Technologie 05.11.2022

Stadler Rail testet Wasserstoff-Zug für Kalifornien im Kanton Schaffhausen

Stadler Rail testet zwischen Hemishofen und Ramsen einen Wasserstoff-Zug, der in den USA zum Einsatz kommen soll. Zwischen Dezember und Mai werden Testfahrten für den Flirt H2 auf einer stillgelegten Bahnlinie durchgeführt.

Von Ursula Junker
aktualisiert am 05.11.2022

Hemishofen und Ramsen statt Los Angeles und San Bernardino: Die Stadler Rail testet ihren Wasserstoff-Zug Flirt H2, der dereinst in Kalifornien verkehren wird, auf der stillgelegten Bahnstrecke zwischen Etzwilen und Singen.

Am vergangenen Donnerstag hat die Zugbauerin aus Bussnang deshalb zur Infoveran­staltung in Hemishofen eingeladen. Neben Stadler-Vertretern sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern aus Ramsen und Hemishofen waren auch der Schaffhauser Regierungsrat Martin Kessler und Behördenvertreterinnen und -vertreter der beiden Gemeinden anwesend.

Ein Standardzug – mit einer Ausnahme

Der Stadler-Projektleiter Stefan Bernsdorf, der zuständig für die Versuche ist, sagte: «Ziel ist es, herauszufinden, wie der Be­trieb zwischen Laden und Fahren organisiert werden muss.» Zu diesem Zweck führt die Stadler Rail AG zwischen Dezember und Mai Testfahrten auf der stillgelegten Bahnlinie Etzwilen–Singen durch. Die Ladestation wird beim alten Bahnhof Hemishofen stehen, die Zugskombination über Nacht im Ramser Bahnhof stationiert.

Äusserlich entspricht die Zugskombination den bekannten Stadler-Flirt-Zügen. Auffällig anders ist indes die Farbgebung: Blaue, grossflächige Muster ziehen sich über die zwei elektrisch angetriebenen Endwagen mit einem Powerpack in der Mitte. Und in ebendiesem Powerpack steckt die grosse Neuheit. Es enthält nämlich Brennstoffzellen und Wassertanks.

Die Zellen wandeln den Wasserstoff in Strom um, der das Fahrzeug mit der nötigen Energie versieht. Bestimmt ist die Komposition ausschliesslich für den Einsatz in Amerika, zwischen San Bernardino und Los Angeles. Die schlechte Luft in Los Angeles, die strengen Umweltauflagen und die staatlichen Fördermittel für umweltfreundliche Technologien gaben den Ausschlag für den Brennstoffzellenantrieb. Stefan Bernsdorf sagt zu den durch die USA gestellten Bedingungen. 

Das Fahrzeug muss schadstofffrei sein, bei hoher Hitze funktionieren und einen Tag ohne Nachtanken fahren.

Anhand dieser Voraussetzungen wurde im Werk in Bussnang das Fahrzeug entwickelt. Das sei Teamarbeit in grossem Massstab gewesen, so Bernsdorf. Insgesamt wurden 55 Personenjahre in Entwicklung und Fertigung gesteckt. Beteiligt waren Lieferanten aus 16 Ländern, 440 Mitarbeitende der Stadler Rail und 170 Mitarbeitende in der Entwicklung.

Entstanden ist innerhalb von drei Jahren ein Fahrzeug, das 108 Sitzplätze umfasst. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 130 Stundenkilometer. Die Technologie sei nicht neu, betonte Bernsdorf mehrfach, sie werde auch von anderen Anbietern genutzt.

Neu ist indes, dass der Wasserstofftank aus Carbonfasern erstellt wurde. Laut Stefan Bernsdorf kann ein solcher Tank nicht explodieren. Mit Blick auf die anstehenden Testfahrten sagt er: «Nun müssen wir schauen, wie die Zugskombination in Wirklichkeit funktioniert.»

Die Testfahrten sind von aussen besehen nicht spektakulär. Das Spannende passiert im Innern, im Computer.

Die Strecke zwischen Ramsen und Hemishofen bot sich als Testgelände für die Stadler Rail AG an, weil sie einerseits stillgelegt ist, andrerseits aber auch nicht zu weit entfernt von der Firma in Bussnang liegt, wie Stadler mitteilte.

Wasserstoff verflüchtigt sich

In der an die Referate anschliessende Diskussion ging es unter anderem um die Sicherheit beim Betanken. Bernsdorf betonte, die Tanks hätten sich bewährt. Sie seien so ausgelegt, dass ein Lastwagen mit 75 Stundenkilometern in die Flanke des Zuges prallen könne, ohne dass sie beschädigt würden.

Er erinnerte nochmals an die strengen Bestimmungen der Zulassungsbehörden der USA. Sollte beim Beladen dennoch einmal Wasserstoff austreten, so entflieht er in die Luft, anders als Diesel oder Benzin, das sich auf dem Boden ausbreitet. Eine Frage richtete sich auch nach dem Risiko möglicher Beschädigungen. Da hätte man in der Nähe einer Grossstadt weit mehr Bedenken gehabt, so Stefan Bernsdorf.

Die Frage nach einer Mitfahrgelegenheit musste Stefan Bernsdorf verneinen. Zwar ist an der Kombination selber nichts geheim. Hingegen schliesst die eingeholte Bewilligung für die Testfahrten es aus, Passagiere mitzunehmen.


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