02.02.2021

Stadt oder Kaff? So schneidet Ihre Wohngemeinde ab

Im Rheintal zählt nur Altstätten zu den statistischen Städten des Kantons. Die Urbanität macht vor den Gemeinden aber nicht Halt. Wie städtisch oder eben ländlich die Gemeinden sind, hat der Kanton in einer Rangliste zusammengefasst.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Jedes Kind weiss, was eine Stadt ist. Sie ist Kantonshauptort – wie St. Gallen –,  hat mindestens 10000 Einwohner – wie Altstätten – oder ist irgendwann in ihrer Geschichte zur Stadt erkoren worden – wie Rheineck. So lautet die inzwischen überholte Definition. Das kantonale Amt für Raumentwicklung und Geoinformation räumt damit in ihrem neuesten Themenbericht auf. Dort definiert sie nicht nur, welche Gemeinden des Kantons als Städte durchgehen, sondern auch, welche Gemeinden einzelne urbane Merkmale aufweisen, obwohl sie nicht zu den statistischen Städten des Kantons gehören. Massgebend für eine Stadt sind im Wesentlichen vier Merkmale. Dazu gehören eine dichte Siedlungsstruktur mit grösseren und höheren Bauten, eine gewisse Mindestanzahl Einwohner (Schwellenwert: 9000), eine Zentrumsfunktion und eine städtische Identität, die sich von früher geltenden Markt-, Stadt- oder Verwaltungsrechten herleitet. Nach diesen Kriterien zählt der Kanton neun statistische Städte: St. Gallen als «städtischste» Stadt, dicht gefolgt von Rorschach und Rapperswil-Jona. Weiter zählen Wil, Buchs, Gossau, Flawil, Uzwil und nicht zuletzt Altstätten dazu.Einst auf Platz zwei, jetzt auf dem siebten RangAltstätten ist somit die einzige statistische Stadt im Rheintal. Doch obschon sie alle vier Merkmale auf sich vereint, fällt die Stadt im Oberrheintal in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen, vergleicht man sie mit den anderen statistischen Städten des Kantons. Altstätten, das mit 39 Quadratkilometern exakt dieselbe Fläche aufweist wie die Kantonshauptstadt, ist in den letzten 170 Jahren mit Abstand am schwächsten gewachsen, und zwar auf 11891 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2020. Als einzige Stadt liegt sie damit unter dem kantonalen Wachstum – und das, obschon sie 1850 mit rund 6492 Einwohnern direkt hinter der Gallusstadt (17858) und knapp vor Rapperswil-Jona (4225) angesiedelt war. In den folgenden Jahrzehnten verlor Altstätten allerdings Rang um Rang. Heute belegt sie in Bezug auf die Bevölkerung den siebten Platz im Kanton. Weniger Menschen leben einzig in Rorschach und Flawil.Diese Indikatoren wurden gewertet: Einwohnerzahl, Einwohnerdichte, Raumnutzerdichte, bauliche Dichte (je höher, desto städtischer), Anzahl Hochhäuser, Anzahl Blockrandbebauungen (je mehr, desto städtischer), Wohnfläche pro Person, Personen-agen pro Haushalt (je weniger, desto städtischer), Erreichbarkeit von Supermärkten und öV-Haltestellen (je kürzer die Wege, desto städtischer), Anteil Beschäftigte in Stadtfunktionen (je höher, desto städtischer), Zentrenstruktur gemäss Raumkonzept (je höher die Zentrenstufe, desto städtischer).   