15.03.2022

Stadler hat Aufträge wie noch nie

Der Schienenfahrzeugbauer hat rappelvolle Auftragsbücher und 2021 die Rentabilität nach dem vorgängigen Coronajahr gesteigert. Wegen Nachwehen der Pandemie und der weltpolitischen Anspannung wird aber das mittelfristige Renditeziel um ein bis zwei Jahre verschoben. Am Standort in Weissrussland hat Stadler einen Teilrückzug eingeleitet, in Russland hält man vorderhand am Servicegeschäft fest.

Von Thomas Griesser Kym
aktualisiert am 02.11.2022
Der Schienenfahrzeugbauer Stadler hat 2021 eine Punktlandung hingelegt. Mit einem Umsatz von 3,6 Milliarden Franken und einer operativen Marge von 6,2 Prozent hat das Unternehmen seine eigenen Erwartungen erfüllt. Auftragseingang, Auftragsbestand, Umsatz und Betriebsergebnis erreichten Rekordwerte, die Marge verbesserte sich im Vorjahresvergleich um 1,1 Prozentpunkte. Mit 17,9 Milliarden Franken waren die Auftragsbücher zum Jahresende gleich prall gefüllt wie zur Jahresmitte. Einzig der Reingewinn ist leicht gesunken. Dies weil Stadler einen Finanzverlust von 75 Millionen Franken nach einem praktisch ausgeglichenen Resultat im Vorjahr ausweist. Grund sind laut Mitteilung stichtagsbezogene Kursverluste von 38 Millionen als Folge der Euroschwäche nach Kursgewinnen von 16 Millionen im 2020.2020 war noch stark von den Folgen der Pandemie belastet: Die Züge vieler Kunden fuhren weniger Kilometer, was weniger Service erforderte, die Einschränkungen wegen Corona führten zu Störungen in der Lieferkette und verzögerten Zulassungen und Abnahmen fertiger Fahrzeuge. 2021 haben diese Einflüsse noch nachgewirkt, doch die Verzögerungen bei den Fahrzeugabnahmen konnten beinahe aufgeholt werden.Mehrere MilliardenaufträgeBeim Auftragseingang hat Stadler 2021 einen Rekordwert von 5,6 Milliarden Franken verbucht, obwohl die Milliardenaufträge der ÖBB und der SBB zum Jahresende noch durch Einsprachen des Unterlegenen Mitbewerbers Alstom blockiert waren. Den ÖBB-Rahmenvertrag für bis zu 186 elektrische Triebzüge hat Stadler mittlerweile unter Dach, der Auftrag von SBB, Thurbo und RegionAlps für bis zu 510 Züge ist noch hängig. Anfang 2022 hat Stadler zudem einen weiteren Milliardenauftrag erhalten: Bis zu 504 Tram-Trains für Deutschland und Österreich im Volumen von bis zu 4 Milliarden Euro.Die Aufträge, die Stadler in den Büchern hat, geben Arbeit für mehrere Jahre. Auch baut das Unternehmen von Patron Peter Spuhler das Servicegeschäft laufend aus, das höhere Margen generiert als der Fahrzeugbau und Kunden längerfristig bindet. Vom Auftragsbestand per Ende 2021 entfielen 4,4 Milliarden Franken oder ein Viertel auf das Geschäft mit Unterhalt, Wartung und Ersatzteilen. Eine weitere Stossrichtung ist im Zuge der Digitalisierung der Ausbau des Signallings (Signaltechnik), in dem Stadler sich gegen Jahresende mit der Übernahme zweier Firmen gestärkt hat, der Schweizer Bär Bahnsicherung AG und der deutschen BBR.Sanktionen betreffen elektronische BauteileIm Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Stadler begonnen, Teile der Produktion aus dem weissrussischen Werk in Fanipol bei Minsk in den Westen zu verlagern. Dies vor allem ins polnische Werk in Siedlce, aber auch an die Schweizer Standorte. Dies, weil Sanktionen für Lieferung elektronischer Bauteile nach Weissrussland, die laut Stadler per 4. Juni 2022 in Kraft treten dürften, die Produktion in Fanipol und damit die Lieferfähigkeit beeinträchtigten dürften.Hinzu kommt eine momentan geringe Auslastung des Werks. Deswegen und wegen der gegenwärtigen politischen Situation will Stadler die Kapazität in Fanipol, die aktuell weniger als 10 Prozent der Gruppenkapazität beträgt, weiter reduzieren. Die Zahl der Mitarbeitenden in Weissrussland wurde bereits von 1500 auf unter 1200 gesenkt. Stadler hat am Ort Kurzarbeit, einen Sozialplan und eine Verschiebung von Mitarbeitenden an andere Standorte eingeleitet.Stadler hat in Weissrussland über 100 Millionen Franken investiertGrundsätzlich aber will Stadler am Standort Fanipol festhalten. Die finanziellen Folgen der Massnahmen könne man noch nicht abschliessend beurteilen. Fakt ist: In das 2014 offiziell eröffnete Werk hat Stadler damals 50 Millionen Euro investiert, und ab 2018 wurde es für 40 Millionen Franken ausgebaut, unter anderem mit einem Technologiezentrum für Stromrichter, die für den Einbau in Fahrzeuge an allen möglichen Stadler-Standorten gefertigt werden.Betreffend Russland und der Ukraine schreibt Stadler von einem «begrenzten direkten Einfluss» auf das Unternehmen. Aus den beiden Ländern stehen momentan keine Aufträge in den Büchern, und Stadler hat dort keine Investitionen in Depots oder ander Infrastruktur investiert. Aus der Ukraine hat Stadler noch nie Aufträge erhalten, allerdings hat man sich dort an einer Ausschreibung über 80 Züge beteiligt, die jüngst wegen des Kriegs annulliert worden ist.Aus Russland hat Stadler in der Vergangenheit bisher zwei Aufträge erhalten: 11 Doppelstöcker für den Moskowiter Flughafenzug Aeroexpress und 23 Breitspur-Strassenbahnen für St.Petersburg. Für diese Fahrzeuge ist Stadler langfristige Servicevereinbarungen eingegangen. Involviert sind 18 Mitarbeitende in Moskau und 10 in St.Petersburg, jeweils gerechnet in Vollzeitstellen. Stadler schreibt, sollten künftige Sanktionen und Embargos Stadler betreffen, werde man sich selbstverständlich daran halten.Stadler demonstriert Zuversicht mit AbstrichenDer von Peter Spuhler präsidierte Verwaltungsrat schlägt eine Dividende von 90 Rappen (im Vorjahr 85 Rappen) pro Aktie vor. Die Generalversammlung wird ohne physische Präsenz der Aktionärinnen und Aktionäre durchgeführt. Für 2022 bleibe Stadler für seine Kernmärkte «positiv gestimmt», trotz zunehmender Verunsicherung in der Wirtschaft und am Kapitalmarkt vor allem wegen des Kriegs.Stadler rechnet mit einem Auftragseingang zwischen 5 und 6 Milliarden Franken, einem Umsatz zwischen 3,7 und 4 Milliarden Franken (falls Lieferketten, Inflation und Währungsentwicklung nicht das Spiel verderben) und einer stabilen operativen Marge. Mittelfristig will man diese freilich weiterhin steigern, auf 8 bis 9 Prozent des Umsatzes. Bisher peilte Stadler dies für 2023 an, nun wird mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren gerechnet.

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