10.04.2021

Spitalretterin würde Wahl annehmen

Unter den unfreiwillig Nominierten gibt es in Innerrhoden auch solche, die sich ein Regierungsamt vorstellen könnten.

Von Claudio Weder
aktualisiert am 03.11.2022
Claudio WederAm 9. Mai entscheidet sich in Innerrhoden an der Urne, ob die Standeskommissionsmitglieder Monika Rüegg Bless und Jakob Signer im Amt bleiben dürfen. Denn die beiden haben mehrere Gegenkandidatinnen und Gegenkandidaten erhalten. Die meisten betonten im offiziellen Inserat der Ratskanzlei, dass sie das Amt nicht übernehmen möchten. Bei drei weiteren ging dies jedoch nicht klar hervor.Nicht festlegen will sich etwa Barbara Nef-Manser, die als Frau Statthalter vorgeschlagen ist. Wie die meisten anderen vorgeschlagenen Personen untersteht sie dem Amtszwang und kann die Wahlteilnahme nicht ablehnen. «Ich lasse es mal so laufen», sagt sie auf Anfrage. Verärgert scheint sie, im Gegensatz zu anderen Nominierten, nicht zu sein.Sie würde sich das Amt zutrauenNef-Manser wurde 1960 geboren. Ein politisches Amt habe sie noch nie gesucht. Sie sei politisch interessiert, aber weder einer Partei noch einem Verband zugehörig. Das Amt der Frau Statthalter würde sie jedoch annehmen, wenn sie am 9. Mai gewählt würde. Sie sagt: «Ich würde es mir auch zutrauen.»Die Statthalter-Kandidatin sagt über sich selbst, sie sei eine «Innerrhoderin mit Herzblut», die wisse, wie ihre Mitmenschen ticken. Sie ist in Brülisau aufgewachsen und arbeitet seit über 20 Jahren am Spital Appenzell, wo sie die Abteilung Radiologie/Labor sowie das Ärztesekretariat leitet. Zudem ist sie Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung. Überrascht gewesen sei sie nicht, als sie erfuhr, dass sie als Kandidatin für ein Regierungsamt vorgeschlagen ist. Bereits nach dem Rücktritt von Antonia Fässler im vergangenen Jahr sei sie angefragt worden, ob sie als Frau Statthalter kandidieren wolle. Auch in diesem Jahr seien Anfragen von verschiedenen Leuten gekommen, vor allem von Ärzten und Mitarbeitenden des Spitals Appenzell. Laut Nef-Manser ist der Unmut über den Entscheid, das AVZ+ nicht zu bauen und die stationäre Abteilung Ende Juni zu schliessen, bei den Spitalangestellten gross: «Wir stehen vor einem Scherbenhaufen», sagt sie. Und weiter: «Jetzt haben wir die Gelegenheit, das Ruder nochmals herumzureissen.»Das Spital Appenzell liegt der zweifachen Mutter am Herzen. Würde sie gewählt, dann würde sie alles darangeben, das «Kartenhaus, das nun langsam in sich zusammenfällt», zu retten. «Wir können uns nicht ständig mit St. Gallen vergleichen. Innerrhoden braucht ein eigenes Spital.» Ein AVZ+, das heisst: ein Spital mit einem stationären Angebot sei für sie die vielversprechendere Lösung als nur ein ambulantes Versorgungszentrum und ein Angebot im Bereich der Palliativmedizin. Als Frau Statthalter vorgeschlagen ist auch Stephanie Bieri. Über ihre Nomination sagt die 42-Jährige: «Ich bin froh, hat die Person, die mich vorgeschlagen hat, ihre demokratischen Rechte wahrgenommen. Damit wird der Stimmbevölkerung eine Auswahl präsentiert.» Bieri habe keine politischen Ambitionen und Erfahrungen, sie sei aber mit der Gesundheitspolitik des Kantons nicht einverstanden. «Viele Jahre habe ich gerne und engagiert im Spital Appenzell gearbeitet und habe an dessen Zukunft geglaubt.» Nach dem Entscheid vom November 2020 habe es für die diplomierte Fachfrau Operationstechnik aber keine berufliche Perspektive mehr am Spital Appenzell gegeben. Seit Anfang Monat arbeitet sie in der Berit Klinik in Speicher. Wegen ihrer beruflichen Neuorientierung und der «destruktiven Situation rund um das Spital Appenzell» unterstützt Stephanie Bieri die Kandidatur