01.08.2019

Swissness-Freund preist das Lokale

Ständerat Thomas Minder, Festredner in St. Margrethen, liess an der Bundespolitik kein gutes Haar.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererWeil die Schulanlage Wiesenau ab nächstem Jahr erweitert wird, ist für die Bundesfeier ein neuer Durchführungsort zu suchen. Auf den Tischen lag eine Umfrage bereit. Die Gäste waren eingeladen, Vorschläge zu machen und zudem die einzelnen Programmpunkte zu bewerten.Weil das Feuerwerk wegen der CO2- und Feinstoffbelastung «immer öfter kritisiert wird», ist auch hierzu die Meinung der Bevölkerung gefragt. Soll das Feuerwerk durch ein alternatives Programm ersetzt werden? Ist es beizubehalten? Oder ist auf beides zu verzichten?«Wir sollten uns lokal versorgen»Als Freund schweizerischer Eigenheiten und Spezialitäten sowie als Bekämpfer jeglicher Pseudo-Swissness, zielte Festredner Thomas Minder mit Blick auf den Klimawandel voll und ganz ins Herz der Menschen. Sie sollten eben «lokal posten und konsumieren», kein Fleisch aus Argentinien oder Uruguay essen und nicht den unsinnigen Online-Handel fördern, der mit einem 70-Prozent-Anteil der Päckli aus China «gewaltig viel CO2» verschulde und jede Nachhaltigkeit vermissen lasse. Wer sich lokal versorge, wirke erst noch dem Lädelisterben entgegen, meinte der Schaffhauser Ständerat, der mit seinem Unternehmen Tribol Kosmetik- und Pflegeprodukte herstellt – «in der Schweiz, umweltgerecht und frei von Tierversuchen», wie auf der Tribol-Webseite zu lesen ist.St. Margrethen erhielt von Minder Lob. Ihm gefalle es, wenn eine Gemeinde die Tradition pflege und keinen Auf-wand scheue. Er gratulierte den St. Margrethern zudem zu ihrer Zurückhaltung als Einkaufstouristen, jedenfalls sei ihm diese versichert worden. Zum Rheintal hat Minder einen schönen Bezug. Nicht nur ein Kunde ist hier tätig, der parteilose Politiker hielt sich früher als Hobby-Ornithologe auch mehrfach beim Rheinspitz auf.«Lauter politischeAmateure» am WerkWährend Reto Friedauer erfreut von einem «gewohnten Bild» an St. Margrethens Bundesfeier sprach, verzichtete Thomas Minder auf den an vielen Bundesfeiern üblichen Rückblick in die Geschichte des Landes. Er wagte stattdessen eine «politische Analyse» und erwies sich auch insofern als aufsässige Persönlichkeit, als er sich weigerte, dem Journalisten das Manuskript seiner Rede zu überlassen. Dass es dem Gastredner in St. Margrethen aber gefiel, stellte ein Musikant lächelnd fest, nachdem die Redezeit eine halbe Stunde überschritten wurde.Als Politiker liess Minder kein gutes Haar an der Politik in Bundesbern. Er sieht «lauter diplomatische Amateure» am Werk, die nichts besseres zustande gebracht hätten als ein Rahmenabkommen mit der EU, das er, Minder, am liebsten im Kehrichtkübel entsorgen würde. Denn dieses Abkommen habe den «kapitalen und in fünf Jahren unbemerkt gebliebenen Konstruktionsfehler», dass es politische Differenzen juristisch lösen wolle – statt mit Gesprächen und Verhandlungen. «Wäre das Schiedsgericht eine gute Lösung, hätten andere Länder es längst eingeführt», sagte Minder. Der 58-Jährige, der sich selbst als «Hirtenhund von Bundesbern» bezeichnete, biss ordentlich zu, indem er etwa Ignazio Cassis bescheinigte, «den Lead in Sachen politischer Blödsinn» übernommen zu haben, zumal ein Fehlentscheid sich seit Cassis’ Amtsantritt an den nächsten reihe.Dem Parlament sprach Minder die Fähigkeit ab, eine angenommene Volksinitiative in angemessener Zeit korrekt umzusetzen, die Masseneinwanderungsinitiative zum Beispiel sei gar nie umgesetzt worden.National- und Ständerat würden wichtige Geschäfte hin- und herschieben statt vorwärtszumachen, das Gesundheitswesen sei sogar «ein Millimetergeschäft»; mal gehe es einen Millimeter nach vorn, dann wieder zwei Millimeter zurück, meinte Minder.Wie immer verlief alles nach PlanNun, in St. Margrethen verlief dafür alles zielstrebig und zackig nach Plan.Die minutiöse Vorbereitung durch Karl Schönenberger bescherte den Gästen viel Abwechslung. Alphorn-Trio, Musikgesellschaft, Tanzmusik, Festwirtschaft, der Spielpark für die Kinder: Alles war in bewährter Form wieder vorhanden, und mit Thomas Minder ist es Karl Schönenberger gelungen, den in den letzten Jahren aufs Programm gesetzten klingenden Namen einen weiteren hinzuzufügen.

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