Die neun statistischen Städte sind mit ihren Symbolen gekennzeichnet, Rheintaler Gemeinden sind blau eingefärbt. (Quelle: Amt für Raumentwicklung und Geoinformation Kanton St.Gallen / Grafik: eb)Meistens ist Altstätten ländlicher als der RestAuch in weiteren Bereichen fällt Altstätten auf. Zum Beispiel durch seine Wirtschaftsstruktur: Mit rund vier Prozent weist die Stadt den höchsten Anteil Beschäftigter im Agrarsektor auf und nähert sich damit dem Wert der anderen Gemeinden, die im Themenbericht als sogenannte «Nicht-Städte» bezeichnet werden. Ländlichere Züge hat die Stadt im Oberrheintal auch bei der Einwohnerdichte: Sie liegt bei gerade einmal 301 Einwohnern pro Quadratkilometer. Damit ist Altstätten die am wenigsten dicht besiedelte Stadt, Rorschach mit 5332 Einwohnern pro Quadratkilometer die dichtestbesiedelte. Auch der Anteil öffentlicher Räume an der Baugebietsfläche – dazu gehören etwa Park- oder Sportanlagen – gleicht in Altstätten eher den Gemeindewerten. Während Rorschach rund 35 Prozent seiner Baugebietsfläche der Öffentlichkeit widmet, sind es in Altstätten nur 13 Prozent. Auch ein Blick in Altstätter Garagen offenbart, dass hier alles etwas anders funktioniert als in den restlichen statistischen Städten. Im Gegensatz zum durchschnittlichen kantonalen Stadtbewohner kommt der Altstätter kaum ohne Auto aus. Während der Motorisierungsgrad in St. Gallen, Rorschach und Rapperswil-Jona deutlich tiefer ist, liegt er in Altstätten auf dem Niveau des Gemeindedurchschnitts. Teilt man die Summe aller Altstätter Personenwagen durch die Summe aller Altstätter Haushalte, erhält man einen Wert von knapp 1,4 Autos pro Haushalt, was beinahe dem Durschschnitt der Nicht-Städte entspricht. Im städtischen Schnitt sind es 1,1 Fahrzeuge, in St. Gallen und in Rorschach verfügt statistisch gesehen nicht einmal jeder Hauhalt über ein Fahrzeug. Dass die Altstätter auf ein Auto angewiesen sind, gründet wohl auch auf der nicht ganz optimalen Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Neben Flawil leben und arbeiten in Altstätten am meisten Personen, die nach statistischer Definition gar nicht durch den ÖV erschlossen sind, nämlich fast 15 Prozent aller Raumnutzer. Zum Vergleich: In Rorschach werden ausnahmslos alle Raumnutzer mindestens mit dem öV-Grundangebot versorgt. Widnau, Balgach und Au bilden einen urbanen VerdichtungsraumAltstätten erzielt zwar in einzelnen Bereichen Werte nahe bei St. Gallen, hebt sich aber erwartungsgemäss oft kaum von Nicht-Städten ab. Allerdings gibt es Gemeinden im Rheintal, die den Status einer statistischen Stadt zwar nicht erreichen, aber trotzdem einige städtische Merkmale vorweisen können. Das Raumkonzept des Kantons St. Gallen hat diesen Umstand mit der Bezeichnung der Zentrenstruktur berücksichtigt. Unter dem Begriff «urbaner Verdichtungsraum» löst diese Städtedefinition die Gemeindegrenzen auf, was mancherorts durchaus Sinn ergibt. Denn neben den städtischen Einzelgemeinden sind im Kanton auch urbane Räume zu finden, die aus mehreren Gemeinden bestehen. Bestes Beispiel: Heerbrugg als Hauptzentrum der Gemeinden Au, Balgach und Widnau. Der urbane Verdichtungsraum, also das Gebiet mit hoher Dichte an Siedlungen und Infrastruktur, zieht sich gemäss Themenbericht weiter bis nach St. Margrethen.Insgesamt verfügen neben Altstätten fünf Rheintaler Gemeinden über eines oder aber maximal zwei städtische Merkmale (siehe Tabelle). Als Zentrum gelten Balgach und Au, während Widnau als einzige Gemeinde im gesamten Rheintal über 9000 Einwohner – genauer 9858 – vorzuweisen hat und im Raumkonzept als Kleinzentrum bezeichnet wird. Ihr ist in Bezug auf die Bevölkerung eine Gemeinde auf den Fersen, die bisher in keinerlei Hinsicht städtisch wirkt: Oberriet ist mit aktuell 8938 Einwohnern die drittgrösste Gemeinde der Region und könnte demnach schon bald mindestens ein Urbanitätsmerkmal vorzuweisen haben.

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