06.12.2020

Sprachaufenthalt auf die Zeit nach der Lehre verschoben

Ein Gespräch mit vier 15- und 16-Jährigen darüber, wie sie die Coronazeit erleben.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Im Jugendtreff «UG 14» der Jugendarbeit Oberes Rheintal in Alt­stätten habe ich mit Ronja Ulmann und Onur Düzenli abgemacht. Beide sind 16-jährig und Lernende, Ronja als Coiffeuse in Buchs, Onur als Sanitärinstallateur in Au. Dazu gesellen sich die um ein Jahr jüngeren Natalia Popeskov und Baris Akyildiz. Baris – sprich: Barisch – ist Schüler, Natalia bereitet sich im Motivationssemester auf die Lehre als Automechanikerin vor. Treffleiter und Sozialpädagoge Jürgen Kratzer stellt einen zweiten Tisch hin, nun hat’s Platz für fünf Leute. Das Thema nervt, aber keiner verschliesst sich ihmDie Covid-19-Schutzmassnahmen einzuhalten, ist für die gelegentlichen Besucher des Jugendtreffs zur Routine geworden. «Die Maske gehört zum Alltag», sagt Ronja, «ich lege sie kaum noch ab. Manchmal vergesse ich auf dem Töffli, dass ich die Schutzmaske trage.» Dort dient sie als wärmender Schutz. Es geht den vier Teenagern wie vielen anderen, nicht nur jungen Leuten. Sie nerven sich übers Dauerthema Corona – aber sie reden oft darüber. Oder sie schnappen etwas auf. An öffentlichen Orten, die sie freilich seltener besuchen als früher, von Bekannten oder als Zeitungsschlagzeile. «Wir bereden im Coiffeurgeschäft, was wir im Radio hören und ordnen es für uns ein», sagt Ronja. «Die Informationen in den Medien sind zum Teil auch widersprüchlich», beklagt sie. Natalia sagt: «Es gibt kein anderes Thema mehr.» Vorher hätten alle vom Klimawandel und von Greta Thunberg gesprochen. «Der Umwelt geht’s jetzt immer noch schlecht, aber das ist kein Thema mehr. Das ist nicht richtig.»«Es gibt bei den Jugendlichen das gesamte Corona-Meinungsspektrum wie bei den Erwachsenen», sagte Sarah Gasser, Jugendarbeiterin in Ausbildung vor meinem Gespräch mit den Jugendlichen.Die jungen Männer sind die Corona-Skeptiker am Tisch. Onur sagt, die Gefahr werde übertrieben dargestellt, Baris sekundiert, dass die gestiegenen Corona-Fallzahlen mit dem intensiveren Testen zusammenhingen. Ronja ist dagegen der Ansicht, dass die Schutzmassnahmen angesichts der hohen Fallzahlen strenger sein dürften. Auch Natalia ist der Gesundheit zuliebe für möglichst grosse Vorsicht. Nicht erst seit eine Mutter einer Kollegin an Corona erkrankt ist und zwischenzeitlich an Symptomen litt. Ron­-ja dagegen ist selbst erstaunt darüber, «dass ich niemanden persönlich kenne, der laborbestätigt an Covid-19 erkrankt ist».Sprachaufenthalt verschoben, Lehre vorgezogenDer Lockdown wog für alle eher schwerer als die verschärften Massnahmen in der zweiten Welle. Onur und Baris hatten Homeschooling, nicht unbedingt zu ihrem Vergnügen, jetzt kann Baris zur Schule gehen. Und Onur ist in seiner Lehre als Sanitärinstallateur ziemlich frei von Einschränkungen. Im Frühling hatte er Glück, dass er schon eine Lehrstelle hatte. Nicht so Natalia: «Wegen des Lockdowns fand ich keine Lehrstelle.» Deshalb geht sie den Weg übers Motivationssemester. Inzwischen hat Natalia einen Lehrvertrag als Automechanikerin unterschrieben. Das macht das Leben leichter.Auch Ronja hat die Ungewissheit überwunden, die sie im Frühling lähmte. Sie hatte nach der Schulzeit einen Sprachaufenthalt in den USA geplant. «Flugtickets, Highschool-Platz, Gastfamilie in einem kleinen Dorf – alles hatte ich schon», sagt Ronja. Dann kam die Pandemie. Mit ihr zuerst die Ungewissheit, dann die Absage des Sprachaufenthalts. «Dazwischen fand ich aber einen Lehrbetrieb, bei dem ich erst in einem Jahr hätte anfangen können, wenn es mit der USA-Reise geklappt hätte», sagt sie. Nun arbeitet Ronja schon seit letztem Sommer dort, «und der Traum vom Sprachaufenthalt ist nicht geplatzt, nur verschoben auf nach der Lehre.»Abmachen mit Kollegen, aber kein FamilienfestDie vier Jugendlichen arrangieren sich mit der Pandemie, jeder auf seine Art. Sie treffen ihre Kolleginnen und Kollegen in kleineren Gruppen oder sind eher auf eine Clique fixiert. Die Kontaktfreiheit vermissen sie aber alle. Onur, der seine Kollegen oft draussen trifft, bereitet zudem die Kälte Sorgen.Während Jürgen Kratzer im Jugendtreff weihnachtlich dekoriert, fällt Natalie ein, was sie am meisten vermissen wird: «Dass an Weihnachten die ganze Familie zusammenkommt.»  

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