28.09.2021

«Studierende werden vor eine schwierige Entscheidung gestellt» – Studieren mit 3G (Teil 2)

Samuel studiert Psychologie und Philosophie an der Universität Zürich. Auch er ist von der Zertifikatspflicht betroffen. Der Widnauer – der auf Instagram unter anderem Videos zur Pandemie veröffentlicht – erzählt im Interview, weshalb er die Zertifikatspflicht nicht unterstützt und was er daran ändern würde.

Von ddm
aktualisiert am 03.11.2022
Name: Samuel Alter: 22 Wohnort: Widnau / Zürich Beruf: PsychologiestudentWas hältst du von 3G an Unis und Hochschulen? Ich war von dem Entscheid sehr überrascht. Es ist den Unternehmen überlassen, ob sie die Zertifikatspflicht einführen. Die Universität wären nicht dazu verpflichtet gewesen wäre. Es gibt Studierende, die den Entscheid ein bisschen unverschämt finden, da viele in unserer Altersgruppe nicht geimpft sind. Ein Hauptgrund dafür ist, dass Junge weniger schwere Verläufe durchleben, statistisch gesehen sogar einen milderen Verlauf als bei der Grippe aufweisen. Die Universität begründete die Zertifikatspflicht damit, dass sie ansonsten nur zwei Drittel der Plätze hätte besetzen können. Es stellt sich die Frage, ob das Prinzip gilt: «De Schneller isch de gschwinder», dafür erhalten alle die gleichen Chancen am Uni-Leben teilzunehmen, ob geimpft oder nicht. Oder ob man die Ungeimpften benachteiligt.Bist du geimpft oder genesen? Da ich mich nicht gegen die Grippe impfen lasse, möchte ich mich auch nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Auch lasse ich mich nicht für die Schule testen. Deshalb kann ich das Studium vorläufig im «online only»-Format durchführen.Wie veränderte sich dein Schulalltag seit der Zertifikatspflicht? Schon letztes Jahr fand das Studium online statt. Deshalb verändert sich im Vergleich zum letzten Semester eigentlich nichts. Es war zuvor schon die Hoffnung da, im Herbstsemester ohne Zertifikatspflicht wieder normal fortfahren zu können. Ein Teil der Studierenden hat dieses Uni-Leben jetzt wieder zurück, der andere Teil nicht. Eine gewisse Enttäuschung ist vorhanden.Welche Vor- und Nachteile siehst du im 3G-Reglement? Für Geimpfte ist der Präsenzunterricht ohne Masken bestimmt von Vorteil. Ansonsten sehe ich grundsätzlich nur Nachteile. Meiner Meinung nach werden falsche Anreize geschaffen. Studierende werden vor eine schwierige Entscheidung gestellt: Impfung oder Studium. Nicht überall ist das Studium «online only» möglich. Ausserdem erzeugt das ständige Testen der Ungeimpften den Anschein, als ob nur noch diese Gruppe das Virus mit sich führt, wobei ausser Acht gelassen wird, dass sich Geimpfte nicht mehr testen lassen müssen.In der Schweizer Bevölkerung haben sich Gräben gebildet. Viele, auch Studierende, sehen die neue 3G-Regel als versteckten Impfzwang. Ich würde es eher als indirekte Impfpflicht beschreiben. Es ist immer eine Definitionsfrage: Für mich ist es eine Form von Bevormundung, da mit Sanktionen und Verboten das Recht auf eine freie Willensentscheidung in unangemessener Weise eingeschränkt wird. Das Impfen wird als freiwillig dargestellt, doch Rechte, die allen von der Verfassung her zustehen, erhält man erst zurück, wenn man sich auch impfen lässt. Entweder man nimmt eine finanzielle und zeitliche Last des Testens auf sich, nimmt nicht mehr am öffentlichen Leben teil oder impft sich gegen den eigenen Willen.  Gibt es eine alternative Lösung, die dich persönlich mehr überzeugt hätte? Ich bin nicht gegen die Impfung. Sie ist eine gute Lösung für Menschen, die Angst vor einem schlimmen Verlauf haben. Dass Corona nicht harmlos ist, ist mir bewusst. Doch die Bevölkerung ist gespalten und es sollte eine Lösung für alle gefunden werden. Laut dem Onlineportal «Ostschweiz» hat eine Vereinigung von 142 Ärzten und Ärztinnen einen Brief an den Bundesrat geschrieben. Sie haben vorgeschlagen, nicht erwerbstätiges Pflegepersonal (z.B. freiwillige Pensionierte und Arbeitslose) zu rekrutieren und im Militär sogenannte Sanitätssoldaten und Sanitätssoldatinnen auszubilden, was jedoch dauert. Diese könnten jedoch im Falle einer Notlage in den Intensivstationen eingreifen und in zugeteilten Spitälern aushelfen und das Pflegepersonal unterstützen. Wenn die Intensivstationen also auf eine grössere Krise als die jetzige optimal vorbereitet wären, könnten wir mit einer finanziell, freiheitlich und psychisch geringeren Belastung in unser gewohntes Leben zurückkehren.

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