von Barbara Nef-Manser: «Sie bringt mit ihrer langjährigen Führungserfahrung, ihrem breiten Fachwissen und ihrer Verwurzelung im Kanton beste Voraussetzungen für das Statthalter-Amt mit», sagt die zweifache Mutter, die seit 2002 in Appenzell wohnt.Kein Verständnis für Stopp des SpitalneubausDer Entscheid der Regierung, auf den Neubau des Spitals Appenzell zu verzichten, kommt auch bei Stephanie Bieri nicht gut an. «Die Stimmbevölkerung hat sich an der Landsgemeinde 2018 für das Projekt AVZ+ ausgesprochen. Dieser demokratische Entscheid wird durch die Standeskommission umgestossen und ignoriert. Dafür habe ich politisch kein Verständnis.» Die Begründung, dass nach der Kündigung des Kooperationsvertrags durch den Ausserrhoder Spitalverbund keine stationären Operationen mehr durchgeführt werden können, sei fachlich nicht nachvollziehbar, so Bieri weiter. «Stationäre Operationen wären weiterhin möglich gewesen. Leider wurden keine Gespräche mit den dafür zuständigen Fachpersonen, insbesondere den Operateuren und Anästhesieärztinnen, geführt.» Zum geplanten zukünftigen Angebot am Spital Appenzell sagt die 42-Jährige: «Im Spital Appenzell wurden bisher schon Palliativpatienten auf ihrem letzten Weg begleitet. Palliativ- und auch die Übergangspflege hätte beim aktuellen Bedarf von drei bis fünf Betten problemlos ins AVZ+ integriert werden können.» Was jetzt auf dem Tisch liege, sei keine Zukunftsvision.Würde Stephanie Bieri am 9. Mai zur neuen Frau Statthalter gewählt, dann sähe sie Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen, insbesondere in Bezug auf Führungsverantwortung und im Bereich der Kommunikation. «Als Amtsinhaberin würde ich die Führungsstrukturen mit Personen besetzen, die unabhängig sind und sich mit unserem Kanton identifizieren.» Bei schwerwiegenden Entscheidungen – wie dem Abbruch des Spitalneubauprojekts – würde sie den Dialog suchen und die vorhandenen Fachpersonen breit abgestützt einbeziehen. «Und wenn ich als Frau Statthalter den Mitarbeitenden eine solche Hiobsbotschaft übermitteln müsste, würde ich meine Führungsverantwortung wahrnehmen, indem ich direkt mit den Betroffenen das Gespräch suche und ihre Sorgen und Ängste ernst nehme.»Politik gehört zu seinem Job dazuZu den unfreiwilligen Kandidaten gehört auch Nicola Moser. Der 35-jährige Rechtsanwalt wurde von Albert Rusch als Landesfähnrich vorgeschlagen. Auch Moser untersteht dem Amtszwang und muss am 9. Mai gegen Amtsinhaber Jakob Signer antreten – ob er nun will oder nicht.Auf Anfrage gibt Moser bekannt, dass er «weder überrascht noch schockiert» gewesen sei, als er von der Ratskanzlei darüber informiert wurde. Vorgespräche habe es keine gegeben. Moser hat seine Nomination «zur Kenntnis genommen» und verweist auf die Eigenheiten des Innerrhoder Wahlsystems: «Auch an einer Landsgemeinde hätte es passieren können, dass jemand meinen Namen in den Ring ruft.»Im Gespräch betont Moser jedoch, dass er nie beabsichtigt habe, gegen den ihm persönlich gut bekannten Amtsinhaber Jakob Signer anzutreten. Sowohl Moser als auch Signer sind Mitglieder der Appenzellischen Offiziersgesellschaft und Stiftungsräte der Appenzellischen Winkelriedstiftung. Hinzu komme, dass er beruflich so ausgelastet sei, dass er ein politisches Amt zurzeit nicht suche, sagt Moser.Dennoch: Die Politik ist für den 35-Jährigen, der im vergangenen Monat zusammen mit David Inauen in Appenzell eine Anwaltskanzlei gegründet hat, kein Fremdwort. «In meinem Beruf kommt man notgedrungen mit der Politik in Kontakt.» Moser ist zudem langjähriges Mitglied der CVP und für den Vorstand der Innerrhoder Kantonalpartei designiert.

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