14.07.2021

Stadt wartet weitere Partynächte ab

Auch an den kommenden Wochenenden trinken Gäste an der «Rue de blamage» vorerst aus Plastikbechern.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Seraina HessJunge Menschen, die an Hausfassaden pinkeln, sich in Rabatten übergeben, Gläser und Flaschen zerschmettern, eine Schlägerei anzetteln oder einen Briefkasten zertrümmern: Die postpandemische Euphorie nach den Massnahmenlockerungen zog das Rheintaler Partyvolk nicht nur in die Beizen, sondern vor allem nach draussen auf die Trogenerstrasse, genauer an die «Rue de blamage». «Am letzten Juni- und ersten Juli-Wochenende haben sich in Altstätten Szenen abgespielt, die an die Fasnacht erinnern – es war sehr viel Alkohol im Spiel», sagt Hanspeter Krüsi. Wie der Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen auf Anfrage bestätigt, hätten sich in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli zwischen 200 bis 300 Personen auf der Strasse versammelt und damit nicht nur den Verkehr behindert, sondern vor allem die Anwohner verärgert. Am Wochenende zuvor seien es laut Zeugenaussagen sogar mehrere Hundert junge Frauen und Männer gewesen.Plastikbecher, Polizeiund SicherheitsdienstDie Stadt sah sich deshalb gezwungen, Massnahmen zu ergreifen (Ausgabe vom 10. Juli), die vor allem Bars und Pubs an der Altstätter Partymeile betreffen. Im Wesentlichen heisst das: Gastrobetriebe sind ab 21 Uhr angehalten, Getränke nicht mehr in Gläsern, sondern in Plastik- oder Pappbechern auszuschenken. Ausserdem sind die Wirte dafür verantwortlich, die Nachtruhe in und vor ihren Lokalen zu gewährleisten. Weitere Massnahmen koordinierte der Stadtrat mit der Polizei. Deshalb wird bis auf weiteres jeweils samstags die Präsenz des Sicherheitsdienstes Abacon verstärkt, zudem ist die Jugendarbeit involviert. «Sollten diese Massnahmen zu keiner deutlichen Entspannung der Situation führen, wird der Stadtrat weitere restriktivere Massnahmen prüfen und gegebenenfalls anordnen», teilte die Stadt am Freitag mit.Nach zwei Eskapadenein ruhiges WochenendeDas letzte Wochenende verlief tatsächlich deutlich ruhiger: «Die zusätzlichen Sicherheitsdienst-Mitarbeiter kamen am Samstag gar nicht zum Einsatz, obwohl sich später in der Nacht, als der Regen nachliess, vor allem im unteren Teil der Strasse wieder Grüppchen bildeten», beobachtete Simon Walt, Wirt im «Büezer Pub». Ob die gesittete Partynacht den Massnahmen der Stadt geschuldet ist, bleibt unklar, sagt Stadtrat Andreas Broger. Wegen des schlechten Wetters sei das Wochenende nicht vergleichbar mit den vorhergehenden lauen Sommerabenden. Broger sagt aber auch: «Der Becherausschank ab 21 Uhr wirkte sich positiv aus, bestätigten die betroffenen Parteien.»An den Öffnungszeiten willder Stadtrat nicht schraubenAuf die Dauer der Massnahmen hat sich der Stadtrat noch nicht festgelegt. Broger gibt sich aber zuversichtlich, zumal sich das Partyvolk nach der langen Ausgangsabstinenz wieder besser in der Region verteilen dürfte: Bald finden die ersten Grossveranstaltungen statt. «Wir gehen davon aus, dass sich die Situation deshalb entspannen wird. Die Stadt wird die Lage aber noch weitere Wochenenden beobachten und laufend mit den betroffenen Parteien Massnahmen prüfen und gegebenenfalls ergreifen.» Wenn möglich will der Stadtrat darauf verzichten, die Sperrstunde von 2 auf 1 Uhr früh vorzuverlegen: «Diese Massnahme wäre die letzte, die wir in Betracht ziehen. Es ist unklar, ob wir damit die gewünschte Wirkung erzielen würden, da dann um 1 Uhr alle Gäste auf der Strasse stünden.»Die Wirte schwanken derweil zwischen Verständnis für die Massnahmen und Ärger darüber, als Sündenbock herhalten zu müssen. «Es kann nicht unsere Aufgabe sein, auf der Strasse Ruhe und Ordnung durchzusetzen», sagt Serjoscha Graber. Der «Soirée»-Wirt schätzt es aber, dass der Stadtrat das Gespräch mit den Gastronomen gesucht schliesslich eingelenkt hat, erst ab 21 Uhr auf Pappbecher umzusteigen. «Ich habe viele Stammgäste über 30, die am frühen Abend einen Whisky oder ein Glas Wein trinken. Serviere ich diese Getränke im Becher, kehren sie nicht mehr ein – und das in einer Zeit, in der die Gastronomie monatelang nur rote Zahlen geschrieben hat.»Die beschränkte Kapazitätwird zum ProblemOhnehin sei es die Pandemie, die das altbekannte Lärmproblem an der «Rue de blamage» verkompliziere, sagt auch Simon Walt: «Weil die Kapazität in den Lokalen auf eine bestimmte Anzahl Sitzplätze beschränkt ist, finden nicht alle einen Platz in den Bars.» Walt appelliert dennoch an den Anstand des jungen Partyvolks: «Es wäre schon allen gedient, wenn man Gläser und Flaschen in eine Ecke vor das jeweilige Lokal stellt, anstatt das Leergut an irgendeine Hauswand zu werfen. Denn wenn es weitere Massnahmen gibt, leiden letzen Endes alle darunter, sowohl Gäste als auch Beizer.»

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