28.02.2022

Stadler Rail hat sich auf allfälligen Rückzug aus Weissrussland vorbereitet

Die Verwicklung Weissrusslands in den Krieg Russlands gegen die Ukraine rückt erneut Stadlers Standort nahe der weissrussischen Hauptstadt Minsk in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Schienenfahrzeugbauer zeigt sich gerüstet für eine Produktionsverlagerung an EU-Standorte, falls die politische Entwicklung dies erzwingen sollte.

Von Thomas Griesser Kym
aktualisiert am 02.11.2022
Stadler baut seit 2013 in Fanipol, 30 Kilometer ausserhalb von Minsk, Züge und Strassenbahnen vorwiegend für den lokalen Markt sowie für die GUS-Region und weitere internationale Märkte. Offensichtlich ist das Werk wieder einmal weniger gut ausgelastet. Der Ostschweizer Schienenfahrzeugbauer schreibt: «Von den ursprünglich 1500 Mitarbeitenden wurden aufgrund der Auslastungssituation bereits in den letzten Monaten rund 300 Stellen reduziert.»Die aktuelle Produktionskapazität des weissrussischen Werks beträgt laut Stadler «weniger als zehn Prozent der gruppenweiten Kapazität». Zurzeit seien noch weniger als zwei Prozent des Auftragsbestands, der per Mitte 2021 rund 18 Milliarden Franken betragen hatte, in Weissrussland in Abwicklung.Stadler könnte von Weissrussland in die EU verlagernBislang hat laut Stadler die politische Situation die Produktion in Weissrussland noch nicht beeinträchtigt. Das Unternehmen habe sich aber im Rahmen des Risikomanagements auf verschiedene Szenarien und mögliche Sofortmassnahmen vorbereitet. Stadler schreibt, «dank der flexiblen Fertigung innerhalb der Gruppe» könne man Produktionsverlagerungen aus Weissrussland in die EU «zeitnah umsetzen».In Frage dafür kommt wohl in erster Linie der wichtige Standort Berlin, den Stadler in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut hat. Weitere Werke unterhält Stadler in Polen und in Ungarn. Hinzu kommt das spanische Werk Valencia, das aber auf Lokomotiven spezialisiert ist. In Minsk werden dagegen vorwiegend Triebzüge und Strassenbahnen gefertigt, zudem U-Bahnen und Schlafwagen.Stadler beobachtet und wartet abDie Firma von Patron Peter Spuhler schreibt ausserdem: «Als nicht regierungsnahes Unternehmen ist Stadler bisher von keinen Sanktionen betroffen.»Man beobachte die Lage laufend. «Sollten sich zukünftige Sanktionen und Embargos auf Stadler auswirken, setzt Stadler diese selbstverständlich konsequent um.» Solange die möglichen Sanktionen nicht definiert und in Kraft gesetzt seien, «können konkrete Auswirkungen und Massnahmen nicht eingeschätzt und umgesetzt werden».Das Risiko von Sanktionen besteht durchaus. Russische Truppen sind auch von weissrussischem Territorium aus in die Ukraine eingefallen, und der weissrussische Diktator Alexander Lukaschenko ist ein enger Verbündeter des russischen Kriegstreibers Wladimir Putin.Klar ist: Ein Abbruch der Zelte in Weissrussland, und wäre er auch nur temporär, und eine Verlagerung westwärts würde Stadler Geld kosten und wäre mit logistischem Aufwand verbunden.Ukraine-Ausschreibungen in der SchwebeBetreffend Ukraine hält Stadler erneut fest, von dort bisher noch keinen Auftrag erhalten zu haben. Stadler bemüht sich aber seit geraumer Zeit darum, mit der Ukraine ins Geschäft zu kommen. In zwei Ausschreibungen, die von der Ukraine vor dem russischen Überfall gestartet wurden, ist Stadler jeweils einer von drei Bewerbern. Es geht um 80 elektrische Triebzüge und um 18 Strassenbahnen. Stadler-Sprecherin Gerda Königstorfer wiederholt:«Die momentane politische Situation führt zu einer grossen Verunsicherung hinsichtlich des gesamten Projekts.»In Russland hat Stadler bisher bekanntlich zwei Aufträge erhalten: Elf Doppelstöcker für den Moskowiter Flughafenzug, den Aeroexpress, und 23 Breitspur-Strassenbahnen für St.Petersburg. Alle Fahrzeuge werden lokal von Stadler unterhalten.

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