11.07.2022

Stollen gilt als einsturzgefährdet

Mittels geologischer Bohrungen wird auf dem Stoss in Gais abgeklärt, ob eine Stollensanierung nötig ist.

Von Astrid Zysset
aktualisiert am 02.11.2022
Im Schlittertobel in Gais werden aktuell geologische Bohrungen vorgenommen, um zu eruieren, wie rutschgefährdet der gesamte Hang ist. Im Herbst 1930 ereignete sich die letzte grosse Rutschung; nach langen Regenfällen löste sich damals in mehreren Schüben der Un­tergrund und verschob sich in Richtung Widenbachtobel. Auf einer Länge von 150 Metern wurde die damalige Kantonsstrasse Gais – Altstätten weggerissen, die sich einst weiter unten im Tobel befand – die Topografie änderte sich massgebend. Um das Rutschgebiet zu entwässern und damit zu stabilisieren, wurde 1944/45 ein Entwässerungsstollen gebaut. Dieser ist mittlerweile jedoch in einem schlechten Zustand. Das Ausserrhoder Departement Bau und Volkswirtschaft beschäftigt sich nun mit der Frage: Ist eine Sanierung des Stollens notwendig? Die geologischen Bohrungen sollen klären, ob der Hang nach wie vor in Bewegung ist. «Wir wollen eine Sanierung des Stollens erst veranlassen, wenn wir sicher sind, dass dies die notwendige Option ist», so Beat Fritsche, Abteilungsleiter Wald und Naturgefahren.Ortstermin in Gais. Unterhalb des Trassees der Appenzeller Bahnen im Stoss stehen die Bohrmaschinen. Insgesamt vier Bohrungen werden vorgenommen; zwei oben an der Strasse, die anderen beiden weiter un­-ten am Waldrand beziehungsweise im Wald. Zwischen 50 und 70 Meter tief werden die Löcher. Im Rahmen eines sogenannten Inklinometer-Messverfahrens werden dann an verschiedenen Punkten in der Tiefe die Erdbewegungen respektive Neigungen geprüft. Der Report kommt in ein Gutachten. In dieses fliessen auch die Auswertungen von Gesteinsproben mit ein. Auf der Wiese neben dem Bohrer finden sich sauber aufgereiht die Bodenproben, die den verschiedenen Tiefen entnommen wurden. Sandstein, Mergel, Nagelfluh. Alles wird detailliert dokumentiert. «Anhand der Proben können wir vermuten, wo die Rutschhorizonte sind», sagt Joël Loop, Fachspezialist Walderhaltung und Naturgefahren. Die geologischen Sondierungsbohrungen samt Gutachten kosten den Kanton rund 220 000 Franken. Fritsche: «Das ist es uns aber wert, um genau zu eruieren, wie wir weiter vorzugehen haben.»Das Wasser wird in den Widenbach gepumptWie lange der Stollen bereits in einem schlechten Zustand ist, sei schwierig zu definieren, sagt Loop. Risse und Verwerfungen gebe es seit Jahrzehnten. Sie wurden nur stetig grösser. Mehr noch: Heute gilt der Stollen über kurz oder lang als einsturzgefährdet. Ein grosser Teil des gesammelten Wassers versickert in die den Stollen umgebende Rutschmasse. Seine ursprüng­liche Funktion als vermutlich wichtigstes, stabilisierendes Sanierungsinstrument im Rutschgebiet, kann er in seinem heutigen Zustand nicht mehr wahrnehmen. Rund 95 Meter ist der Entwässerungsstollen lang. Oben an der Strasse beginnt er und zieht sich bis unten in den Wald. Dort, an der «Kapelle», wie Fritsche das kleine Holzhäuschen im Wald nennt, ist er zu Ende. Ursprünglich war er noch 15 Meter länger, doch das letzte Teilstück ist 1963 abgerutscht.Seitdem bildet ein Entwässerungsschacht den Abschluss der Hangentwässerung. Dieser ist in einer Tiefe von rund zehn Metern am Ende des Stollens installiert worden und pumpt das Wasser nach oben, wo es dann über ein Leitungssystem in den Widenbach gelenkt wird. Der Widenbach fliesst durch ein gleichnamiges Tobel nach Hinterforst, das als problematisch bekannt ist. Im November 2020 sind dort 125000 Kubikmeter Waldboden ins Rutschen geraten. Dass der Hang nach wie vor in Bewegung ist, davon gehen die Experten aus. Doch wie stark die Rutschungen sind, ist ungeklärt. Loop mutmasst, dass seit 2010 die Schäden am Stollen stark zugenommen haben.[caption_left: Alles ist für die Bohrungen bereit.  Bild: Astrid Zysset]Messungen im Winter abgeschlossenDie Ergebnisse der Bohrungen respektive das Gutachten sollen nun klären, wie akut die Situation ist. Im Winter soll es vorliegen. Bis dahin sollten die Bohrungen abgeschlossen sein. Alle drei Monate werden die Messungen vorgenommen, um eine allfällige Bewegung exakt he­rauslesen zu können. Doch erst müssen die Löcher gebohrt werden. Bislang sind erst die oberen in Betrieb. In drei, vier Wochen werden diejenigen im Waldgebiet folgen. Dort fanden bislang erst Rodungen und Bodenanpassungen statt, damit der Raupenbohrer Zugang zum Gelände erhält. Die Hügel mit dem frisch ausgegrabenen Erdreich türmen sich zwischen den Bäumen in die Höhe. Es sieht nach Erdbewegungen im grossen Stil aus. Doch als mitten im Wald der Blick auf die Über­reste der ehemaligen Kantonsstrasse frei wird, wird deutlich, dass die jetzigen Geländeanpassungen wohl in keinem Vergleich zur damaligen Rutschung stehen.

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