PFAS-Böden 18.09.2024

St. Galler Politikerinnen und Politiker machen Druck, der Bundesrat will aber abwarten

St. Gallen macht in Bern Druck für einen nationalen PFAS-Aktionsplan. Der Bundesrat
will aber abwarten.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 18.09.2024

In den Böden mancher St. Galler Landwirtschaftsbetriebe hat es zu viel Chemie. Der Kanton stellte erhöhte PFAS-Werte fest, unter anderem im Fleisch. Die Regierung leitete im August Gegenmassnahmen ein. Sie betonte aber, dass es sich um ein nationales Problem handle. Darum brauche es ein schweiz­weit koordiniertes Vorgehen. Am Dienstag im Kantonsrat bekräftigte die Regierung dies in ihren Antworten auf Vorstösse von SP, Grünen, GLP und SVP. Sie habe den Bundesrat bereits im Juni schriftlich aufgefordert, «zeitnah und mit ausreichenden Ressourcen» einen PFAS-Aktionsplan auszuarbeiten. Die Frage ist im Bundesparlament bereits hängig. Der Nationalrat hat die Landesregierung schon im Mai 2023 beauftragt, einen solchen Aktionsplan zu prüfen. Später war dann zu hören, der Bundesrat wolle sich die Sache bis Ende 2025 überlegen.

«Bundesrat ist
überraschend defensiv»

Jetzt, nach Bekanntwerden der PFAS-Fälle, verlangten mehrere Nationalrätinnen und Nationalräte, dass der Bundesrat Stellung bezieht. Franziska Ryser (Grüne/SG) schrieb: «Die erhöhten PFAS-Werte im Kanton St. Gallen haben gezeigt, dass offene Fragen bestehen – beispielsweise bezüglich Höchstwerten für Milchprodukte – und ein nationaler Aktionsplan mit einheitlichen Massnahmen zeitnah notwendig ist.»

Jedoch: Der Bundesrat hat sich noch nicht entschieden – und er verspricht nichts, wie die Antwort auf Rysers Frage zeigt. Bis Ende 2025 werde geprüft, ob ein «Aktionsplan zur Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt durch PFAS und andere langlebige Chemikalien» überhaupt erforderlich sei, schreibt der Bundesrat. Dafür analysiere der Bund etwa die Belastungs­situation, mögliche Eintragsquellen für PFAS, die aktuelle Rechtslage und wissenschaftliche Studien zu PFAS. Einbezogen würden auch Industrie, Landwirtschaft und Kantone.

Ryser ist mit der Antwort nicht zufrieden. «Der Bundesrat verhält sich überraschend defensiv», sagt sie. Nicht nur St. Gallen sei vom PFAS-Problem betroffen:

Auch andere Kantone rechnen mit erhöhten Belastungen.

Diverse Fragen seien jetzt zu klären: «Wie proaktiv soll man testen, und wo genau? Welche Böden sollen saniert werden? Wer finanziert die Proben und Sanierungen?» Unterschiedliche Regelungen von Kanton zu Kanton seien nicht sinnvoll. «Ich sehe den Bund in der Pflicht, die Koordination zu übernehmen und einen Aktionsplan vorzulegen – möglichst bald.» Jetzt nochmals mehrere Jahre abzuwarten, das gehe nicht.

Was ist mit
importiertem Fleisch?

Die St. Galler PFAS-Fälle haben auch Politiker aus anderen Landesregionen aufgeschreckt. So erwähnte der Solothurner Grünen-Nationalrat Felix Wettstein das belastete Fleisch und wollte wissen, was der Bundesrat «zum Schutz der übrigen Bevölkerung in der Schweiz» unternehme. Der Bundesrat antwortet, der Vollzug der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen sei Sache der Kantone und verweist auf die Massnahmen, die in St. Gallen getroffen wurden. Der Bund unterstütze «bei Bedarf» und stimme beispielsweise zusammen mit dem Verband der Kantonschemikerinnen und Kantonschemiker (VKCS) Messungen von PFAS in verschiede­-
nen Lebensmittelkategorien ab, «um einen besseren Überblick über die Belastung zu erhalten», so der Bundesrat.

Betroffen ist allerdings nicht nur Schweizer Fleisch, wie Roland Rino Büchel (SVP/SG) in der Fragestunde betonte. Er verwies auf einen Artikel der «New York Times», wonach die USA mit genau demselben Problem kämpfen: Auch dort führt das Düngen mit Klärschlamm zu PFAS-belasteten Böden. Büchel wollte vom Bundesrat wissen, wie denn importiertes Fleisch auf PFAS geprüft werde. Der Bundesrat antwortet, die Im­porteure seien zur «Selbstkon­trolle» verpflichtet. Hinzu kämen «risikobasierte Kontrollen» durch die Behörden. Büchel sagt:

Ich finde es höchst erstaunlich, dass inländisches und ausländisches Fleisch offenbar un­terschiedlich behandelt werden.

Wenn man also inländische Produkte genauer unter die Lupe nehme, dann müsse dies für Importe erst recht gelten.

Thomas Rechsteiner (Mitte/AI) sagt, man dürfe die Ver­wendung der PFAS-Stoffe nicht vorschnell einschränken. «Wir brauchen zuerst eine Entscheidungsgrundlage.» Die Bandbreite der PFAS und ihrer Verwendungsformen sei riesig. Darum müsse nun zuerst Wissen aufgebaut werden – auch in der Politik.

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