07.02.2021

«Stopp dem Tierleid» ist unzufrieden

Peter Nüesch, Widnau, Präsident des St. Galler Bauernverbandes, zu den Vorwürfen der Initianten und dem kritisierten Gegenvorschlag.

Von Interview: Kurt Latzer
aktualisiert am 03.11.2022
Zu viele Wildtiere verenden qualvoll in Stacheldrahtzäunen und Weidenetzen. Das ist die Meinung der Initiative «Stopp dem Tierleid» Am 4. Juli 2019 übergab das Initiativkomitee der Staatskanzlei St. Gallen 5000 Unterschriften mehr, als für die Gesetzesinitiative nötig. Der nun vorliegende Gegenvorschlag der vorberatenden Kommission erbost die Initianten. Der von der Kantonsregierung erarbeitete Kompromiss, werde damit «völlig ausgehöhlt und ad absurdum geführt», heisst es in einer Mitteilung von «Stopp dem Tierleid». Im Gegenvorschlag, der die rote Linie gleich mehrfach überschritten habe, sei auch der lange Arm des Bauernverbandes spürbar. Unter anderem soll entgegen den Forderungen Stacheldraht nicht mehr grossflächig im ganzen Kantonsgebiet verboten sein, sondern nur ausserhalb des Sömmerungsgebietes.Was sagen Sie zum Vorwurf, im Entscheid der Kommission sei der lange Arm des Bauernverbandes spürbar?Peter Nüesch: Die Meinung der Landwirte und Älpler darf oder muss über den Verband in die Gesetzesarbeit einfliessen. Es geht ja darum, auch die Tierhalter in die Verantwortung einzubeziehen. Die Anliegen der Initianten müssen nicht nur mit dem Gesetzestext erfüllt werden, sondern draussen in der Praxis.Die Initianten bemängeln auch die Zusammensetzung der vorberatenden Kommission. Wie viele Mitglieder der Kommission sind Landwirte oder Sympathisanten?In der Kommission waren drei praktizierende Bäuerinnen und Bauern, eine Tierärztin, ein Agronom des Bundesamtes für Umwelt, der Geschäftsführer des Bauernverbandes, drei Gemeindepräsidenten, zwei kantonale Angestellte, ein Rechtsanwalt, eine Pflegefachfrau, ein Politberater und ein Primarlehrer vertreten. Also eine bunt gemischte Truppe aus verschiedenen Berufen und Lagern.Die Initianten sagen, der Kompromiss der Kantonsregierung werde mit dem Entscheid der Vorberatenden Kommission «ausgehöhlt und ad absurdum geführt». Stimmt das?Die vorberatende Kommission hat einen guten Vorschlag erarbeitet. Es geht den Initianten anscheinend allein um die Durchsetzung eines generellen Verbots des Stacheldrahtes in Sömmerungsgebieten. Dabei ist den Initianten wie allen Fachleuten klar, dass Tiere nicht im Stacheldraht verenden, sondern in den Weidenetzen. Und dieses Problem wird nun mit dem neuen Gesetz behoben.Können Sie sich vorstellen, weshalb sich die Kommission gegen die Bestrafung juristischer Personen wehrt?Soweit ich informiert bin, sind da die Alpkorporationen und Gemeinden als Eigentümer von Weiden und Sömmerungsgebieten gemeint. Ein rechtliches Vorgehen gegen die Organe dieser juristischen Personen ist sinnlos. Ich gehe davon aus, Alpkorporationen und Gemeinden mit ihren Angestellten und Pächtern setzen die neuen Regelungen gemeinsam um.Sie sind Landwirt im Rheintal. Ist der Einsatz von Stacheldraht heute überhaupt noch nötig?Der Stacheldraht hat dort seine Berechtigung, wo für Tiere Absturzgefahr herrscht, wo die Wahrscheinlichkeit für das Ausbrechen der Tiere gross ist und vor allem dort, wo äussere Einflüsse wie beispielsweise Stürme auf die Zäune einwirken können. Der Stacheldraht ist sehr robust und daher bietet er eine hohe Sicherheit.Was spricht gegen eine Demontage von Netzzäunen, wenn keine Tiere weiden?Das Jagdgesetz regelt das neu klar und deutlich. Der Umgang mit den mobilen Weidenetzen ist sehr strikt und wird dem Anliegen der Initianten gerecht, damit sich keine Tiere mehr in Zäunen verfangen. Die jetzige Lösung ist zumindest für die Initianten viel besser als die Forderungen in ihrer eigenen Initiative. Für die Schaf- und Kleintierhalter wird die Regelung mehr Aufwand bringen und Disziplin abverlangen.Die Initianten «Stopp dem Tierleid» schreiben in der Mitteilung, die Initiativgegner wollten die Zeit vor einer Volksabstimmung nutzen, um weiter Stimmung gegen die Initiative zu machen. Was sagen Sie dazu?Das ist doch etwas gar politisch. Dem ist sicher nicht so. Die Initianten haben eine Initiative eingereicht mit dem Ziel, dass künftig keine Tiere in Zäunen verenden. Die vorliegende Lösung der vorberatenden Kommission wird diesem Anliegen gerecht. Sie geht bei den mobilen Zäunen bedeutend weiter als die Initiative und regelt das Zaunmanagement klar und konsequent. Beim Stacheldraht geht es einzig darum, ob während der Sömmerungszeit für den Schutz der gealpten Nutztiere auch künftig Stacheldraht eingesetzt werden kann. Die Initianten wollen den Schutz der Wildtiere, wir wollen einen möglichst hohen Schutz der Nutztiere. Das Volk wird ja dann an der Urne zwischen Initiative und dem Gegenvorschlag wählen können und den hoffentlich richtigen Entscheid fällen.

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