03.02.2022

Temposünder sagte vor dem Richter lieber nichts

Ein Garagist stand vor Gericht, weil er auf der Stossstrasse ausserorts 49 km/h zu schnell gefahren war.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Hätte der erfahrene Berufsmann den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft akzeptiert, wäre es nicht zur Verhandlung vor dem Kreisgericht Rheintal in Altstätten gekommen (und der Fall wäre nicht öffentlich geworden). Der Vorwurf, der dem Garagisten den Strafbefehl eingebracht hatte, lautet auf grobe Verkehrsregelverletzung.Mit einem kraftvollen Automodell war der Geblitzte unmittelbar nach «Kellers Rank» in Richtung Gais unterwegs, als er in die Geschwindigkeitskontrolle geriet. Das war am 30. April 2020, morgens kurz nach neun.Die von der Polizei gemes­sene, rechtlich relevante Geschwindigkeit beträgt 129 km/h und ist somit um 49 km/h höher als die erlaubten 80 km/h.[caption_left: «Kellers Rank»: Nach dieser Kurve beschleunigte der Garagist bei Maximaltempo 80 auf 129 km/h. (Bild: Gert Bruderer)]Oft sagte der Garagist: «Keine Aussage»Vor dem Richter war der Garagist bei den entscheidenden Fragen sehr wortkarg. Diese Fragen lauteten zum Beispiel so: Was sagen Sie zum Vorfall? Warum haben Sie gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben? Haben Sie versucht, herauszufinden, wer am Steuer sass?Die Antwort lautete stereotyp: «Keine Aussage.» Hingegen gab der Mann Auskunft darüber, wer alles die Möglichkeit hatte, mit dem Auto unterwegs zu sein. Alle Mitarbeitenden, erklärte er, hätten sowohl auf den Autoschlüssel als auch die am Auto angebracht gewesene «Garagennummer» Zugriff gehabt.Auf dem Foto, das die Polizei bei der Geschwindigkeitskon­trolle gemacht hat, ist der Autolenker von vorn hinterm Steuer zu sehen. Die Staatsanwalt hatte festgestellt, es handle sich bei diesem Autolenker zweifelsfrei um den Garagisten. Einen entsprechenden Hinweis des Richters nahm der Garagist mit ei­nem weiteren «Keine Aussage» zur Kenntnis.Der Anwalt des Garagisten meinte zum Foto der Polizei, die abgebildete Person sei viel jünger als sein Mandant, der ja womöglich einen Bruder habe. (Ein leises, bestätigendes «Ja» war hörbar.) Vor allem begründete der Verteidiger den geforderten Freispruch damit, dass die Beweiskette lückenhaft sei.Verteidiger sprach von unvollständigen AktenEin Polizist sei in der Autowerkstatt vorstellig geworden, aber was er hier mit wem besprochen habe, gehe aus den Akten nicht hervor. Sein Mandant habe nicht nur ein Recht auf  Einsicht in alle Akten, sondern auch auf Vollständigkeit dieser Akten.Im Betrieb schaute der Polizist vorbei, um herauszufinden, um wen es sich bei der geblitzten Person handelt. Diese Identifikation sei nicht nachvoll­ziehbar, meinte der Verteidiger. «Aus dem Nichts» tauche in den Akten ein aus dem Internet geholtes Foto des Beschuldigten auf. Es sei nicht bekannt, ob der Polizist nicht vielleicht mit ei­nem Verwandten des Beschuldigten geredet hat und ob die betreffende Person auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen worden sei.Ernsthaftigkeit mit Busse unterstrichenVor der Verkündung des Urteils, gab der Mann sich überzeugt, dass ihn ein Freispruch erwarte. Der Richter entschied jedoch fast ganz im Sinne der Staatsanwaltschaft. Der Garagist wurde zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 100 Franken (also 9000 Franken) verurteilt, dies allerdings «nur» bedingt, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Der Mann ist nicht vorbestraft.Tatsächlich zu bezahlen hat er eine Busse von 2500 Franken. Diese hat den Zweck, die Ernsthaftigkeit der Tempoüberschreitung zu betonen. Zu tragen hat der Garagist auch die Verfahrenskosten von 1750 Franken, sodass ihn das zu schnelle Fahren insgesamt 4250 Franken kostet, Anwaltshonorar nicht eingerechnet. Auch der längere Ausweisentzug und die mit ihm verbundenen Kosten sind natürlich Teil der Strafe, doch mit ihnen hat das Gericht nichts zu tun.«Ohne Zweifel» ist Garagist der GeblitzteDer Richter sagte, es sei «klar und eindeutig», dass niemand sonst als der Beschuldigte bei der Geschwindigkeitskontrolle am Stoss am Steuer gesessen habe. Auf dem Foto der Polizei sei ohne Zweifel der Garagist abgebildet. Das bestätige sich beim Heranzoomen des Gesichts mit Hilfe der verfügbaren CD. Was das zweite, für die Identifikation beschaffte Bild betreffe, so sei dessen Herkunft mit einer angegebenen Internetadresse sehr wohl ausgewiesen.Richter erinnerte an lärmgeplagte MenschenAbschliessend erinnerte der Richter an die lärmgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner am Stoss, was sich als Aufruf zur Rücksichtnahme interpretieren lässt. Das Problem sei in den Medien hinlänglich erörtert worden. Mit den am Stoss öfter durchgeführten Geschwindigkeitskontrollen werde versucht, dem Problem entgegenzuwirken, und der Garagist habe nun das Pech gehabt, bei einer Kontrolle erwischt worden zu sein

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