13.05.2021

Steuersenkung: Die Ersparnis reicht knapp für einen Restaurantbesuch

Von einer Steuerfusssenkung um fünf Prozentpunkte profitiert die Hälfte der St.Margrether kaum. Unsere Beispielrechnungen zeigen, welche Einkommensgruppen am meisten sparen und wer am wenigsten auf die Seite legen kann.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Gute Steuerzahler sollen nicht mehr «frustriert» aus der «urban-industriellen Multi-Kulti-Gemeinde» wegziehen: Das forderte eine anonyme St. Margrether Interessengemeinschaft im Vorfeld der Abstimmung über Budget und Steuerfuss. Tatsächlich kam die Bürgerschaft den Forderungen des Flugblattes nach und hat Anfang April beide Vorlagen abgelehnt – wenn auch knapp mit 411 Nein zu 388 Ja-Stimmen. Nun beugt sich der Gemeinderat dem Begehren und will unter anderem den Steuerfuss um fünf Prozentpunkte purzeln lassen. Mit neu 109 Steuerfussprozenten läge St. Margrethen gleichauf mit Rebstein und wäre innerhalb der Region zwar nicht so steuergünstig wie Balgach mit 72 Prozent oder die Nachbargemeinde Au mit 87 Prozent, aber immer noch deutlich günstiger als Altstätten (122 Prozent), Rheineck, Rüthi oder Eichberg (alle 119 Prozent).Die vorgesehene Steuersenkung wird sich zwar in jedem St. Margrether Portemonnaie bemerkbar machen – allerdings eher schwach als stark, wie Rechnungsbeispiele der Redaktion zeigen (siehe Tabellen). Rund die Hälfte aller Steuerpflichtigen in der Gemeinde dürfte die Senkung kaum bis wenig spüren: Das sind Personen mit einem steuerbaren Einkommen von 30'000 bis 70'000 Franken. Nicht mal eine Hunderternote mehr im PortemonnaieZu dieser Einkommensgruppe gehört auch Alessia. Die 20-Jährige hat gerade eine neue Stelle als Polymechanikerin angetreten. Sie verdient jährlich 50'000 Franken netto und kann abgesehen von Berufskosten und Krankenkasse kaum Abzüge geltend machen. Mit einem steuerbaren Einkommen von 40'000 Franken zahlt Alessia Kanton und Gemeinde eine Abgabe von 4168 Franken. Senkt ihre Wohngemeinde den Steuerfuss für die Steuerperiode 2021 um fünf Prozentpunkte, spart der junge Frau dieses Jahr exakt 91 Franken. Etwas mehr könnten Alessias Onkel Matthias und seine Gattin Erika beiseite legen. Der Schreiner und die Oberstufenlehrerin erreichen mit ihren Teilzeitpensen und Abzügen für die beiden Söhne ein steuerbares Einkommen von 70'000 Franken und zahlen rund 6504 Franken Gemeinde- und Kantonssteuern. Die 142 Franken Ersparnis, die sich mit der Steuerfusssenkung ergäben, genügten der vierköpfigen Familie knapp für einen Pizzaplausch im Restaurant.Auch für Grossverdiener nicht mehr als eine nette GesteWirklich zum Tragen kommen fünf Steuerfussprozente erst ab einem hohen Verdienst, wobei die Ersparnis im Verhältnis zur entrichteten Steuer nicht mehr als eine nette Geste sein dürfte. So etwa bei Alessias Eltern Brigitte und Kurt. Die Abteilungsleiterin in einem Rheintaler Industriebetrieb und der Arzt kommen gemeinsam auf ein steuerbares Einkommen von 250000 Franken. Ausserdem beträgt ihr Vermögen rund drei Millionen Franken, weshalb sie jährlich 55'189 Franken Steuern entrichten. Senkt ihre Wahlheimat St. Margrethen den Steuerfuss, wie sie es am 28. Mai der Bürgerschaft beantragen wird, sind es 1205 Franken weniger. Die Beispiele sind zwar praxisnah, allerdings keine abschliessenden Fallkonstellationen. Die Rechnungen könnten unter Berücksichtigung anderer Faktoren beliebig weitergeführt werden. Fest steht allerdings, was die Steuerfusssenkung für St. Margrethen bedeutet: Sie dürften bei den Steuereinnahmen zu Einbussen von knapp 400'000 Franken führen. Bei unverändertem Budget entstünde damit ein Minus in der Gemeindekasse von 33'500 Franken.Nach Ansicht der Interessengruppe sollen sich dank tieferer Steuern künftig aber mehr Grossverdiener in der Gemeinde niederlassen, die wiederum mehr Geld in die Kasse spülen. Ob es dazu kommt, dürfte aber nicht in erster Linie von der Steuerbelastung abhängen. «Wir haben die Steuern in den letzten Jahren stetig gesenkt. Tiefe Steuern sind ein Attraktivitätsmerkmal, aber nicht das einzige», sagt Gemeindepräsident Reto Friedauer auf Anfrage. «Es zählen viele Faktoren, etwa Infrastruktur, Wohnqualität oder die Verkehrsanbindung, um nur einige zu nennen.»Hinweis Die Beispiele fiktiver steuerpflichtiger Personen vernachlässigen Kirchen- und Bundessteuer.

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