortige Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug sowie eine Haftentschädigung von über 110000 Franken.Der Prozess: Am Mittwoch dieser Woche in Altstätten.Im Bett neben der Freundin des VatersEs war ein schöner Ferientag, jener 28. Juli im vorletzten Jahr. Das Mädchen, ihre Geschwister, der Vater und dessen Freundin verbrachten nach dem Ausflug ans Meer zusammen mit Besuchern einen geselligen Abend, bevor der Vater nach einer Auseinandersetzung mit der Freundin zu Bett ging. Sie folgte ihm. Was dann geschah, wird vom Mädchen detailliert und drastisch, von der Frau hingegen überhaupt nicht dargestellt. Sie könne sich ja nicht zu etwas äussern, das nicht vorgefallen sei.Die Freundin des Vaters sagt, das Mädchen habe sich erkundigt, ob es bei ihr und dem Vater schlafen dürfe. Die Anklageschrift sagt: Das Kind habe sich auf Bitten der Frau zu ihr und dem Vater gelegt. Die Frau hatte den Platz in der Mitte. Als die Beschuldigte sicher gewesen sei, dass der Vater schlief, habe sie dem Mädchen einen Zungenkuss gegeben. So fing es an.«Versucht, mit Finger in die Scheide einzudringen»In der Anklageschrift geht es so weiter: Seitlich habe sich die Frau an die Tochter des Freundes gepresst, die rechte Hand auf ihren Intimbereich gelegt, ihn mit den Fingern zu stimulieren begonnen. Sie habe die Hand in den Slip des Mädchens geschoben, habe die Hose geöffnet und bis zu den Knien hinuntergezogen. Die Frau «versuchte, mit dem Finger in die Scheide einzudringen», die sich allerdings «verkrampfte, weshalb das Eindringen nicht gelang». Das Mädchen «zitterte am ganzen Körper. Die Beschuldigte fragte, ob sie Angst habe», was das Mädchen bejahte. Die Frage, ob es sich gut anfühle, verneinte es. Worauf die Angeklagte gesagt haben soll, ein bisschen habe es sich bestimmt gut angefühlt. Weil die Frau gemäss Anklageschrift kräftig gedrückt und harte Nägel gehabt haben soll, habe das Mädchen Schmerzen empfunden.Die Dauer des Übergriffs ist mit 30 bis 40 Minuten angegeben. Das Mädchen konnte anschliessend nicht schlafen, schrieb morgens um 4 Uhr ihrer besten Freundin in einer Kurznachricht, «miss you» (vermisse dich). Um 4.30 Uhr ging sie ins Wohnzimmer, bald darauf schrieb ihr die wach gewordene Freundin des Vaters und frage, ob sie nicht habe schlafen können, weil sie von ihr gelehrt bekommen habe, «wie man sich als Frau fühlt», heisst es in der Anklageschrift.Die Angeklagte findet die Vorwürfe absurdAbsurd sei das alles, sagte die Frau vor dem Kreisgericht Rheintal. Die Vorwürfe entbehrten jeder Logik. Dass das Mädchen die Tochter ihres Freundes sei, fühle sich an, als wäre es ihre eigene Tochter. Sie habe das Mädchen bloss aufgeklärt, ihm einiges erklärt und somit nur getan, was die Mutter versäumt habe. Die Angeklagte gab einzig zu, die Tochter des Freundes am Kopf und an der Schulter gestreichelt zu haben und dass sich ihre Beine ineinander verschlungen hatten, was der Verteidiger mit dem «ganz anderen Körpergefühl» der Südamerikanerin erklärte. Er erwähnte das auch im Zusammenhang mit dem Führungsbericht der Strafanstalt. In diesem Bericht heisst es, die Angeklagte habe mehrfach ermahnt werden müssen, weil sie sich gegenüber Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Mitgefangenen anzüglich verhalten, sie angemacht habe. Die Staatsanwältin meinte: Zwischen Anmache und Körpergefühl könnten diese Leute sicher unterscheiden.Speziell ist auch, dass die Beschuldigte im Netz explizit nach Filmen mit Sex zwischen Frauen gesucht hatte. Das dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen, befand der Verteidiger. Die Angeklagte, für die eine Dolmetscherin anwesend war, meinte: «Pornos schauen alle, das hat mit der Sache nichts zu tun.»Der Vater steht nicht hinter seiner TochterDas Mädchen wehrte sich nicht gegen den Übergriff, weil es sich in einem Schockzustand befunden habe. Der Verteidiger nannte dies «völlig unglaubwürdig». Wäre das Behauptete wirklich passiert, hätte seine Mandan-tin am nächsten Morgen nicht eine belastend interpretierbare Nachricht geschickt, sondern behutsam das Gespräch gesucht. Zumal der Vater im gleichen Bett gelegen habe, hätte das Mädchen ihn leicht wecken können.Der Verteidiger unterstellte dem Mädchen, es sei ihm darum gegangen, die Freundin des Vaters mit Hilfe einer falschen Anschuldigung aus dem Familiensystem zu entfernen. Wäre es so, wandte die Staatsanwältin ein, hätte das Mädchen beim Übergriff laut schreien und den Vater so zum Handeln zwingen können. Dieser steht nicht hinter der Tochter, deren Schulnoten sich nach dem Vorfall verschlechterten, sondern hält zu seiner Freundin, die er zweimal monatlich im Gefängnis besucht. Er wolle den sexuellen Missbrauch einfach nicht wahrhaben, weil er sonst die Konsequenzen ziehen müsste, sagte die Staatsanwältin. Dass der Vater für die Tochter das Sorgerecht beantragt habe und allen Ernstes davon ausgehe, mit seiner Freundin und den Kindern zusammenzuleben – «da kann ich wirklich nur den Kopf schütteln».Zur Anklage kam es dank der Freundin des Mädchens und der Mutter dieser Freundin. Beide unterstützten die Vierzehnjährige und ermunterten sie, vom Vorfall ihrer Mutter zu berichten. Die Staatsanwältin fand «das Verhalten der Freundin grossartig» und meinte, sie wünsche jedem Mädchen eine solche Freundin. Die Aussagen des Opfers bezeichnete die Staatsanwältin als stringent und glaubhaft.In ihrem Schlusswort sprach die zuvor beschränkt auskunftsfreudige Angeklagte plötzlich viel und schnell. Sie findet alles ungerecht und meinte, es gebe nicht einmal einen Beweis. Die 14 Monate, die sie bereits hinter Gitter sei, könne kein Geld der Welt aufwiegen. Das vor Gericht nicht anwesende Mädchen könnte das Gleiche sagen. Die geforderte Genugtuungssumme beträgt 7000 Franken.HinweisDas Urteil folgt.

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