07.02.2020

Tappen im Grünen

Das warme Wetter macht den Appenzeller Winterwanderwegen zu schaffen. Es gibt jedoch auch Ausnahmen.

Von Claudio Weder
aktualisiert am 03.11.2022
Claudio WederEine ältere Frau hat sich soeben ihren grauen Faserpelz ausgezogen und um die Hüfte gebunden. Zwei Männer in den Mittvierzigern kommen ebenso ins Schwitzen und verstauen ihre Mammut-Softshelljacken in ihren Rucksäcken. Der kurze Aufstieg von der Station Hebrig bei Gais in Richtung Sommersberg ist schweisstreibend. Aber nicht, weil er sonderlich lang oder steil ist. Vielmehr, weil es an diesem Samstagmorgen für Anfang Februar ungewöhnlich warm ist. Die Temperaturen übersteigen bereits am Vormittag die 10-Grad-Marke.Auf der Website von Appenzellerland Tourismus werden 26 Winterwanderrouten vorgestellt, zehn davon in Ausserrhoden, 16 in Innerrhoden. Ebenfalls gibt es in der Region zwölf markierte Schneeschuhrouten. Den Wanderweg von Gais zum Stossdenkmal wählen an diesem Samstagmorgen jedoch fast ausschliesslich Velofahrer und Jogger. Wanderer verirren sich nur vereinzelt hier hoch. Im Winter auf aperen Strassen zu gehen, ohne bei jedem Schritt das Knirschen des Schnees unter den Füssen zu spüren, scheint unsexy zu sein. Ein kurzer Blick in Richtung Sammelplatz und zum Alpstein verrät, dass auch im restlichen Appenzellerland der Schnee bislang auf sich warten liess: Bis in die höheren Lagen gleicht die Landschaft einem grün-weiss gefleckten Teppich, der Winter scheint in diesem Jahr eine Pause einzulegen.Schneeschuh-Trophy undFIS-Rennen abgesagtAuch beim Langlaufzentrum in Gais ist wenig los. Auf dem Parkplatz werden die wenigen Winterwanderer von einem herrchenlosen Chihuahua begrüsst, in unmittelbarer Nähe der Loipe sucht, so scheint es, ein Langlauf-Aspirant verwirrt nach dem Start. Vor der Sturmbeiz, welche, nomen est omen, Wanderern und Langläufern Schutz vor schlechtem Wetter bieten soll, prangen mit roten Buchstaben die Worte: «heute geschlossen». In Eggerstanden dasselbe Bild: Der ausgeschilderte und bei guten Schneeverhältnissen präparierte Winterrundweg führt zur Zeit bloss über eine matschige Wiese. Nur ein Jogger in neon- grünem Outfit ist auf der Strecke unterwegs. Die pinkfarbenen Wegschilder stehen einsam in der Graslandschaft und geben ein ähnlich tristes Bild ab wie jene fast schon ironisch zu verstehende Tafel, die auf dem Weg vom Sammelplatz zum Hohen Hirschberg den (Winter-)Wanderern das Betreten der Langlaufloipe untersagt. Unter den warmen Temperaturen leiden letztlich aber nicht bloss die Loipen und präparierten Winterwanderwege, sondern auch die Schneeschuhrouten und Skipisten. So musste etwa die für vergangenen Samstag anberaumte Schneeschuh- Trophy in Appenzell infolge Schneemangels abgesagt werden. Ebenso die FIS-Rennen am Skilift Horn, die in dieser Woche hätten stattfinden sollen. Mehr Winterfeeling findet man derzeit auf der Schwägalp. Der Laternliweg ist vor allem bei Firmen- und Vereinsausflüglern, bei Hotelgästen, aber auch bei verliebten Paaren und Familien beliebt. «Zurzeit natürlich vor allem deshalb, weil im Appenzellerland lediglich auf der Schwägalp Winter ist», sagt Bruno Vattioni, Geschäftsführer der Säntis-Schwebebahn AG. Auch wenn selbst auf der Schwägalp milde Temperaturen herrschen, ist der Laternliweg durchgehend schneebedeckt. 80 Laternen säumen den präparierten Pfad von der Talstation der Luftseilbahn zum Gasthaus Passhöhe.Zur Stärkung gibt esPunsch im WaldEröffnet wurde der Laternliweg im Jahr 2005. «In den vergangenen 15 Jahren ist der Winterwanderweg nicht nur Kult geworden, sondern wurde auch weiterentwickelt», sagt Vattioni. Nicht nur die richtige Petroleumfüllmenge sei inzwischen bekannt – sodass die Laternen für Nachtschwärmer wohl auch nach Mitternacht noch leuchten –, auch die Strecke sei über die Jahre erweitert worden. Später sei auch die rustikale Laternlibar auf der Schwägalp dazu gekommen, in der die Wanderer neben diversen Getränken auch Fondue an der Natur-Fonduebar geniessen können. Möglichkeit zu einem Umtrunk gibt es aber auch unterwegs. Etwa auf halbem Weg im Wald steht ein Ausschenkstand, bei dem man sich selbst bedienen kann. Ein junger Herr, der mit seiner Clique gerade auf dem romantischen Winterpfad unterwegs ist und hofft, in den bereitgestellten Thermoskannen etwas Alkoholisches oder zumindest «Coffee-To-Go» vorzufinden, ist über den ethanolfreien Inhalt leicht enttäuscht. Dass die Kannen nur mit Punsch gefüllt sind, hat laut Vattioni aber einen guten Grund. «Im ersten Winter haben wir dort auch Glühwein abgegeben. Wir hatten damals nicht bedacht, dass sich auch ‹Unberechtigte› am Alkohol gütlich tun konnten.»

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