21.06.2021

Täglich Brandgefahr im Städtli

Um Feuer rasch bekämpfen zu können, gab es in Altstätten einst einen Feuerlöschweiher im Städtli.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Wie gefährlich früher das Stadtleben war, schilderte Werner Ritter, der Präsident des Museumsvereins, am Freitagabend bei einer Städtliführung. Der Anlass war Teil einer ganzen Reihe besonderer Führungen mit thematischem Schwerpunkt, die Altstätten von einer anderen Seite zeigen. Diesmal berichtete Werner Ritter von den früher bescheidenen Möglichkeiten der Stadt, diese vor Feuer zu schützen.«High-Tech-Kerzen», wie wir sie heute zur Verfügung haben, seien im 18. Jahrhundert noch nicht verfügbar gewesen, sagte Ritter. Statt Parafin wurde tierisches Bauchfett zur Herstellung verwendet. Entsprechend stark rochen und russten die Kerzen. Der Docht musste regelmässig «geschnützt», das heisst gekürzt werden, damit die Kerzen nicht russten und tropften.«Brandgefährliche Sachen daheim aufbewahrt»Vor dem Aufenthalt im heute schmucken Ehrengraben meinte Werner Ritter, hier wäre er früher «nie mit einer Laterne hineingegangen». Bschütti aus Obergassställen, Küchenabfälle und Fäkalien kamen im Ehrengraben zusammen, der die Funktion einer Abwasserleitung hatte. «Do inna hät’s gopfergessa gschtunka.»[caption_left: Im schönen Ehrengraben «hät’s gopfergessa gschtunka».]Die heutigen Läden wurden teilweise als Werkstätten genutzt. Küfer, Schreiner und andere Handwerker hatten «brandgefährliche Sachen» zu Hause. Feuerwände zwischen den Stockwerken oder den aneinandergebauten Altstadthäusern bestanden nicht. Wenn es brannte, war also besondere Eile geboten.Geschlafen wurde in Laubsäcken. Fing ein mit Buchenlaub gefüllter Leinensack Feuer, konnte schnell das Haus im Vollbrand stehen.Mit Feuerhaken auch Nachbarhäuser eingerissenBeim Museum Prestegg, auf der Nordseite, bestand anstelle des heute gepflästerten Platzes mit seinen zwei Parkplätzen ein Feuerlöschweiher. Altstätten war von offenen Kanälen durchzogen. Bis in die Dreissigerjahre des vorletzten Jahrhunderts wurde Wasser vom Weiher in Richtung Marktgasse und weitergeleitet – dorthin, wo es brannte.Zimmerleute und Dachdecker begaben sich in einem solchen Fall sogleich aufs Dach, die anderen Menschen bildeten eine Zweierreihe und reichten mit Wasser gefüllte Kübel weiter, die Holzleiter hoch.Allerdings hat in der Regel «en Chübel Wasser nümme viel gnützt». Deshalb bedienten sich die Leute sogenannter Feuerhaken. Das sind lange, mit einem Haken versehene Stangen. Mit ihnen wurde nicht nur versucht, das Brandobjekt einzureissen, um das Feuer möglichst zu ersticken, sondern auch unbeschädigte Nachbarhäuser wurden zerstört. Feuerschneisen sollten das Feuer in seiner Ausbreitung behindern.Der Feuerlöschweiher erregte übrigens den Unmut der Stadtbevölkerung. Anwohner beklagten sich über das Gequake der Frösche.[caption_left: 17 Interessierte erlebten eine spannende Städtliführung mit dem Titel «Nachts in dunklen Gassen».]In fünf Jahrhunderten fünf, sechs grosse BrändeIn einer Zeit ohne Versicherungen, AHV und dritte Säule war es umso härter, Hab und Gut zu verlieren. Weil zudem das Plündern keine neuzeitliche Erfindung ist, wie Werner Ritter bemerkte, seien bei einem Brand im Städtli jeweils sofort die Stadttore geschlossen worden. Es sollte niemand plündern und sich sodann aus dem Staub machen können.Stadttore gab es drei: das nicht mehr bestehende Obertor (in der Rabengasse, beim Museum), das erhaltene Untertor sowie das einstige Kreuztor beim Rathaus. Das hier stehende Restaurant «Drei König» hatte bis zirka zum Jahr 1800 «Kreuz» geheissen.Bis kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts (also bevor eine Druckwasserleitung zur Verfügung stand) hat es nach Auskunft von Werner Ritter in fünf Jahrhunderten fünf, sechs wirklich grosse Brände gegeben.Der bekannteste ereignete sich 1567, kurz nach Mittag. Das Feuer zerstörte die Stadt. Als Schuldiger wurde Lienhart Schmied aus Ulm, genannt Schellensechse, ermittelt. Unter Folter gestand er, Feuer gelegt zu haben; ob es stimmt, ist nicht geklärt. Es gebe eine zweite Theorie, erzählte Werner Ritter: Es könnte auch die auf dem Herd stehengelassene Wäsche einer Bäckersfrau Feuer gefangen haben.Metzg und Schmiede am Rand der AltstadtDie Brandschutzvorschriften waren sehr streng. Bei Dunkelheit durfte man sich im Freien nur einer Laterne bedienen. Der Aufenthalt im Freien war nachts aber gefährlich, ein Überfall jederzeit möglich. (Räuber hiessen Beutelschneider, weil das Portemonnaie nicht im Hosensack steckte, sondern am Gürtel festgemacht war.) Die Schmiede (heute ein Restaurant nahe beim Untertor), die Gerberei und eine Metzg befanden sich am Rand des Städtlis (Pfluggasse/Weberwinkel); Brandgefahr und üble Gerüche waren so etwas beiseitegeschoben.Die Weber verrichteten ihre Arbeit im «Chäär»Gegenüber der Metzg befanden sich – im heute schönen Weberwinkel – die Weber. Diese Leute, obschon für die Textilindustrie sehr wichtig, waren eher arm. Gewoben wurde an feuchten Orten – «im Chäär».  Das sei zwar gut gewesen für den Stoff, erklärte Werner Ritter, nicht aber mit Blick auf das Rheuma. «Weber hatten nicht den angenehmsten Beruf.»Die bei Dunkelheit beendete Städtliführung beschloss der Präsident des Museumsvereins mit den Worten: Lebten wir in Verhältnissen wie vor 400 Jahren, «müsste ich jedem von Ihnen jemanden mit Laterne hinterherschicken. Dafür hätten wir jedoch zu wenig Personal.»www.prestegg.ch   

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