08.06.2020

Thaler Störche fliegen nicht mehr nach Afrika

Im Naherholungsbiet zwischen Bützen und Altenrhein brüten regelmässig Störche. Seit einigen Jahren bleiben sie auch im Winter hier.

Von Andreas Walker
aktualisiert am 03.11.2022
Auf dem Grundstück, das Landwirt Andreas Herzog bewirtschaftet, thront ein Storch majestätisch im riesigen Horst. Er ist aus Ästen gefertigt und beschützt den Jungstorch. Der Horst thront auf einer rund zehn Meter hohen Stange, die samt Plattform von Andreas Herzog aufgestellt wurde. Wie eine Statue sitzt der Storch da und schaut eine Richtung. Der Grund dafür wird bald klar. Der zweite Storch ist im Anflug und landet im Horst.  Dann erfolgt ein faszinierendes Ritual. Die beiden Störche klappern laut, schmiegen immer wieder ihre Köpfe aneinander und begrüssen sich herzlich, anschliessend wenden beide gleichzeitig den Kopf voneinander weg. Dies geschieht mehrere Male, bis sich der Storch, der im Horst gewartet hatte, plötzlich ohne Vorwarnung Kopf voran aus dem Nest stürzt und wie eine Rakete davon zischt. Bei den Störchen hüten Männchen und Weibchen abwechslungsweise das Nest, während der andere Partner die Nahrung besorgt. Livio Rey, Biologe an der Vogelwarte Sempach, erklärt: «Die Störche, die in der Schweiz brüten, zogen früher via Gibraltar in die Sahelzone. Später überwinterten sie in Spanien und fanden Nahrung in den dortigen Müllhalden. Mit den schneearmen Wintern finden sie nun auch bei uns genügend Nahrung und bleiben das ganze Jahr in der Schweiz.» Aus der Ringsignatur eines Storches im Horst von Thal konnte ermittelt werden, dass das Tier als Jungvogel am 10. Juni 2008 in Bentivoglio in Italien beringt wurde. Nicht alle Jungstörche überleben die KälteStefan Gerth ist passionierter Tierfotograf und verfolgt schon seit sieben Jahren, was im Storchennest in Thal passiert und weiss Folgendes: «Die Störche haben jedes Jahr Junge, allerdings sterben manchmal einige, da die Brutzeit zum Teil in starke Kälteperioden im April und Mai fällt. Kälte und Nässe setzt den Jungen zu. Es gab schon Jahre, in denen das Storchenpaar drei Junge aufgezogen hat, die flügge wurden.» Diesmal waren Anfang Mai noch zwei junge Störche im Horst. Offenbar ist eines davon dem schlechten Wetter zum Opfer gefallen. Stefan Gerth rechnet damit, dass der Jungstorch Ende Juni/Anfang Juli ausfliegen wird. Wie es aussieht, wird das Storchenpaar am Ende des Sommers nicht nach Afrika fliegen – es wurde in den vergangenen Jahren im Winter jeweils in der Region Thal gesichtet.Kasten:Ein treuer Geselle  Segelflieger Der Weissstorch kann über 35 Jahre alt werden. Er ist ein Zugvogel, der weite Strecken zwischen seinen Brutquartieren und seinen Winterquartieren in Afrika südlich der Sahara zurücklegt. Der Weissstorch ist ein Segelflieger, der die warmen Aufwinde für seinen Zug nutzt. Ein Storchenpaar bleibt seinem Horst über Jahrzehnte treu. Das Nest wird nur dann gewechselt, wenn sich das Männchen mit einem neuen Weibchen paart. In der Schweiz gab es um 1900 etwa 140 Brutpaare. Allerdings nahm der Bestand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr ab, sodass 1950 keine Störche mehr in der Schweiz brüteten. Dank Auswilderung und Schutz stieg die Storchen-Population wieder an. Aktuell brüten rund 560 Storchen-Paare in der Schweiz.

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