23.06.2022

Staatsvertrag für den Flugplatz in Altenrhein steht auf der Kippe

Es sah so aus, als hätten sich St.Gallen und Vorarlberg über den künftigen Flugbetrieb in Altenrhein geeinigt. Jetzt aber tobt ein neuer Streit.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 02.11.2022
Ein «ausgewogener Kompromiss» für den Flugplatz Altenrhein: So drückten sich der damalige St. Galler Volkswirtschaftschef Bruno Damann und sein Vorarlberger Amtskollege Marco Tittler aus, als sie Ende 2019 einen Bericht mit Vorschlägen für den künftigen Flugbetrieb vorlegten. Eine bilaterale Arbeitsgruppe unter der Leitung des Schweizer Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl) hatte die Eckpunkte erarbeitet.Vorgesehen ist eine Ausweitung der Betriebszeiten für den Linien- und Charterverkehr – so sollen etwa die Mittagspause und das Flugverbot an gewissen Feiertagen entfallen, und verspätete Linienflüge sollen abends bis 23 Uhr landen dürfen und nicht nur bis 22 Uhr. Im Gegenzug sollen die Betriebszeiten für den Nichtgeschäftsreiseverkehr – also beispielsweise die Sportfliegerei – eingeschränkt und die Anzahl Helikopterflüge halbiert werden.Damit, so verkündeten die Regierungen beidseits des Rheins damals, trage man den Interessen der Wirtschaft und des Flugplatzes ebenso Rechnung wie dem Schutz der Bevölkerung und der Umwelt. Falls alles nach Plan laufe, könnten die Änderungen 2025 in Kraft treten.Das Prozedere ist aber kompliziert: Der Staatsvertrag zwischen Österreich und der Schweiz über den Flugplatz Altenrhein von 1992 muss angepasst werden – und nach ihm eine Reihe weiterer Vereinbarungen und Regelungen. Trotzdem: Noch im Februar schrieb die St. Galler Regierung auf einen Vorstoss der Mitte-EVP- Fraktion im Kantonsparlament: «Die Regierung ist zuversichtlich, dass sowohl auf Bundesebene als auch auf der österreichischen Seite nach wie vor ein grosses Interesse besteht, die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen.»Lautstarke Kritik im RheindeltaJetzt aber steht dieser neue Vertrag auf der Kippe. Der Grund: Die Rechnung wurde zunächst ohne die Anwohnerinnen und Anwohner gemacht – der Widerstand im Gebiet rund um den Flugplatz nimmt zu. Das gilt nicht nur für die Standortgemeinde Thal. Auch die Vorarlberger Gemeinden im Rheindelta legen sich jetzt quer. Sie wollen lieber beim alten Staats-vertrag bleiben, als die neuen Betriebszeiten zu akzeptieren, wie der Gaissauer Bürgermeister Reinhold Eberle vor kurzem gegenüber den «Vorarlberger Nachrichten» sagte. Die Halbierung der Anzahl Helikopterflüge wird von Kritikern in Vorarlberg als «Zuckerl» bezeichnet, das nichts an der «grundsätzlichen Verschlechterung» der Lärmsituation ändere.Die «Aktion gegen Fluglärm» (AgF) auf der Schweizer Seite feiert dies nun bereits als Durchbruch im Kampf gegen den neuen Staatsvertrag: Das Land Vorarlberg werde den Entscheid der Rheindelta-Gemeinden akzeptieren und St. Gallen und die Eidgenossenschaft entsprechend informieren. Damit seien die Ausweitungspläne in Altenrhein vom Tisch, schreibt die AgF.Vorarlberger Regierung hört sich bei Gemeinden umAber ist der neue Staatsvertrag tatsächlich bereits tot? Was sagt die Vorarlberger Landesregierung dazu? Gehorcht sie den Gemeinden oder kämpft sie für den Kompromiss von 2019? Die Antwort aus Bregenz ist unverbindlich: «Die Landesregierung befindet sich derzeit im engen Austausch mit den im unmittelbaren Umkreis des Flugplatzes Altenrhein gelegenen Vorarlberger Gemeinden.»Das Land Vorarlberg und die Vorarlberger Gemeinden werden dem Kanton St. Gallen und der Eidgenossenschaft bis Ende Juni eine Rückmeldung über die Inhalte der beabsichtigten Anpassung des Staatsvertrags und darauf basierenden Verwaltungsvereinbarung geben, wie die Landesregierung weiter schreibt. Sobald dies geschehen sei, werde die Öffentlichkeit darüber informiert.[caption_left: Marco Tittler, Vorarlberger Landesrat für Wirtschaft und Infrastruktur. (Bild: Urs Bucher)]Was sagt die St. Galler Regierung zum Widerstand gegen die angedachten Flugzeiten in Altenrhein? Auf die Anfrage bei Volkswirtschaftschef Beat Tinner antwortet Generalsekretär Thomas Unseld: Das Land Vorarlberg und der Kanton St. Gallen hätten im März dieses Jahres den Anrainergemeinden des Flugplatzes beidseits des Rheins die Ergebnisse der bilateralen Arbeitsgruppe vorgestellt.St. Gallen spricht nun von «möglichen Eckwerten»Die Gemeinden könnten sich bis spätestens Ende Juni zu den «möglichen Eckwerten» für eine Entwicklung des Flugplatzes äussern: «Die zuständigen Behördenmitglieder von Vorarlberg und Kanton St. Gallen werden in der Folge die Rückmeldungen würdigen und entscheiden, wie sie weiter vorgehen wollen.»Vergangene Woche hatte Tinner im Kantonsparlament betont, die Regierung stehe hinter dem Flugplatz Altenrhein und wolle nun endlich einen Schritt vorwärts machen. Die Mitte-EVP-Fraktion hatte eine Diskussion über ihren Vorstoss zum Thema verlangt. Dabei zeigte sich ein tiefer Graben im Parlament: SP und Grüne erteilten dem Ausbau des Betriebs in Altenrhein eine Absage, Bürgerliche verteidigten den Flugplatz und wiesen auf dessen wirtschaftliche Bedeutung hin.[caption_left: Beat Tinner, St. Galler Volkswirtschaftschef. (Bild: Benjamin Manser)]Die Verhandlungsparteien sind sich immerhin in einem Punkt einig: Altenrhein soll weiterhin keine Konzession nach schweizerischem Luftfahrtrecht erhalten. Das bedeutet, dass beispielsweise ein wesentlicher Ausbau des Linienflugbetriebs ausgeschlossen ist. Der neue Staatsvertrag soll diesen Verzicht explizit festhalten.Klar ist auch: Diesen Vertrag würden am Ende die Regierungen Österreichs und der Schweiz abschliessen. Sie sollen dafür Verhandlungsmandate aus St. Gallen und aus Vorarlberg erhalten.

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