Benjamin SchmidEs war keine leichte Entscheidung, die die Mitglieder des Vereins Tigelberg Berneck am Montag zu treffen hatten. Einerseits entschieden sie in einer Abstimmung, dass der Betrieb der sozialpädagogischen Institution Tigelberg auf den frühestmög- lichen Zeitpunkt eingestellt werden soll. Andererseits beauftragten die Vereinsmitglieder den Vorstand, in Absprache mit der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen Möglichkeiten für eine zukünftige Nutzung der Liegenschaft zu prüfen. Geringe Auslastung als UrsacheDer «Tigelberg» wurde erst 2013 renoviert, fünf Jahre später kommt es nun zum vorläufigen Ende. Vereinspräsidentin Dorothea Appenzeller ortet die Gründe der Schliessung in fehlenden Perspektiven, einer zu geringen Auslastung des Hauses und veränderten Bedingungen bei der Platzierung von Jugendlichen. «Ich habe viel Energie und Freude in den Aufbau der SPI Tigelberg gesteckt», sagt Dorothea Appenzeller und ergänzt: «Trotzdem heisst es nun Abschied nehmen von einer so sinnvollen Tätigkeit.» Ginge es nach ihr, würde die Liegenschaft bewohnt und belebt bleiben. Bei Christof Schmid, Mitglied des Vorstands, löst der Entscheid Bedauern für die vielen Menschen aus, die sich ehrenamtlich oder finanziell engagiert haben. Er sagt: «Es ist das Ende einer Ära, aber nicht das Ende des ‹Tigelbergs›.» Seit über einem Jahr habe man sich Gedanken über die Zukunft der Institution gemacht, sei sowohl mit den Behörden als auch mit der Kirche in Verbindung gestanden. In dieser Evaluation zeigte sich, dass die Plätze im «Tigelberg» zukünftig nicht besser belegt werden können. «Einerseits platziert man heute Jugendliche vermehrt in Pflegefamilien anstatt in Heimen», sagt Dorothea Appenzeller und ergänzt: «Andererseits bietet der ‹Tigelberg› als kleines Heim keine Tagesstruktur und auch keine schulische Betreuung vor Ort an.» Ein Nachteil, den die Konkurrenz – etwa das Wohnheim Sennwald – nicht kennt. Die Zahlen sind eindeutig. Wohnten im Frühjahr 2017 noch sieben Jugendliche im «Tigelberg», sank die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb weniger Monate auf zwei. Aktuell leben zwei von möglichen acht Jugendlichen im Heim – keine Frage, dass dies den finanziellen Bedürfnissen nicht genügt. Trotz Bemühungen des Vorstands kam es über Monate zu keinen Neueintritten. In den verbleibenden Monaten gehe es nun darum, einen runden Abschluss für alle Beteiligten zu ermöglichen. «Am besten wäre es, wenn die Jugendlichen nicht umplatziert werden müssten, sondern von sich aus eigene Lösungen fänden», sagt Dorothea Appenzeller. Saubere Lösung gefordert Das Personal wurde bereits im Vorfeld der Versammlung über die möglichen Veränderungen informiert. Gemeinsam sucht man nach Möglichkeiten, den Betrieb auf eine sinnvolle Art und Weise herunterzufahren und zu schliessen. Eines ist für den Verein Tigelberg Berneck klar: Das Haus soll erhalten bleiben und wenn möglich wieder einer sozialen Bestimmung zugeführt werden. Worin diese Bestimmung liegt, wissen die Verantwortlichen noch nicht. Die Türen werden geschlossenIm Juli 2006 schenkte die Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen die Liegenschaft dem Verein Tigelberg Berneck. Von der Eröffnung der sozialpädagogischen Institution Tigelberg 2006 bis ins Jahr 2009 war eine befristete Betriebsbewilligung in Kraft. Ende 2009 erhielt der Verein vom Amt für Soziales die Verfügung der definitiven Betriebsbewilligung mit der Beanstandung, dass der bauliche Zustand der Liegenschaft nicht den geforderten Bedürfnissen entspricht. Einzelne Zimmer waren zu klein, auch der Zustand der sanitären Anlagen wurde bemängelt.2010 entschied der Vorstand, das ganze Haus zu sanieren. In den Folgejahren wurden die Sanierung aufgegleist und die dafür nötigen Spenden gesammelt. Während der Umbauarbeiten von März bis Juli 2013 nächtigten die Bewohner in einem eigens dafür angemieteten Haus in Berneck, bevor sie am 6. August 2013 wieder im «Tigelberg» einziehen konnten. Mit dem gefassten Entscheid schliessen sich fünf Jahre später der Kreis und die Türen des Heims für unbestimmte Zeit.